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Dr. Caligari bittet bei der Stadtverwaltung auf dem hiesigen Jahrmarkt um Erlaubnis seinen Somnambulen der Öffentlichkeit zu zeigen. Der Stadtsekretär ist äußerst missmutig und eher respektlos und verweist ihn zudem an einen Kollegen. Dies war dann auch seine letzte Amtshandlung, denn am nächsten Morgen ist er tot. Dies ist aber nur der Beginn einer Mordserie, die das kleine Städtchen Holstenwall erschüttert und irgendwie scheint Caligari mit seinem Schlafwandler im Gepäck, etwas damit zu tun zu haben. Allerdings verfügt dieser über ein handfestes Alibi.

Robert Wiene erschuf 1919 wahrscheinlich den ersten „Mindfuck“ der Filmgeschichte und setzte sich auch mit allen weiteren Zutaten ein Denkmal. Wenn man Listen über die 10 besten Filme aus Deutschland betrachtet, wird „Caligari“ mit Sicherheit wiederkehrend zu finden sein. Dies natürlich mit Recht. Allein die seltsamen Aufbauten im Film, die eine unglaublich surreale Atmosphäre erschaffen, sind einfach aus der Historie nicht mehr wegzudenken. Selbst Leute, die den Film nie gesehen haben, können ihn anhand von Szenenbildern zuordnen, da sie einfach eine unverwechselbare Ästhetik aufweisen. Dazu eine spannende und gleichermaßen erschreckende Handlung, welche natürlich klar im Horrorthriller verortet ist. Der Augenaufschlag von Conrad Veidt ist aber auch einfach nur fantastisch gruselig und diese ikonische Szene natürlich schon lange von der Popkultur vereinnahmt. Der Film hatte schon zu seiner Erscheinungszeit Weltruhm erlangt und verhalf dem deutschen Film zu einer riesigen Reputation, die erst 1933 aus bekannten Gründen wieder verblasste. Die zeitgenössische Kritik überschlug sich ebenfalls und erkannte das man hier etwas Neuartiges und Sensationelles gesehen hatte, was letztendlich auch endgültig den Durchbruch für den Expressionismus zu Folge hatte. Selbst die damalige Werbung für den Film war innovativ, da überall Plakate mit der Aufschrift „Du musst Caligari werden!“ hingen, aber niemand wusste, was das zu bedeuten hat, da auch zu Beginn noch kein Verweis auf einen Kinofilm existierte. Die Leute wurden dadurch richtig neugierig, was es mit dem wiederkehrenden Satz auf sich hatte. Natürlich hatte der Film auf die Folgejahre des Kinos einen bombastischen Einfluss, aber auch heute noch hat der Film einen riesigen Nachhall, den man spätestens natürlich bei Tim Burton und Terry Gilliam wiederfinden kann, aber auch davor kann man wahrscheinlich behaupten, dass Orson Welles beispielsweise den Film gesehen haben wird, oder auch Martin Scorsese und viele weitere, die unter dem hypnotischen Einfluss des Dr. Caligari standen.

Anmerken muss man natürlich das grandiose Spiel von Werner Krauß, der den Dr. Caligari genial verkörpert und natürlich eben auch Conrad Veidt, der mit der Gestaltung des Cesare seinen Durchbruch feiern konnte und in der Folge nicht mehr aus dem Filmgeschäft wegzudenken war. Musikalisch wurde das Werk gleich mehrfach vertont, weshalb es eine Vielzahl von Soundtracks gibt. Die beiden die den Platz auf der 4K UHD erhalten haben, sind mir persönlich manchmal wieder etwas zu gewollt atonal und zünden nicht immer richtig, was aber eher auch an einem anderen Soundtrack liegt. Die britische Band „In the Nursery“ schuf nämlich ebenfalls einen Score, der für mich als Fan der Band natürlich prädestiniert war. Puristen wird diese elektronische Variante wahrscheinlich weniger gefallen, da es im Entstehungsjahr nun mal keine solchen Instrumenten gab, aber mich zog die Musik noch einmal mehr in den Film hinein. Die Anleitung dazu, wie man sie am besten startet, findet man auf der Bandcamp-Seite der Band. Inzwischen hat Ex-Kraftwerker Carl Bartos noch eine weitere Musik dazu geschrieben, die er aktuell live bei einigen Vorführungen spielt. Diese kenne ich allerdings noch nicht. Selbstverständlich sehe ich den Film als „Must have“ an und kann ihn nur jedem ans Herz legen, der sich für Filmgeschichte interessiert, oder einfach mal einen etwas anderen Film sehen möchte. „Das Cabinet des Dr. Caligari“ ist halt einfach ein Meisterwerk, welches die Filmwelt veränderte und auch heute noch seinen Einfluss geltend macht.



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