Schauspieler Dev Patel inszenierte sein Regiedebüt „Monkey Man“ ohne große Starpower, hatte aber Glück, dass er einen Fürsprecher in Regisseur und Produzent Jordan Peele fand. Der überzeugte sein Stamm-Studio Universal Netflix die Rechte an dem Film abzukaufen und ihn ins Kino zu bringen.
Inspiration für den Titel ist die Sage des Affengottes Hanuman, der nicht nur ein mächtiger Krieger war, sondern von den Göttern dafür bestraft wurde, dass er die Sonne aß, weil er sie für eine besonderes saftige Mango hielt. Jene Geschichte erzählt eine Mutter ihrem Sohn und man muss nur zwei und zwei zusammenzählen können, um sich zu denken, dass der Junge von einst nun jener Mann ist, den der Abspann nur Kid (Dev Patel) nennt. Kid ist auch im Erwachsenenalter der Legende von Hanuman treu geblieben, nur weniger glorreich: In einem zwielichtigen Untergrundclub nimmt er im Auftrag des Betreibers Tiger (Sharlto Copley) an Kämpfen teil, bei denen er mit Affenmaske auftritt. Er ist jedoch nicht der Held, sondern wird im Wrestling-Stil als Biest, als Schurke inszeniert, weshalb das Publikum besonders jubelt, wenn er auf die Moppe kriegt. Und wie beim Wrestling sorgt Tiger dafür, dass der Ausgang der Kämpfe feststeht, nur dass er dies vor seiner zahlenden und wettenden Kundschaft verbirgt.
Als sich Kid mit einem geschickten Plan einen Zweitjob als Tellerwäscher im Club der Unterweltkönigin Queenie (Ashwini Kalsekar) – Nomen est Omen – sichert, mag man erst noch an Geldnot denken. Doch bald wird klar, dass der junge Mann die Gangsterorganisation immer mehr infiltriert: Er freundet sich mit dem Kurier und Drogendealer Alphonso (Pitobash) an und beobachtet das Geschehen in dem Gebäude. Die Bilderbuch-Gangsterorganisation scheint das Strafgesetzbuch aufgeschlagen und „einmal komplett mit alles“ bestellt zu haben, denn natürlich ist sie für quasi jede Form von Verbrechen verantwortlich: Drogen werden geliefert und im Haus serviert, mehr oder minder freiwillige Prostituierte an gehobene Gäste und Würdenträger vermittelt, während der korrupte Polizeichef Rana (Sinkandar Kher) in der Führungsriege der Gangster mitmischt.
Kid, der sich unter dem Tarnnamen Bobby eingeschleust hat, macht sich mit allen Gepflogenheiten in dem hermetisch abgeriegelten Gebäude vertraut, bekommt immer verantwortungsvollere Aufgaben und immer mehr Zutritt. Denn er hat mit den Gangstern noch eine Rechnung offen…
Welche Rechnung, das ist anfangs noch nicht ganz klar, verdichtet sich aber doch recht schnell zur Gewissheit. Dummerweise hält sich „Monkey Man“ für mysteriöser als er ist, wenn man das Motiv des Helden häppchenweise in Rückblenden über den Film verteilt bekommt, obwohl man schon nach der ersten dieser Art ziemlich genau weiß, wie der Hase läuft. In anderen Fällen hätte Patels Regiedebüt dagegen ein paar Erklärungen mehr vertragen können, denn die Bezüge zum Kastensystem, zu Religion in Indien und dem Hintergrund der Hijra, einer indischen Transgender-Gemeinschaft, sind äußerst sparsam und für den westlichen Zuschauer teilweise schwer zu verstehen. So bemerkt man dann in erster Linie eine sehr deutliche, aber auch sehr universelle Kritik am Hindunationalismus der Marke Narendra Modi. Dass Unterdrückung, Gewaltherrschaft und Korruption eine Schande sind, versteht man dann doch weltweit.
So überträgt dann auch „Monkey Man“ in erster Linie die Topoi des Action- und Rachegenres in ein anderes Umfeld. Auch hier ist das Gangstersyndikat nicht nur für Verbrechen aller Art zuständig, sondern natürlich mit korrupten Cops, scheinheiligen, machtgierigen Religionsführern und populistischen Politikern im Bunde. Es verfügt über ein streng gesichertes Hauptquartier, das gleichsam als Restaurant, Nachtclub und Puff für die zwielichtigen Gäste dient. Auf der anderen Seite sind die Armen und Mittellosen, die bestenfalls als Laufbursche dienen oder Böden schrubben dürfen, die vertrieben, getötet und/oder geknechtet werden. Kid, der wahlweise auch unter dem Namen Bobby (undercover im Club) oder Monkey Man (bei den Untergrundfights) auftritt, ist quasi der Fürsprecher und Stellvertreter, auch wenn es letzten Endes in erster Linie doch um die gute alte persönliche Rache geht.
Die verläuft dann auch in relativ erwartbaren Bahnen. Erst ist da das Einschleichen, die Vorbereitung, dann der erste Racheversuch, der natürlich nicht gelingt, weil der Film sonst viel zu schnell vorbei wäre. Auf den Rückschlag folgen die Regeneration und der neue Anlauf, während diverse Archetypen auftreten: Der windige Fightveranstalter, der brutale Polizeichef, der verschlagene Guru usw. Ansatzweise spannend bleibt die Frage, ob Alphonso ein loyaler Scherge der Gangster oder doch nur ein Hustler aus Not ist, der mitmacht, um durchzukommen. Aufgrund der Club-Kulisse sind im Hintergrund Pophits wie „Rivers of Babylon“ von Boney M zu hören, die teilweise kommentierenden Charakter besitzen. Wenn Kid etwa in die Etage kommt, wo sich die Amüsierdamen den zahlenden Gästen anbieten, läuft passenderweise eine Coverversion von „Roxanne“ von The Police (einer der bekanntesten Songs über Prostitution); beim Showdown-Fight im Club wechselt der Sound von Pop zu Metal. Optisch kreuzen Patel und sein Kameramann Sharone Meir dann eine Neo-Noir-Bildsprache mit poppig-bunten Bollywood-Einflüssen, die aber stets dezent bleiben.
„Do you like John Wick?“, wird Kid von einem Waffenhändler gefragt, als er nach einer Pistole für seinen Racheplan sorgt. Damit spricht „Monkey Man“ eines seiner Vorbilder klar aus, doch es gibt weitere Referenzen. Wenn Kid sich mit einem Hünen im Ring duelliert, hat man schnell den Fight zwischen Bruce Lee und Kareem Abdul-Jabar aus „Game of Death“ vor Augen, wenn Kid als Monkey Man seine Affentechnik anwendet, diverse Eastern mit dem Stil. Bei der Action gehen Form und Inhalt eine interessante Symbiose ein. Zwar wendet „Monkey Man“ durchgängig eine Handkameraführung an und bleibt eher nahe bei der Hauptfigur, doch in der ersten Hälfte sind die Fights und Verfolgungsjagden eher im Bourne-Stil gehalten: Schnelle Schnitte, kurze Einstellungen, gelegentlicher Übersichtsverlust, stets dicht dran. In der zweiten Hälfte, wenn Kid besser trainiert und quasi wiedergeboren zu Werke geht, dann ist man eher bei „John Wick“ und Co., wenn die Einstellungen länger und weiter werden, wenn die Lesbarkeit und Übersicht der Fights zunehmen. Schusswaffen kommen nur gelegentlich zum Einsatz, in der Mitte gibt es eine Verfolgungsjagd mit Autos, Motorrädern und einer Rikscha, in der Regel sind aber Nahkämpfe angesagt, waffenlos, mit Messern oder anderen Close-Combat-Utensilien. Diese wurden von Brahim Chab gelungen choreographiert, auch wenn der Actionanteil in „Monkey Man“ etwas niedriger als in Filmen wie „John Wick“ ausfällt.
Auch wenn man es Dev Patel angesichts seiner bisherigen Rollenvita nicht so ansieht: Er betreibt Taekwondo, seitdem er zehn Jahre alt ist, den ersten Schwarzgurt machte er mit 16. Dementsprechend fit und glaubwürdig kommt er in den Actionszenen rüber, während er den gebrochenen Rächer auch mit Gravitas darstellen kann. Dummerweise meint es der Regisseur Dev Patel manchmal zu gut mit seinem Hauptdarsteller Dev Patel, wenn er sich selbst die x-te Großaufnahme seiner traurigen Augen spendiert – das ist schon etwas zu viel des Guten. Sharlto Copley gibt mal wieder den Lebemann und schrägen Vogel, hat trotz prominenter Nennung in den Credits aber vergleichsweise wenig Screentime und auch wenig Bedeutung für den Film. Ashwini Kalsekar, Sinkandar Kher und Makrand Deshpande geben ihre eindimensionalen Fieslingsrollen mit ordentlich Charisma, sodass sie ordentlich hassenswert rüberkommen, während Pitobash als Gangsterlaufbursche etwas mehr Brandbreite seiner schauspielerischen Fähigkeiten zeigen kann.
„Monkey Man“ ist ein souveränes Regiedebüt für Dev Patel, wenn auch nicht ganz ohne Kinderkrankheiten: Manchmal setzt sich Patel etwas zu sehr selbst in Szene, ein wenig zu lang ist das Ganze auch. Zudem sind die Bezüge zur indischen Kultur manchmal etwas zu dezent, sodass die kulturellen Eigenheiten doch eher Dekor für eine relativ handelsübliche Rachegeschichte bleiben. Die Action ist dafür souverän gemacht, die Inszenierung verbindet Neo-Noir und Bollywood auf überzeugende Weise und gut gewählte Anspielungen auf Bild- und Tonebene beweisen, dass mit Liebe zum Detail gearbeitet wurde.