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Kenneth führt ein eintöniges, von seinem Job als Verfasser von Betriebsanleitungen bestimmtes Leben – er ist Einzelgänger, lebt nur für seinen Beruf (in welchem er sehr erfolgreich ist), besitzt eigentlich kein Privatleben und hat ein eher zurückhaltendes Verhältnis zur Sexualität (von verkrampften Gängen in den örtlichen Sex-Shop und dem Belauschen des ausschweifenden Liebeslebens des Nachbar mal abgesehen).

Eines Tages machen ihn Kollegen scherzhaft auf einen Internet-Versand aufmerksam, welcher möglichst reale Edel-Sexpuppen vertreibt – fortan kreisen seine Gedanken nur noch um jenes „Modell Nikki“, worunter seine Arbeit zu leiden beginnt, bis er sich schließlich per Internet eine derartige Puppe nach eigenen Wünschen (nach der Vorlage seiner neuen jungen Kollegin) zusammenstellt und für 10.000 Dollar bestellt.

Nach dem ersten „Ausprobieren“ ist er anfangs eher enttäuscht von dem Produkt, doch nach dem Sichten der beigefügten CD-Rom kümmert er sich mehr um Nikki (kleidet sie neu ein, schminkt sie, spricht mit ihr = behandelt sie wie eine echte Freundin), worauf es beruflich wieder aufwärts geht, denn er benötigt die Prämie am Ende des Monats, um sein überzogenes Kreditlimit ausgleichen zu können.

Gleichzeitig kommt er seiner jungen Kollegin Lisa (zuerst rein freundschaftlich, später auch privat) immer näher – er beginnt innerlich aufzutauen und sich anderen zu öffnen.
Gleichzeitig mit dieser Entwicklung scheint Nikki jedoch ein eifersüchtiges Eigenleben zu entwickeln – sie setzt ihn psychisch unter Druck, will die Beziehung zu Lisa unterbinden, weshalb Kenneth schließlich der Belastung nicht mehr aushält und sie (per Stichsäge) beseitigt...

Alles scheint gut zu sein – Glück in der Liebe und Erfolg im Beruf – doch dann entdeckt Lisa eine Anzeige von der Puppe „Modell Nikki“, und dass Kenneth Lisa auf Einkaufstouren nach Nikkis Vorbild eingekleidet und frisiert hat ... die Beziehung zerbricht, er verliert seinen Job und den Boden unter den Füßen:
Schließlich entführt er Lisa, will sie selbst in eine Art Puppe (plastisiert, nach Vorbild der „Körperwelten“-Ausstellung) verwandeln und wird gar zum Mörder (denn der Nachbar ist inzwischen auch auf das Treiben in der Wohnung aufmerksam geworden)...

Ähnlich wie der Film „May“ ist „Love Object“ ebenfalls ein düsteres Psychogramm eines Einzelgängers, welches sich mit schwarzem Humor und beklemmenden Sarkasmus in seinem Verlauf zunehmend bis zum blutigen und exzessiven Finale unaufhaltsam steigert.
Das Eigenleben der Puppe findet im Kopf des Besitzers statt (keine wandelnde Puppe erwarten!), zwingt ihn aber wegen der Aufdringlichkeit zu folgenschweren Schritten im wahren Leben.

Fans des einfach gestickten Horrorfilms werden hier nicht auf ihre Kosten kommen, dazu ist der Film nicht blutig, temporeich oder Furcht einflößend genug. Freunde des psychologischen Dramas liegen hier jedoch goldrichtig – natürlich mit einem bizarren Twist.

Da der Film keine Special Effects aufbietet und nur in minimalen Kulissen spielt, verlässt sich „Love Object“ (zurecht) auf seine düster-bedrückende Atmosphäre (unterkühlte Locations, matte Farben) und großartigen Darsteller:
Desmond Harrington („Wrong Turn“) überzeugt als tragische Figur auf ganzer Linie – ein Jungschauspieler, der hier zum ersten Mal seine Schauspielerische Bandbreite präsentieren kann. Ihm gegenüber agiert die wunderschöne und ebenfalls talentierte Melissa Sagemiller („Soul Survivors“) als zarte und engelsgleiche Gestalt mit keinen Schönheitsfehlern (im Auge von Kenneth – wie z.B. Zungenpiercing oder Brusttattoo).
Die Nebendarsteller überzeugen ebenfalls: Rip Torn als Chef und vor allem Udo Kier als Nachbar sind einfach großartig, wobei Kier die besten (Neben-) Szenen in seinem typischen (Auftritts-) Stil besitzt.

Man könnte argumentieren, der Film würde Käufer von Sexpuppen als verklemmte, seltsame Einzelgänger darstellen (... sind sie das denn nicht? ...), die psychische Probleme und ein nicht unerhebliches Gewaltpotential in sich tragen, doch das wäre eine zu simple Vereinfachung, die man dem Film nicht anlasten sollte.

Fazit: Ein kleiner, unscheinbarer Geheimtipp – mehr Psychodrama als Horror – sicher nicht für Jedermann, aber auf jeden Fall einen Blick wert = 7 von 10.

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