Eine Menge verschiedener Gangster auf der Jagd nach einem großen Diamanten
Man hat es ja schon immer gewußt: Filmregisseure können, wenn sie clever sind, viel Geld mit wenig Aufwand verdienen, sozusagen fast im Schlaf. „Snatch“ von Guy Ritchie gehört als Film in genau diese für alle daran Beteiligten äußerst lukrative Schublade. Aber das Geheimnis dieses Erfolges ist nun keines mehr, denn hier wird es verraten: Wie mache ich aus einem Film zwei und verdiene das vierfache Geld? Zuerst benötigt man einen coolen Erstlingsfilm, der von der Kritik zunächst unterschätzt, dann aber zügig als neuer Kultfilm im Stile Tarantinos ( egal, auf welcher Packung dieser völlig überbewertete Name draufsteht, der Inhalt verkauft sich wie sonst noch was...) neu bewertet wird. Guy Ritchie hat so einen Film, „Lock, Stock...“ der Titel. Ein wirklich grandioser Streifen über ziemlich unfähige Gangster. Also, der Film ist da, man kann sich damit erst einmal damit sanieren, Geld für einen neuen Streifen ist auch nicht schwierig aufzutreiben, denn was mögen Produzenten mehr als einen vermeintlich sicheren Kassenerfolg, der garantiert wird, indem man schwört, keine ganz neue Story zu schreiben? Dann, wenn man die Kohle eingetrieben hat, kauft man sich zum Teil die gleichen Schauspieler wie damals ein, nimmt dann noch ein, zwei wirklich bekannte Gesichter dazu, die machen das gerne für den guten alten Kumpel Ritchie, man kennt sich, da hilft man sich auch mal. Das wiederum zieht an der Kinokasse aufgrund der Werbung noch mehr Leute an als geplant, das Spiel mit den Kritikern wiederholt sich, Geld fließt in Strömen, die Kosten waren niedrig, das Drehbuch fast das gleiche, Champagner für alle...
Unglaublich? Aber so steht es geschrieben...“Snatch“ handelt im wesentlichen von einem großen Diamanten, der in Antwerpen gestohlen und nach London geschmuggelt wird, dann dort die Begehrlichkeiten von einem Sammelsurium eigenwilliger Ganoven weckt, durch mehrere Hände gereicht wird, dabei das eine oder andere Opfer fordert und so ganz nebenbei auch noch die Geschichte des Boxpromoters Turkish, illegaler und getürkter Faustkämpfe sowie einem Boxer aus einem Zigeunerlager aufgreift und intelligent in die Handlungen rund um den riesigen Diamanten verwebt. Das ist die Kurzfassung, und diese gleicht im Grund der Story in „Lock, Stock...“ fast aufs Haar. Der Diamant hier sind die Schrotflinten dort, die Boxkämpfe hier die Kartenspiele dort und so weiter, und so fort. Diese Dreistigkeit benimmt einem beinahe den Atem, aber nur beinahe, denn den Grimm darüber, sauber über den Leisten gezogen worden zu sein, verschluckt man schnell angesichts des großen Spaßes, den man mit „Snatch“ sogleich hat.
Liebevoll wird das Kaleidoskop der Verlierer vorgeführt, die Farbgebung, der schnelle Schnitt und die teils surrealen Umgebungen lassen den Zuseher sich sofort zu Hause fühlen. Dazu trägt ebenfalls das Schauspielerrecycling bei, Jason Statham und vor allem Vinnie Jones, letzterer wieder als eine Art Geldeintreiber, sind einfach grandios. Auch diesen Film muß man sich unbedingt im Original ansehen, der Dialekt der Zigeuner, die von einem wie seit „Kalifornia“ nicht mehr so schmuddeligem Brad Pitt angeführt werden, ist zum Brüllen komisch. „Snatch“ ist keine Minute langweilig, niemals zäh, wirkt aber auch nie so aufgesetzt wie die oft zitierte angebliche Vorlage aus Amerika. Wie in Ritchies Erstling sind die Dialoge den Figuren nicht nur in den Mund gelegt worden, die Darsteller können ihre Rollen leben, jede Zeile paßt haargenau zu der jeweiligen Situation - und es wird herrlich derbe geflucht. An sich müßte man die Höchstnote geben, in jeder Sekunde ist dieser Film um einiges besser als der gesamte „Pulp Fiction“, aber der Ideenklau und die zum Teil direkte Kopie seines eigenen Erstlings soll Ritchie hier nicht ganz verziehen werden – daher „nur“ 9/10.