Religion birgt in meinen Augen deshalb die beste Grundlage für Horrorfilme, da sie sich seit Jahrhunderten sowohl der menschlichen Urängste als auch der menschlichen Selbstüberschätzung auf eine Weise annimmt, die jegliche andere menschengemachte Angelegenheit deutlich in den Hintergrund treten lässt. Besonders das Christentum hat auf diese Weise als Inspiration und Grundlage für so mannigfaltige Klassiker gedient, wovon der Hexenjäger- oder der Dämonenhorrorfilm nur zwei Spielarten sind.
Zunächst gelang Roman Polanski 1968 mit "Rosemarys Baby", danach schliesslich William Friedkin mit "Der Exorzist" 1973 die bis heute nachhaltigsten Kerben ins Hartholz der Filmgeschichte zu schlagen, die nach wie vor unzählige Filmemacher und Autoren zu gruseligen und verunsichernden Storys inspirieren.
Nun also - als zur rechten Zeit platziertes vermeintliches Star-Vehikel - kommt "Immaculate" daher, schleicht sich klammheimlich in die internationalen Kinos und reüssiert mit gutem Erfolg an den Kinokassen, so dass man sich fragen muss, hat Okkult-Horror wieder Konjunktur?
Ich sage ja, habe ich doch seit der ersten Betrachtung von "Der Exorzist" eine Schwäche für die guten, weniger guten aber auch gelegentlich gar nicht guten filmischen Werke aus dieser Ecke. Zeigte uns als Kinogänger oder muss man eher sagen Filmschauer (Streaming als erster Veröffentlichungsweg inbegriffen) kürzlich erst "The Pope`s Exorcist" ein mit einem Weltstar in der Hauptrolle besetzter Teufelsspuk-Horrorfilm, dass das Genre in der öffentlichen Wahrnehmung durchaus noch präsent ist, so kann jetzt auch die US-amerikanisch/italienische Co-Produktion "Immaculate" den geneigten Seher das Fürchten lehren.
Neben der ausnahmsweise für dieses Genre einmal weniger vorhersehbaren Handlung sind es vor allem die hammerharte Konsequenz seiner handelnden Hauptfigur und die sich wirklich angenehm durchziehende Grusel-Atmosphäre, die begeistern können. Lobenswert auch, dass Star Sydney Sweeney bereits als 17jährige mit dem Projekt in Verbindung gebracht, die Realisierung schliesslich selbst als Produzentin vorangetrieben hatte, um das Endergebnis zu einer Zeit zu veröffentlichen, in der sie bereits bei den Zuschauern einen nicht unbeachtlichen Stein im Brett hat. Dies mag oder mag nicht der Grund für das recht gute weltweite Einspielergebnis gewesen sein.
Der Schauplatz in einem abgelegenen italienischen Kloster, die düsteren Bilder im Wechsel mit den anfänglich effektvoll eingefangenen idyllischen Sonnenbildern der Region ist perfekt gewählt und die Darsteller sind überwiegend unbekannt genug, dass man weiss, Inszenierung und Kamera müssen hier den Hauptteil des Interesses ausmachen, um den Zuschauer bei der Stange zu halten.
Liest sich die Zusammenfassung der Handlung zunächst als deutliches Plagiat des eingangs erwähnten Polanski-Schockers mit einer Prise Nonnen-Exploitation, zeigt "Immaculate" ab circa der Hälfte der Laufzeit, dass man nicht gewillt ist, die niedrigen Erwartungen zu erfüllen. Die Effekte sind blutig und schmutzig, die Ausweglosigkeit der Protagonistin stets präsent (und erinnerte mich in dieser Weise an das Ausgeliefertsein der selben in Ari Asters "Midsommar") und das Ende in all seiner Drastik erfreulich erfrischend und konsequent darauf aus, dass hier keine Fortsetzung kommen muss/kann.
Für mich seit langer Zeit einmal wieder ein erfreulicher Beitrag zum Okkult-Horror-Genre, das an keiner Stelle die langweilige Routine von "The Pope's Exorcist" wiederholt, als einziges Zugeständnis an den Horror-Zuschauer ein paar hippe Jumpscares einbaut und die Figuren-Charakterisierung leider nur auf das nötigste beschränkt aber trotzdem für eine gleichbleibend hohe Qualität innerhalb seines Genres sorgt, die ich lange nicht gesehen und auch an dieser Stelle wirklich nicht erwartet habe. Die relativ kurze knackige Laufzeit tut ihr übriges.
Damit ist "Immaculate" für mich das bisherige Horror-Highlight 2024 und wischt mit dem in beinahe allen Belangen misslungenen "Das Erste Omen" den Boden auf.
"Das Omen", "Rosemarys Baby" und "Der Exorzist" nebst "Der Exorzist III" bekommen endlich Gesellschaft in meinem Olymp der effektiven Grusler mit religiösem Thema.