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„Was sind das denn wieder für Schweinereien?“

Der nach Mario Imperoli zweite Regisseur, der das Glück hatte, mit der bezaubernden italienischen Erotik-Darstellerin Gloria Guida („Oben ohne, unten Jeans“) drehen zu dürfen, war sein Landsmann Silvio Amadio („Amuck!“). Nach „Kesse Teens - Die erste Liebe“ wurde der 1974 veröffentlichte Erotikfilm „Leidenschaften einer Minderjährigen“ Guidas (zum Drehzeitpunkt selbstverständlich volljährig) zweites Spielfilm-Engagement.

„Zieh dich aus!“

Klosterschülerin Valeria Sanna (Gloria Guida) verbringt ihre Freizeit zwangsläufig gern mit erotischen bis gewalttätigen Tagträumereien und fühlt sich – in Ermangelung von Alternativen? – zu Schwester Angela (Nicoletta Amadio, „Liebe ohne Stundenplan“) hingezogen. Nach Ihrem Abschluss kehrt sie zu ihrer Familie zurück. Ihr Vater Massimo (Marco Guglielmi, „Warum musste Staatsanwalt Traini sterben?“) betreibt ein Architekturbüro und ist nur selten daheim, ihre Mutter Franca (Rosemary Dexter, „Marquis de Sade: Justine“) unterhält eine Affäre mit dem Steuerberater Carlo (Giacomo Rossi Stuart, „The Last Man on Earth“). Ihr Bruder Lorenzo (Luciano Roffi, „Convoy Busters“) hat ständig Geldsorgen und verdient sich ein Zubrot, indem er seiner Clique Geld dafür abknöpft, ihn beim Sex mit Hausmädchen Carlotta (Gabriella Lepori, „Die Viper“) zu beobachten – schreckt aber auch vor kleinkriminellen Machenschaften nicht zurück. Als Valeria den Künstler Spartacus (Corrado Pani, „Willkommen in der Hölle“) kennenlernt, findet sie Gefallen an ihm…

„Ich hoffe und wünsche dir, dass dein zukünftiges Leben von der Reinheit der Gefühle und der Tiefe des christlichen Glaubens geprägt sein wird, die du hier empfangen hast.“

Valeria läuft allein in kurzem Rock und Blümchenbluse eine leere Straße hinunter, die voyeuristische Kamera zoomt dabei auf ihr Gesäß. Sie wird von Motorradfahrern belästigt und schließlich vergewaltigt, stumm beobachtet von einem Mann. Nach dieser minutenlangen Einstiegsszene ohne Dialoge erwacht Valeria im Wohnheim und sucht den Arzt auf, der während der Untersuchung genüsslich eine Zigarette raucht und sich schließlich über Valeria hermachen will – doch ihre Mitschülerinnen platzen hinein, gehen dazwischen, üben Rache und scheinen den perversen Arzt sogar zu entmannen. Und wieder ist da dieser Mann… Schnitt, Ausflug in den Wald, Regisseur Amadio dokumentiert die zarten Gefühle zwischen Angela und Valeria, die von einer Oberschwester harsch verurteilt werden. Es folgt eine Sado-Maso-Szene inkl. Auspeitschung und einem aufgehängten Dekan, an dessen Ende erneut der geheimnisvolle Mann steht.

„Ich bin wahnsinnig, schon seit meiner Geburt!“

Eine berechtigte Frage ist an dieser Stelle, wo man angesichts dieser Bilder eigentlich gelandet ist. Des Rätsels Lösung: In Valerias Träumen und Phantasien! Auf sleazige, kontroverse Weise werden der so unschuldig wirkenden Blondine Vergewaltigungs-, Kastrations-, Sado-Maso- und Tötungsphantasien angedichtet und entsprechend visualisiert. Nachdem sie nach ihrem Abschluss feierlich nach Hause entlassen wurde, überrascht ihr Bruder sie unter der Dusche und äußert sich erstaunt über ihren körperlichen Entwicklungsstand. Mit den zumindest teilweise komödiantisch überzeichneten Charakteren mutiert „Leidenschaften einer Minderjährigen“ nun zusehends zu einer schlüpfrigen Teenie-Klamotte, wenn auch in erträglicherem Ausmaß als vergleichbare italienische Produktionen.

„Kommst du dir dabei nicht ein bisschen lächerlich vor?“

So treibt’s also Lorenzo in Form eines Rollenspiels mit Carlotta, während seine Freunde zusehen, räkelt sich Valeria oben ohne auf einem Strandfelsen und lässt sich fotografieren und betrügt ihre junge, hübsche Mutter ihren Ehemann, in dessen Unternehmen es kriselt. Und da sich auch Lorenzo in einer permanenten Finanzkrise befindet, zieht sich Valeria vor seiner Clique aus, um Geld für ihn aufzutreiben. Carlo hingegen zeigt sich neben Valerias Mutter nun auch von Valeria angetan und möchte ihr „helfen, eine Frau zu werden“ – indem er ihr zunächst einen Porno vorführt und anschließend in eine seiner Nazi-Uniformen schlüpft. Herrlich sind die scharfzüngigen Dialoge dieser Szene, denn Valeria macht sich in erster Linie über Carlo lustig. Auch Gianluca (Fabrizio Moroni, „Vier Fliegen auf grauem Samt“) würde Valeria gern entjungfern und fast sieht es so aus, als würde es ihm gelingen, doch das Subjekt seiner Begierde sieht sich vielmehr zum irren Künstler Spartacus hingezogen.

„Leidenschaften einer Minderjährigen“ hätte evtl. das Psychogram einer jungen Frau mit erwachter Sexualität werden können, die unter einer lustfeindlichen religiösen Erziehung leidet und vor diesem Hintergrund radikale Phantasien entwickelt, wirft diese Ausrichtung jedoch schnell über den Haufen und tendiert in die beschrieben komödiantische Richtung. Auch wenn nicht immer ganz eindeutig zu erkennen ist, wer es aus welchen Gründen nun gerade mit wem treibt, bleibt aber immerhin ein die an katholischen Klosterschulen propagierte Keuschheit kontrastierender Film, der offenbar auch eindrucksvoll aufzeigen will, wie wenig Einfluss die religiöse Indoktrination auf Valeria hatte, die auch unter dem Einfluss ihrer sexuell aufgeschlossenen Familie und ihres Umfelds ihre eigenen Erfahrungen sammelt und sich dabei alles andere als lustfeindlich oder prüde zeigt, für ihr erstes Mal aber ihre ganz eigene Entscheidung trifft. Das ist einerseits erotisch-unterhaltsam und dank der vielen wirklich schönen, ästhetischen Bilder sowohl Guidas als auch der Orte, die sie mit ihrer Anwesenheit beehrt, auch nicht unbedingt billig oder allzu schmierig, andererseits aber wohl auch tatsächlich ein religiöse Moralvorstellungen aushöhlendes, für die sexuelle Selbstbestimmung der Frau eintretendes Statement – wohlweislich aus männlicher Sicht.

Dennoch lässt es sich Silvio Amadio nicht nehmen, nach dem abschließenden Geschlechtsakt unter freiem Himmel noch eine regelrechte Kitsch-Offensive anzuhängen. Witzig ist wiederum, dass man sich erst hinterher seine Namen verrät… Alles in allem ist „Leidenschaften einer Minderjährigen“ eine nicht unangenehme Guida-Schau, die eigentlich dramatische Familienverhältnisse jedoch gern ins Lächerliche zieht und sich nach seinen starken ersten 20 Minuten reichlich unentschlossen zeigt, welche Aspekte er neben der Erotik-Komponente denn nun betonen möchte. Dadurch gibt es aber auch irgendwie von allem etwas, zudem gallonenweise J&B in zahlreichen Szenen und so schwelge ich in 5,5 von 10 glücklicherweise unerfüllten Brutalosexphantasien.

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