Die Sehnsucht nach solidem, ehrlichem Handwerk war groß, nachdem Ridley Scott mit seinen beiden Prequels zu „Alien“ einen philosophischen Alleingang gestartet hatte, dem viele Zuschauer nicht mehr folgen konnten. Fede Alvarez, der immer noch von seiner hochgradig effektiven Neuausrichtung der „Evil Dead“-Franchise aus dem Jahr 2013 zehrt, schien der richtige Mann zu sein, auch die „Alien“-Franchise aus ihrer Sackgasse zu manövrieren. Nichts wünschte man sich sehnlicher, als endlich wieder den nackten Terror im Angesicht des Xenomorph zu spüren, der sich aus der Kulisse schält, um seinen Ruf als das tödlichste Wesen der Kinogeschichte zu verteidigen.
Dabei ist schnell vergessen, dass „Alien“ immer schon mehr war als die perfekte Melange aus Science Fiction und Horror, mehr als die Summe der Mechanismen, die einen Zusammenschluss zweier kompatibler Genres bilden. Die Philosophische Anthropologie, die erlebbar zu machen sich Scott zuletzt zum Auftrag gemacht hatte, brütete immer schon in den grundlegenden Konzepten und Designs H.R. Gigers. Sie war der ungeborene, unausgesprochene Horror des ersten „Alien“, der vorgab, sich um den klassischen Feind von außerhalb zu drehen, den es zu vernichten galt. In Wirklichkeit aber drehte sich immer alles um den Menschen und um die Frage, was den Menschen und das Menschsein als vertraute Identität vom Fremdartigen trennt.
Solche weiterführenden Fragestellungen organisch in einen Suspense-Horrorfilm mit SciFi-Ambiente einzuweben, ohne sich wie Altmeister Scott in verquasten Monologen zu verhaspeln, hätte Alvarez' oberste Direktive sein müssen, um wahrhaftig zu den Anfängen der Reihe aufzuschließen. Disney und seiner 20th-Century-Abteilung wird es aber wohl weniger um die Fragestellungen gegangen sein als vielmehr um die harte Oberfläche. Dass „Alien: Romulus“ in der Zeitachse gleich hinter dem Original andockt, um diesem ganz nah zu sein, erscheint da nur folgerichtig. Es ist ein Fingerzeig für die anschließend aufgezogene, in ihrem Aufbau von vorne bis hinten vorhersehbare Dramaturgie, die ihrem legendären Vorbild in der Form nacheifert wie ein Zwilling dem anderen.
Bevor die Mimikry ihren Lauf nimmt, darf Alvarez aber zeigen, dass ihm bei allem drohenden Franchise-Gehorsam durchaus eine eigene künstlerische Vision vorschwebt. Was er da auf dem Planeten der Bergbaukolonie an hoffnungsloser Düsternis abbrennt, würde als Kulisse einem jeden möglichen neuen „Terminator“ schmeicheln, der in der Zukunft spielen könnte. Die klobigen „W“-Muster der Weyland Corp. breiten sich als schwere, rostige Skulpturen in einer Landschaft aus, die weder Flora noch Fauna kennt, sondern ausschließlich Maschinen, Staub und Barrieren unter einem verpesteten Himmel mit aufgewühlter Stratosphäre. Das gesamte Produktionsdesign, inklusive der später dominierenden Innereien der Raumstation, erinnert wohlig an die guten alten Zeiten des gehobenen Mittelklasse-Genrekinos, das aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln das Beste zu erschaffen vermochte, wie es zuletzt vielleicht noch „Riddick“ vor rund einer Dekade gelang. Das All wirkt wie ein gigantischer, wild träumender Organismus im Winterschlaf, auf dessen Skelett Erkundungstouren stattfinden. Selbst Planetenringe werden bis auf die Oberflächenstruktur der einzelnen Gesteinspartikel aufgelöst, in der Luft scheinen unsichtbare Krankheiten zu schweben und die schwarzbraune Umgebung verhüllt unerschlossene Dinge, die nur kurz im Schein der wütenden Blitze zu erahnen sind. Es sind lediglich Fragmente, die man zu sehen bekommt, sie setzen sich jedoch zu einer überzeugenden Illusion zusammen, die wirkungsvoll das drohende Unheil ankündigt und für angemessene Stimmung sorgt, während sich die Facehugger noch in Position bringen.
Gebrochen wird die Illusion allenfalls durch den blutjungen Cast, ausschließlich aus Mittzwanzigern bestehend, deren weiche, noch nicht voll ausgeprägte Gesichtszüge viel von dem Schmutz absorbieren, den die Kulisse verströmt. Am Ende des Films wird man sich keines dieser Gesichter eingeprägt haben, mit Ausnahme vielleicht desjenigen von David Jonsson, der allerdings als Android auch eine äußerst dankbare Rolle zugewiesen bekommt, die er immerhin bravourös meistert: Ein zur trüben Miene eines verlassenen Hundes eingefrorenes Gesicht, das auf die emotionalen Trigger seiner Umgebung dann mit feinsten Nuancen reagiert, das kommt vielleicht nicht ganz an die spröde Nüchternheit von Charaktermimen wie Lance Henriksen oder Ian Holm heran, ist der Methodik dieser Pioniere aber zweifellos auf der Spur. Der künstliche Mensch ist und bleibt zudem ein faszinierendes Thema, das gerade auch den „Alien“-Diskursen immer schon eine zusätzliche Dimension verpasst hat.
Letztlich interessiert sich das Skript aber nur am Rande für Roboterethik und Mensch-Maschine-Philosophie, denn im Vordergrund steht ganz technisch-banal der Spannungsaufbau. Es ist eine Fortsetzung, die am liebsten unsere Erinnerung an die alten Filme reinwaschen würde, die uns einen Erstkontakt vorgaukeln möchte, um selbst anstelle des Originals Platz nehmen und dessen Wirkung verströmen zu können. An Inszenierung und Pacing ist nur wenig auszusetzen. Grundsätzlich werden die Bausteine fachmännisch in Position gerückt. Wir sind weit weg von der postmodernen Ausschlachtung der Franchise in den 2000ern mit „Alien vs. Predator“, eher schon möchte man bei der langsamen Erkundung der Station an das gelungene Lizenzvideospiel „Alien: Isolation“ denken, vielleicht sogar an die Alien-inspirierte „Dead Space“-Franchise, obgleich all diese Spiele in Sachen Immersion naturgemäß die Nase vorn haben. Nichtsdestotrotz: Wenn die ersten Facehugger schlüpfen und ganze Räume in Beschlag nehmen, möchte man lieber auf der anderen Seite der Tür stehen.
Alvarez ist jedoch so sehr darauf bedacht, dem Publikum seine Fanlieblinge am Ende einer Kette von Andeutungen mit dem größtmöglichen Effekt vor den Latz zu knallen, dass er den Inhalt aus den Augen verliert. Die „Evil Dead“-Essenz hatte er noch bis auf den Kern freigelegt, ohne sich auch nur ansatzweise der Mittel Sam Raimis bedienen zu müssen; aber der „Alien“-Stoff ist da wohl spürbar eine größere Hausnummer als das Necronomicon. Diesmal begnügt sich der Regisseur damit, einfach die Handschrift abzupausen; und zwar nicht länger nur bei Ridley Scott, sondern auch bei James Cameron, bei David Fincher und schließlich sogar bei Jean-Pierre Jeunet. „Alien: Romulus“ gerät auf einmal zur Petrischale, in der munter Genmaterial angerührt wird, das aus allem möglichen Urschleim zusammengesetzt ist, nur keine einzige neue Zutat beizusteuern weiß, außer das ein oder andere brachiale Logik-Ozonloch. So bekommen wir zwar mit zunehmender Eskalation der Ereignisse einige der skurrileren Einfälle zu sehen, die man mit Säure, Feuer, Munition und Schwerkraft realisieren kann, dies jedoch auf Kosten der Glaubwürdigkeit eines Skripts, das in den meisten Momenten dann doch eher auf Suspense setzt und gerade die Xenomorphs etwas dosierter einsetzt als etwa Camerons bleihaltige Pluralisierung „Aliens“. Wird diese dann doch mal als Vorbild herangezogen, fällt der gesamte Aufbau drumherum in sich zusammen. Hinzu kommen einige unglückliche SFX-Entscheidungen, denn trotz spürbarer Bemühungen, On-Set-Effekte in den Mittelpunkt zu stellen und computergenerierte Bilder eher ergänzend zu nutzen, wird in einem Fall unausgereiftes CGI zur Gesichtsanimation eingesetzt, wo sich eine hydraulische Puppe als Alternative regelrecht aufgedrängt hätte.
Weil aber eben der Fokus so sehr auf das How-To gelenkt ist und keinerlei Ambitionen zu erkennen sind, den Stoff auch inhaltlich zu erweitern, beginnt man sich trotz der düsteren Bilder, der griffigen Atmosphäre und des lückenlosen Spannungsaufbaus bald zu fragen, was dieser siebte Teil überhaupt zu einer Reihe beitragen kann, die ja grundsätzlich durchaus empfänglich ist für individuelle Ansätze. „Alien: Romulus“ ist womöglich der erste Teil, dem es kaum gelingt, sich aus den Schatten seiner Ahnen zu befreien. Substanz sucht man im Umgang des Films mit dem durchaus interessanten Romulus-Motiv aus der römischen Mythologie jedenfalls vergebens, es bleibt weitgehend bei Behauptungen und Feststellungen von Parallelen.
Lediglich im letzten Akt wird es nochmal ein Stück weit packend und unberechenbar. Vielleicht ist das Finale aus „Alien“, das hier neuerlich kopiert wird, in seiner Suspense-Kurve einfach zu perfekt, um nicht auch auf Alvarez' Regie positiv abzufärben, vielleicht ist die letzte Kreatur, die er aus dem Hut zaubert, auch einfach ein idealer Bezugspunkt, an dem sich die Geister scheiden können und an dem Diskussionen geboren werden, solange nur abgelenkt wird von der Vorhersehbarkeit des Drehbuchs.
„Alien: Romulus“ ist letztlich ein Film, den James Cameron schon 1986 hätte drehen können, wenn ihm nichts besseres eingefallen wäre. Dass er dann doch lieber „Aliens“ drehte und die Eier bewies, Ridley Scotts Horrorthriller-Formel in eine SciFi-Action-Formel zu verwandeln, war ausschlaggebend dafür, dass sich „Alien“ überhaupt zu einer Autorenreihe entwickeln konnte, der bislang noch jeder Regisseur seinen Stempel aufdrücken konnte; Sigourney Weaver hin oder her. Fede Alvarez hingegen hat zwar durchaus die biologische, mechanische und mythologische Komponente der Giger-Kreaturen verstanden und inszeniert sie demgemäß furchteinflößend. Was ihm aber schmerzlich fehlt, ist der frische neue Ansatz, in den sie eingebettet werden können.