Prinzessinnen von heute retten sich selbst!
„Damsel“ kann man durchaus zu Netflix' Großprojekten des Jahres zählen - ein feminin-kraftvolles, etwas artifizielles Fantasy-Abenteuer über eine junge, pfiffige Prinzessin, die mehr oder weniger zwangsverheiratet wird - und sich noch in der Hochzeitsnacht alleine, verletzt und dem Tode geweiht in einer Drachenhöhle wiederfindet…
Dungeons & Schwiegermutter-Dragons
Es ist erstaunlich, wie lange „Damsel“ braucht, um seine nicht sehr versiert angebrachte Maske fallen zu lassen und zum Punkt zu kommen. Weit über dreißig Minuten ziehen in's Königreich, bis die Damsel dann auch wirklich mal in „Distress“ ist. Ich habe den Trailer nicht gestehen, könnte mir aber vorstellen, dass dieser den „Twist“, oder nennen wir es besser Aufhänger, zusätzlich verrät bzw. sogar verraten muss. All das kann „Damsel“ etwas zäh und altbacken wirken lassen. Gerade im Kontrast zu seinem etwas gehetzten und dutzende dumme (oder zumindest unglaubwürdige) Entscheidungen treffenden letzten Drittel. Doch Millie Bobby Brown hält das Boot irgendwie über Wasser - bis ihre Figur dann wie gesagt endlich am Scheidepunkt angekommen ist und sie es mit einer feurigen Riesenechse samt Heimspielvorteil zu tun bekommt. Dazu kommen dann ein paar nette Bilder und Einfälle (Feuervögel, Lumineszenzgrotte, Diamantenaufstieg), für die heutige Zeit solide Effekte und ein wirklich wütender, wunderbar fies gesprochener Mutterdrache. Fertig ist ein stark X-Chromosom-geprägtes Mädchenmärchen im modernen Gewand, ohne dauernd mit einem Augenzwinkern und der Metaebene zu kokettieren. Was immerhin auch erfrischend sein kann im heutigen, sich selten ernst nehmenden Hollywood. Von einem Blockbuster ist „Damsel“ dennoch weit entfernt. Es bleibt Netflix-Big Budget-Beinahe-Trash.
Fazit: klassisches Fantasy-Riff mit kleinem Kniff und femininem Swing. „Damsel“ ist keine schlechte Netflix-Produktion. Allerdings ist die Hürde dort auch kleiner etwa als im Kino. Und es wäre sicher mehr drin gewesen. Dennoch helfen eine selbstbewusste MBB, genug düstere Momente und solide Effekte für ein schnell vergessenes, aber nie schmerzhaftes Schwert-und-Drachen-Abenteuer.