Ein Film - Drei Fazite
16.08.2024 - Kinopolis Hanau – Kino 1 – Dolby Atmos
Wir waren zu dritt im Kino: Meine Tochter, die noch nie zuvor einen Alien-Film gesehen hatte und lediglich den Trailer kannte, ihr Freund, der nach eigener Aussage „den einen oder anderen Alien-Film“ kannte, und ich, der alle Teile und die zugehörigen Dokus mehrfach gesehen hat.
Story
Mehrere (jugendliche) Minenarbeiter sind durch Knebelverträge mit dem Weyland-Konzern dazu verdammt, ihr Dasein auf einem düsteren Planeten zu fristen, auf dem niemals die Sonne scheint. Mit Hilfe des Androiden Andy, der als Einziger Zugang zu einer verlassenen Raumstation im Orbit hat, planen die Freunde ihre Flucht. Um die Reise zu ihrem Ziel, dem Planeten Ywaga, zu überstehen, benötigen sie jedoch noch einige ausrangierte Cryokapseln von der Raumstation.
Statt diesen Teil des Films zu nutzen, um den Zuschauer behutsam in die Charaktere, die Handlung und die Umgebung einzuführen, dauert es jedoch nicht lange bis sich die Ereignisse überschlagen. Kaum versieht man sich, docken die Jugendlichen bereits mit ihrem Raumschiff an der verlassenen Station an. Dort angekommen, wecken sie versehentlich ein gutes Dutzend Facehugger aus dem Tiefschlaf in einer Kühlkammer und das Unglück nimmt seinen Lauf.
Mit Hilfe des reaktivierten Androiden Rook, einem Mitglied der ursprünglichen Forschungscrew, wird im Eiltempo die Vorgeschichte erzählt, wobei versucht wird, den Bogen vom ersten Teil zu den aktuellen Geschehnissen zu spannen. Leider bemerken die Protagonisten erst viel zu spät, dass Rooks einzige Motivation darin besteht, das "Experiment" um jeden Preis zu retten.
Atmosphäre und Spannung
An die klaustrophobische Atmosphäre des Originals kommt Alien: Romulus bei weitem nicht heran. Wo Ridley Scott im ersten Teil noch mit nervenaufreibenden Spannungsbögen und gezielten Überraschungseffekten aufwarten konnte, geht es hier Schlag auf Schlag sobald der erste Facehugger auftaucht. Das sorgt zwar für kurzweilige Unterhaltung, lässt den Film jedoch auch beliebig wirken. Dazu trägt auch das inflationäre Auftauchen zahlreiche Aliens bei, bis man irgendwann den Überblick verliert. Schade ist auch, dass die verschiedenen Entwicklungsstadien im Schnelldurchlauf abgespult werden. Vergleicht man den Film mit Ridley Scotts Alien, muss man leider sagen: Scott kam mit einem einzigen bedrohlichen Wesen aus und erzeugte dabei trotz oder vielleicht gerade wegen der niedrigeren Taktung ein vielfaches an Spannung.
Charakteraufbau
Die Einführung der Charaktere ist leider recht lieblos, oberflächig und mit ein paar kurzen Szenen abgehandelt. Daraus resultieren dann Figuren die farblos und beliebig austauschbar wirken. Wer als nächstes stirbt ist dem Zuschauer dann eigentlich auch herzlich egal.
Es ist schon bemerkenswert, dass der per Tricktechnik wiederauferstandene Ian Holm, der in Ridley Scotts Alien den Androiden Ash spielte und hier nun die Rolle seines baugleichen Zwillings Rook "verkörpert", mehr Tiefe bietet als der Rest der Protagonisten. Das liegt einerseits daran, dass er einen großen Teil der "Erklärarbeit" für das Publikum übernimmt. Andererseits bleibt aber auch zu bemängeln, dass die anderen Rollen kaum mit Leben gefüllt wurden.
Effekte
Die Kulissen und Effekte sind hervorragend umgesetzt und bieten alles, was sowohl Alien-Fans als auch Horror-Liebhaber erwarten. Die verlassene Raumstation wirkt authentisch und fügt sich nahtlos in das bekannte Design der früheren Alien-Filme ein. Natürlich fehlen in einem Alien-Film weder die ikonische Facehugger-Szene noch der berüchtigte Chestburster-Moment, und auch das Säure-Blut bekommt seinen gebührenden Auftritt. Während in Ridley Scotts erstem Alien-Film die Darsteller noch behutsam mit "Vorsicht, pass auf damit es nicht auf dich tropft ..." warnten, konnte sich die Special-Effects-Crew bei Romulus richtig austoben und einen Jugendlichen gleich an mehreren Stellen der ätzenden Substanz aussetzen. Bleiben noch die eigentlichen Xenomorphe. Diese sind allesamt äußerst plastisch und wirken selbst in längeren Einstellungen sehr "realistisch".
Kritikpunkte: Vorhersehbarkeit und Übertreibung
Während die Facehugger zu Beginn noch in großer Zahl durch die Gänge huschen und ihre potenziellen Wirte jagen, wird später erklärt, dass sie nur auf Geräusche und Temperatur reagieren. Um an ihnen vorbei zu kommen wird der Raum den man durchqueren muss um zur anderen Seite der Raumstation zu gelangen, auf Körpertemperatur gebracht. Die Protagonisten versuchen dann, sich leise an den Monstern vorbeizuschleichen. Diese Taktik erinnert an die Szenen aus „The Walking Dead“, in denen sich die Darsteller mit Eingeweiden einreiben, um Zombies zu umgehen. Natürlich wird diese Taktik durch einen plötzlich eingehenden Funkspruch vereitelt. Leider alles sehr leicht vorhersehbar.
Einer der meiner Meinung nach schlimmsten Momente im Film war der Flug der Hauptdarstellerin in der Schwerelosigkeit der Raumstation (nachdem der Schwerkraftgenerator abgeschaltet wurde) - vorbei an Unmengen von waberndem Säure-Blut. Spätestens hier wird deutlich, dass zugunsten von Effekthascherei auf Spannung und Logik verzichtet wurde.
Die Toleranzgrenze der Zuschauer wird aber spätestens im Finale vollends überschritten, wenn sich das schwangere Crewmitglied das Lebenselixier "Black-Goo" spritzt um zu überleben und anschließend einen Alien-Mensch Hybriden gebärt. Dieser wächst innerhalb weniger Minuten zu einem 3-Meter großem Endgegner nachdem es seine Mutter ausgesaugt hat.
Fazit meiner Tochter:
Der Film ist einfach nur eklig und ich will nie wieder einen Alien Film schauen.
Fazit ihres Freundes:
Guter Film! Hat Spaß gemacht.
Mein Fazit:
Irgendwie war es interessant zu sehen wie man versucht hat die Story des erstens Teils aufzugreifen und fortzuführen. Eigentlich ist das sogar recht passabel gelungen. Natürlich sind mir auch einige versteckte Anspielungen auf andere Teile (wie der Wackelvogel auf dem Tisch) aufgefallen. Obwohl Atmosphäre und Spannung durch Action und zahlreiche (leider vorhersehbare) Jump-Scares ersetzt wurden, hat mich der Film gut unterhalten. Alvarez drück dem Film deutlich seinen Stempel auf, vor allem im letzten Drittel. Alles in allem kein Meisterwerk aber gutes Horror-Popcorn-Kino mit Retro Touch.