Review

Es würde beileibe nicht schwer fallen, sich den pathetischen Lobeshymnen an zu schliessen, mit denen „Snatch“ mittlerweile massenhaft überschüttet wurde. Immerhin bietet Guy Ritchies Gangsterkomödie einen äusserst rasanten Mix aus lauter skurrilen Charakteren, herrlich trockenem Humor nach Londoner Mundart, mit Kugelregen durchsetzten Actionszenen, ungewöhnlichster Kameraführung und manchem mehr, also allem, was man für ein kurzweiliges Erlebnis braucht. Eines hat der Film jedoch nicht, und zwar das, was einem Genre Neues hinzufügt, was für Abwechslung gegenüber bereits vorhandenen Werken sorgt und ihn nicht zum Klischeestreifen werden lässt, was Begriffe wie „Meisterwerk“, „Meilenstein“ und ferner auch „Kultfilm“ ausmacht, in einem Wort: Innovation! Ein Faktor, der bei Rezensionen allzu oft ausser Acht gelassen wird (so auch hier), aber gerade bei „Snatch“ eine um so grössere Rolle spielt. Betrachtet man den Vorläufer „Bube, Dame, König, grAs“, welcher Ritchie 2 Jahre zuvor zum Durchbruch verhalf, stellt man rasch fest, dass unserem kreativen Genie seitdem anscheinend nichts mehr Neues eingefallen ist. In der Besetzung wurden 2 Mitglieder durch Brad Pitt und Benicio Del Toro ersetzt, der Rest entspricht der nicht minder austauschbaren Riege, die sich bereits in „Bube, Dame, König, grAs“ die Hauptrolle(n) teilte. Ähnlich verhält es sich mit der Rahmenhandlung: 2 fast unwesentliche Änderungen, und fertig ist das Konzept zum Nachfolger. Wie schon beim letzten Projekt haben wir es mit mehreren, früher oder später aufeinandertreffenden Geschichten zu tun, die sich vor allem um eine illegale, manipulierte Veranstaltung mit hohen Geldeinsätzen und gestohlene Gegenstände von beachtlichem Wert drehen. Waren es zuvor noch Pokerspiele und Drogen, sind es diesmal schlicht und einfach Boxkämpfe und Diamanten (ja, es sind tatsächlich mehrere, auch wenn im Nachhinein nur noch einer von ihnen Bedeutung hat). Nicht einmal um neue Figuren hat Ritchie sich bemüht, der einzige nennenswerte Unterschied zwischen den von Statham und Co. verkörperten Persönlichkeiten gegenüber „Bube, Dame, König, grAs“ sind die Namen. Und wenn dann noch solche bekannten Szenarien folgen, in denen sich ein Teil der Ganoven auf eine abenteuerliche Autofahrt begibt, wieder mit 'ner Machete geprotzt wird und ein anderer schräger Vogel sein edles Haupt eingeklemmt bekommt, fragt man sich unweigerlich, ob man hier buchstäblich im falschen Film gelandet ist.
Ein wirklich guter Regisseur muss sich auch trauen, neue Wege zu beschreiten (mich persönlich würde im Falle von Guy Ritchie besonders interessieren, ob er Langeweile auch mit weniger Tempo verhindern kann, obwohl diverse Szenen aus „Bube, Dame, König, grAs“ wie der Anfang da eigentlich schon alles sagen) und das hat Ritchie mit „Snatch“ noch nicht mal ansatzweise versucht. Stattdessen setzt er dem Publikum eine Aufwärmung des alten Rezepts von seinem Erstling vor, der es ebenso wenig verdient, ein „Original“ genannt zu werden. Wurde schon hier fleissig von anderen Erfolgsstreifen, speziell „Pulp Fiction“, abgekupfert („Lieber gut geklaut als schlecht erfunden“), gesellen sich folgerichtig auch bei „Snatch“ zu den dominierenden Tarantino-Anleihen jede Menge Rip-Offs anderer Vorbilder, einschliesslich der oftmals betonten „Idee“ mit der Schweinefarm, auf der die netten Viecher zur Leichenbeseitigung eingesetzt werden (dezent übernommen von „The Pig Farm“).
Was die deutsche Fassung anbelangt, könnte man sogar noch weitere Abstriche machen, bedingt durch die Synchro, in der leider ein beträchtliches Maß an Wortwitz eingebüsst wird. Das gilt speziell für Zigeuner Mickey alias Brad Pitt, dessen deutschsprachiges „Gipsy-Kauderwelsch“ nicht annähernd so lustig ist wie das waschechte irische Pikey. Allerdings wäre dies dann doch ziemlich unfair, da die Filmemacher im Allgemeinen keinen Einfluss darauf haben, wie ihr Werk nach irgendeiner Form der Überarbeitung wie Synchronisation oder gar Zensur aussieht und es deshalb gilt, sich stets an der Original-Version zu orientieren. Dank der DVD von „Snatch“ (lässt keine Wünsche mehr offen) kann dieses Manko glücklicherweise auch ausgemerzt werden.

Fazit: Eine zwar sehr unterhaltsame Gangsterkomödie, die sich jedoch bei genauerer Betrachtung als zusammengeklauter Abzug eines inoffiziellen Prequels entpuppt. Better luck next time, Guy Ritchie!

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