Review

Konzentrierter Alienterror

„Alien“ ist zwar im Genrebereich und sogar darüber hinaus noch immer eine ziehende und enorme Marke, doch am Leben gehalten haben sie in den letzten Jahrzehnten meiner Meinung nach vor allem starke Videospiele oder kleinere Nebenprojekte. Von der Nostalgie und der ewigen Begeisterung für die originale Quadrilogie ganz abgesehen. Die neueren Filme wie „Prometheus“ oder vor allem „Alien: Covenant“ haben eher ihr Möglichstes getan, um den Mythos zu zerkratzen. Obwohl ich „Prometheus“ mittlerweile nicht mehr ganz so kritisch gegenüberstehe wie bei seinem Release. Wie dem auch sei: nun lässt Ridley Scott junges, frisches Blut an „sein“ Franchise - und zwar mit Fede Alvarez einen echten Härte- und Horrorspezi, der vor allem schon mit seinem ultrabösen „Evil Dead“-Remake bewiesen hat, dass er es drauf hat und sogar „heiligem Horrormaterial“ einer passenden, wirkungsvollen und eigenständigen Frischzellenkur unterziehen kann. Und auch sein hollywoodigerer Hit „Don't Breathe“ ist verdammt intensiv und fies. Das Zeug auch „Alien“ zu alter Größe zu führen hat der motivierte Südamerikaner also in jedem Fall, obwohl das Franchise in diesem Jahrtausend bisher nie wirklich Fuß fassen und z.B. einen weiteren Klassiker abliefern konnte. Eine weitere brisante Frage war: kann er - ähnlich wie Scott, Cameron, Fincher und Jeunet - seine eigene DNA, seine Ideen und seinen Stil einbringen, „Alien: Romulus“ in Erinnerung bleiben lassen. Und das in einer Zeit, wo Hollywood zu oft extrem safe und legacy-like gefühlt lieber Best Ofs als frische Schocks liefert. Alvarez hatte also einige Baustellen bei diesem Prestigeprojekt und dieser legendären IP - natürlich genauso wie Möglichkeiten, Budget und (positive wie negative) Vorbilder, Comnections, Berater, Ziehväter. Passenderweise ein zweischneidiges Schwert mit giftiger Körperflüssigkeit und doppelt-bissiger Zunge sozusagen. Die Handlung seines „Alien: Romulus“ wurde deutlich verjüngt - oder zumindest sind die Protagonisten noch recht grün hinter den Ohren, was manchmal fast etwas Slasher-Stimmung aufkommen lässt, wenn es eine bunte Crew von Weltraumkolonisten mit Facehuggern und Xenomorphs zu tun bekommt, auf einer Mission, wo sie eigentlich den großen Reibach riechen…

Für Fans - von einem Fan?

„Alien: Romulus“ will(/muss?) auf vielen Hochzeiten tanzen. Am meisten erinnert er an die ersten vier Teile, da verspricht das Marketing nicht zu viel, gleichzeitig will er aber auch den „Prometheus“-Ansätzen nicht ganz abschwören und am liebsten sogar noch die ganz aktuelle Generation und Neueinsteiger mitnehmen. Das kann nicht gut tun und ist nicht perfekt. Ein sehr solider und intensiver Ableger ist „Alien: Romulus“ zum Glück dennoch geworden. Er sieht exzellent aus (bis auf eine „Rückholaktion“, deren CGI-Fratze für mich vollkommen fehlschlägt), Alvarez kann Spannung aufbauen, er kann düster und pervers, er weiß um die Stärken des Franchise und was Fans erwarten, wollen, toll finden. Dazu gibt’s einen der besten Androiden der gesamten Reihe (was wirklich etwas heißt!), die junge Cailee Spaeny tritt famos in Weavers Fußstapfen und immerhin im Finale darf Alvarez eigene Ideen aufdrehen - die man dann aber auch nicht 100%ig geil finden muss. Doch die meiste Zeit liefert er routiniert und durchdacht die „goods“. Gerade wie er mit Stille im All oder luftleeren Raum spielt ist sensationell - wie könnte der Regisseur von „Don't Breathe“ auch anders. Der Score ist brachial, die Schauwerte von Sets und Kostümen sind da, der kurze Einblick zu Beginn in die Minenkolonie ist nice. Und Alvarez baut ein paar wunderbar eklige wie hübsche Bilder ein - wie der Facehugger, der unter Widerstand versucht seinen „Schlauch“ in den Mund seines Opfers zu stecken; wie das durch das Xenomorph-Gebiss scheinende Licht; wie das X-Ray-Gerät samt internem Einblick in die „Wehen“ einer Alien-Brustgeburt. Da sind einige tolle Momente dabei! Es gibt wirklich etliche Easter Eggs und Erinnerungsmomente an die Wegbereiter - und sogar das grandiose Game „Alien: Isolation“ (das beste „Alien“-Produkt in diesem Jahrtausend!), ich sage nur: Telefone! Doch dadurch fehlt ihm natürlich ein gutes Stück an eigener DNA und er wird quasi zum Vorzeige-Legacy-Ableger, der es allen recht machen will. Und vielen bestimmt auch kann. Mich hat leider überrascht, wie blutarm Alvarez hier verbleibt, gerade nach seiner o.g. Vita. Doch damit steigt und fällt ein Film ja nicht komplett. Dennoch gibt’s vielleicht ja noch Hoffnung auf einen härteren „Extended Cut“ im Heimkino. Doch auch das wird „Romulus“ jetzt nicht Ligen steigen lassen. Muss es auch nicht, denn er ist so oder so ein Schritt hoch für die Marke und eine flotte, attraktive und garstige Auftragsarbeit. Einige richtig dumme Figurenentscheidungen übernimmt er aber schrecklich von den letzten beiden mageren Ridley Scott-Ablegern - aber da wären wir ja wieder bei dem Slasher-Gebiet… 

Noch immer ätzend…

Fazit: Alvarez liefert den besten „Alien“-Film dieses Jahrtausends! Boom!… Spaß beiseite, denn das ist keine Kunst bei all den „AvP“ und dem höchstens als Guilty Pleasure taugenden Zeug. Aber ganz ehrlich: „Alien: Romulus“ ist endlich mal wieder ein brauchbarer „Alien“-Ableger, wenn ihm auch ein gutes Stück eigene Identität abgeht und er eher als hübsches, geballtes und intensives Franchise-Sammelsurium für eine neue Generation taugt. An die vier „alten“ Werke kommt er nicht heran. Taugen tut er dennoch genug. Man nimmt, was man kriegen kann. 

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