Review

Neulich wieder auf einer Party: Ein Gespräch zwischen mir und einem Gegenüber dreht sich um Filme und versteift sich dann auf sog. „Kultstreifen“. Bald darauf ist die Rede von „Snatch“ und ich höre, wie so oft, den Satz: „Ich kenne irgendwie keinen, dem der Film nicht gefällt…“ und ich gerate in die missliche Lage, bei einem Promille zu argumentieren, warum der Typ soeben den ersten Menschen kennen gelernt hat, bei dem dies nicht so ist. Ob er mich verstanden hat, weiß ich nicht, aber immer wenn auf einem Männerfilmabend „Snatch“ zur Auswahl bereitsteht, tu ich alles dafür, dass etwas anderes in den Player kommt.

Schlecht ist Guy Ritchies Film dabei nicht unbedingt, aber weshalb er landauf, landab abgefeiert wird wie sonst was, entzieht sich völlig meiner Kenntnis. Dreimal habe „Snatch“ jetzt gesehen (bzw. sehen müssen) und habe noch immer noch nicht verstanden, wieso alle auf ihn abfahren.
Aber der Reihe nach: Ritchie erzählt, wenn man es ganz knapp zusammenfassen will, die Geschichte eines Diamantenraubes, mehrerer abgekarteter Boxkämpfe, einem schlagstarken Zigeuner und einiger Kleinganoven. Wie das alles zusammenhängt erschließt sich erst nach und nach, oder viel mehr: Es soll sich erschließen und da taucht schon das erste große Problem auf: In den ersten zwanzig Minuten wird man mit Namen dermaßen zugeschissen, dass man von Anfang an überhaupt keinen Überblick hat, um wen es geht und um was es geht. Zwar wird das nach und nach aufgedröselt, aber bei der Anzahl von Schnitten und hektischen Kameraschwenks kriege zumindest ich das nicht mehr mit. Spätestens nach der ersten Stunde sitze ich jedes Mal da und bekomme zwar noch mit, was passiert, aber nicht unbedingt, wieso das jetzt geschieht, mit welchen Folgen für wen und auf wessen Seite die Figuren nun stehen. Kann sein, dass ich für „Snatch“ einfach zu blöd bin, aber irgendwie ging mir bisher immer der Faden verloren, bzw. habe ich nie einen gefunden.

Visuell hat Ritchie hier schon einiges geleistet, aber auch nichts, das ich nicht den ganzen Tag auf MTV sehen könnte. Rasante Schnittfolgen wechseln sich mit schneller Kameraführung ab, aber im Nachhinein bleiben nur die Desert-Eagle-Szene mit Vinnie Jones und der aus drei Perspektiven gefilmte, vorhergehende Autocrash in Erinnerung. Ansonsten nervt die Videoclipoptik beträchtlich, lenkt sie doch einen Großteil der Aufmerksamkeit, welche man eigentlich für die verworrene Story benötigt, auf sich. Modern mag das ja sein, beim Wort „innovativ“ muss ich aber widersprechen, denn erstens hat Guy Ritchie selbige Effekte bereits in seinem Regiedebüt „Bube, Dame, König, Gras“ verwendet (dem ich übrigens auch herzlich wenig abgewinnen kann) und zweitens sieht, wie bereits erwähnt, jeder MTV-Clip genauso aus.

Von der vielfach zitierten Coolness ist ebenfalls nicht viel zu spüren, obwohl sich die Darsteller alle Mühe geben, betont lässig zu wirken. Vor allem Brad Pitt spielt als nuschelnder Zigeunerboxer mal wieder herrlich schräg gegen sein eh schon fast verloren gegangenes Image als Saubermann an, was aber leider so konsequent ausgeschlachtet wird, dass seine Redeweise schon nach fünf Minuten nicht mehr lustig ist. Der Dialogwitz kann sich bei Weitem nicht mit einem Tarantino messen, dazu wirken viele One-Liner viel zu gewollt cool.

Mag manch einer in „Snatch“ ruhig die Offenbarung in Sachen Partyfilm und Coolness finden, ich kann mit dem Teil weiterhin herzlich wenig anfangen. Für mich ist das eine phasenweise äußerst verwirrende Ganovenfarce, die zwar ordentlich Tempo vorlegt, aber genau daran scheitert. Anstatt dem Zuschauer mal eine Pause zu gönnen, um das komplizierte Geschehen zu ordnen, drückt der Film so aufs Gaspedal, dass man nicht einmal ein paar gelungene Szenen genießen kann. Bei „Pulp Fiction“ ermüde ich auch beim zehnten Mal trotz der stellenweise behäbigen Inszenierung mit mancher Länge keineswegs, bei „Snatch“ komme ich dagegen ganz schnell ins Gähnen. Die meisten sehen’s anders, sodass Guy Ritchie vorschnell als neuer Tarantino gehandelt wurde, doch tatsächlich leistete er gegenüber seinem Debüt „Lock, Stock…“ stilistisch kaum Neues und nach dem Debakel „Swept Away“ war dann auch ganz schnell der Mythos von Quentin jr. aus der Welt geräumt.

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