Review

Familienidylle steht zu Beginn im Vordergrund. Das Ehepaar Baxter ist im trauten Heim und die Kinder spielen draußen. Der Sohnemann fährt Fahrrad und die Tochter ist mit einem Ball am See beschäftigt. Kurze Zeit später zieht der Vater die Leiche seiner Tochter aus dem nahegelegenen Gewässer.
Szenenwechsel:
Man befindet sich nun in Venedig. John Baxter hat den Auftrag eine Kirche zu restaurieren. Seine Frau Laura begleitet ihn und der Sohnemann ist in England in einem Internat untergebracht. Man versucht über den Tod der Kleinen hinweg zu kommen. Zwei ältere Damen kommen durch einen Zufall ins Gespräch mit Laura. Eine der Damen ist blind aber dennoch kann sie "sehen". Sie erzählt ihr von ihrer Tochter ohne sie zu kennen und teilt der trauernden Mutter mit, das es ihr gut gehen würde und das sie bei Ihnen wäre. Bei der nächsten Begegnung mit den beiden hat sie eine ganz andere Nachricht von der verstorbenen Tochter: Sie sollen Venedig auf dem schnellsten Weg verlassen. Zur gleichen Zeit treibt ein Mörder in der Stadt sein Unwesen.

Nicolas Roeg erschuf im Jahre 1973 ein fieses Drecksstück von einem Film. Als Kind war ich auf jeden Horrorfilm fixiert den ich in die Finger bekommen konnte. "Wenn die Gondeln trauer tragen" war in der Fernsehzeitschrift als solcher deklariert, weshalb ich mich auf gepflegten Grusel einstellte. Das war ein Fehler. Ich gruselte mich nicht, ich hatte panische Angst. Warum konnte ich mir allerdings selbst nicht erklären. Es passierte nicht viel, es gab keine Schockmomente und alle normalen Konventionen im Umgang mit Spannung blieben aus. Es kam schleichend, hinterhältig, packte mich und ließ mich nicht mehr los.

Viele Jahre später begriff ich erst das es die einzigartige Atmosphäre war die mich unwissend in den Abgrund zog. Venedig ist nicht die Stadt der Verliebten, die mit "O sole mio" singenden Gondelfahrern wirbt, sondern ein Moloch. Ein düsterer Morast aus kleinen engen Gassen. Die Stadt der Schatten. Die grau-braunen Farbtöne werden nur von einem knalligen Rot unterbrochen. Der Farbe die der Regenmantel der kleinen Christina an ihrem Todestag hatte. Die gesamte Spieldauer hat der Film etwas bedrohliches, aber nichts greifbares. Genau davor hat man Angst. Alle Nebencharaktere wirken nicht unfreundlich aber irgendwie unheimlich. Allerdings ohne das man es erklären könnte. Wie bei einer Verschwörung, aber es gibt keinerlei Indizien oder Beweise dafür. Man hat einfach nur ein ungutes Gefühl. Hinzu kommen die Visionen von John Baxter, der kleine Mädchen mit roten Regencapes wegrennen sieht. Oder sind diese Bilder keine Visionen und passieren real?
Immer wieder baut Roeg Bilder aus der Vergangenheit ein und legt sie über die Bilder der Gegenwart. Den Meisterschnitt legt er aber bei der Sexszene hin. Vorspiel, Sex und nachträgliches Anziehen in einem. Die Bilder wechseln immer wieder und entziehen dem Zuschauer dadurch die Möglichkeit, sich als reiner Voyeur zu betätigen. Aber warum? Bietet die Szene mehr als Sex? Ein Hinweis das sich die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft mischt? Ein Tipp des Regisseurs wie man sich "Don`t look now" ansehen sollte? Aber es verläuft doch alles linear. Oder vielleicht doch nicht?


Für mich ist der Film ein kleines paranoides Meisterwerk das mir viel Kopfzerbrechen bereitete. Er drang in mein Unterbewußtsein und hat sich dort verankert. Er verarbeitet das Thema Angst und bereitet auch welche. Ich habe allerdings auch vollstes Verständnis für jeden der darin nur einen langweiligen Thriller sieht, in dem überhaupt nichts passiert. Das ist einfach eine Sache der Wahrnehmung. Ich habe einiges wahrgenommen.



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