“Eine Kuh soll man melken und nicht schlachten.“
Fantômas contre Scotland Yard im Originaltitel, entsprechend die Verlegung des Schauplatzes nun auf die britische Insel, ein feucht-graues Klima, was den vorhergehenden Eskapaden keine zusätzliche visuelle Eskalation verleiht, sondern die Geschichte trübt und die Atmosphäre dämmt. Aus den prosperierenden Metropolen hinaus auf dem Lande, hinein in den Nebel, abgeschieden, abgeschirmt, abgeschlossen hiermit auch die Filmreihe, die zwar immer noch 3.5 Millionen Kinokarten allein in Frankreich lösen konnte (auf Platz 5 hinter bspw. zwei Solowerken von de Funès, Balduin, der Ferienschreck und Oscar mit fast doppelt soviel Einspiel), dies aber mit diversen Streitigkeiten im Prozess:
Als der schottische Lord Edward Mac Rashley [ Jean-Roger Caussimon ] von Fantomas [ Jean Marais ] um eine Art 'Steuer auf Lebensrecht' in Form von Schutzgeld erpresst wird, informiert er den Journalisten Jérôme Fandor [ Jean Marais ] und Kommisar Paul Juve [ Louis de Funès ], die zusammen mit den Mitstreitern im Kampf gegen den Verbrecherkönig, der Fotografin Hélène Gurn [ Mylène Demongeot ] und Inspektor Michel Bertrand [ Jacques Dynam ] auch zum Anwesen des Schwerreichen, einem Landschloss draußen in der Abgeschiedenheit als inoffizielle Bewachereinheit anreisen. Unwissend, dass Fantomas selber längst vor Ort ist und unbekannterweise unter ihnen weilt.
“Geister und Gespenster kann man nicht fotografieren.“
Wie ein englischer ratelastiger Trivialkrimi ist der Beginn, ein ehrwürdig isoliertes Schloss mit riesigem Grundstück, eine hohe Lebensversicherung, eine Ehegattin, die mit dem jüngeren Angestellten eine heimliche Liebe hat, ein schweigsamer Gast, eine Waffenübung, die Vorstellung des Königs der Verbrecher, der im Köfferchen zur praktischen Rekapitulation früherer Ereignisse ein Videospielgerät mit Aufnahmen seiner Glanztaten wie als Visitenkarte mit sich führt. Für das Publikum selber braucht es keine Vorstellung mehr, der Name 'Fantomas' längst und anhaltend ein Begriff und längst auch das Vorbild für (gerne erwachsener gehandhabte und gehandelte) Epigonen und Nachzügler.
Auch hier geht es weg vom bunten Abenteuer-/Aktion- und Rififispektakel der beiden Vorgänger, mitten in das Gruselmärchen und den 'Weg der drei Gehenkten', liegt die Todesdrohung ständig wie das Schwert vom Damokles über den Beteiligten, und kommen Warnungen und Anschläge seitens von unsichtbaren Saboteuren. Eine Séance bei Blitz und Donner und das Schlossgespenst im weißen Bettlaken verschreckt (oder verzückt) die letzten kleinen Zuschauer, zuvor wurde schon eine Leiche aus einem Hubschrauber abgeworfen und in effektiver Art und Weise für das verängstigte Publikum 'aufgedeckt'. Regisseur und Autoren sind hier in Höchstform, es gibt keine Ablenkung durch Technikkrimskrams und Verfolgungsjagden, keine (wenn auch noch so kleine) Anbindungen und Abbildungen an zeitgenössisch relevanter Aktualität (die Terroranschläge in Teil 1, die Wissenschaftsfeindlichkeit in Teil 2), vielmehr wird im verengten und verregneten Kreise ein Katz-und-Mausspiel mit widersprüchlichen Aussagen, mit Anklängen an den Spiritualismus, mit mal vorhandenen und dann wieder verschwundenen Gehenkten von der Decke, mit Hunden verkleidet als Meister Reinecke und 'sprechenden' Pferden – (was die Maskentiraden von Fantomas und das andauernde Verwirrspiel um echt und unecht und wahr und falsch auf die Spitze treibt und überhöht) – und letzten Mahnungen vor der Vollstreckung abgeliefert; ein fokussiertes Boulevardtheater, perfektes Kintopp für die Matinee, ähnlich dem späteren Eine Leiche zum Dessert (1976), ein schieres Vergnügen zum Nachmittagstee.
“Umgebracht haben wir genug, man muss Maß halten können. Versuchen wir es mit einer Geisel anstatt mit einem Toten.“
Dass die Fotografie und die Ausstattung wieder edel und vom feinsten ist, versteht sich dabei wie von selbst, eine Räuberpistole im hohen Aufwand und dennoch mit Sinn für Details und Geschmack. Eine Symbiose aus Sein und Schein, im Inhalt sowieso, aber auch in der Gestaltung, aus wenigen tatsächlichen Aufnahmen vor Ort in Schottland, aus dem vortäuschenden Dreh im Wald von Fontainebleau und im Schloss Roquetaillade, Mazères, Département Gironde sowie blendend installierten Studiointerieurs. Einen Abstecher (über die glorreich kulminierende Fuchsjagd) in den Kostüm- und den Abenteuerfilm sowie in den Gangsterfilm und dem Pulp macht man mit dem ebenfalls involvierten Interessenverband von mafiös verstrickten Gaunergrößen, die sich den König der Verbrecher ebenfalls schnappen wollen und ihre eigenen Toten zählen.