Review

Die Review enthält Spoiler, bitte erst nach Sichtung des Films lesen...











Ich kann mich dem positiven Hype um Longlegs leider nicht anschließen und war ziemlich enttäuscht vom vermeintlichen Horror-Knaller des Jahres. Den Trailer fand ich noch sehr gelungen, weil er ausnahmsweise mal nicht die Hälfte der Handlung vorwegnimmt und lediglich ruhige, aber verstörende Bilder aneinanderreiht, auf die man sich zunächst keinen Reim machen kann. Ich konnte ja nicht ahnen, dass dies mit einem absoluten Mangel an Handlung zu tun haben könnte.

Vergleiche mit Sieben und das Schweigen der Lämmer finde ich mal abgesehen von der grundsätzlichen Serienkiller-Thematik ziemlich unpassend, haben die zwei Klassiker doch eine wesentlich komplexere Story und inhaltliche Twists zu bieten, die Longlegs leider vermissen lässt. Der betont unaufgeregt erzählte Film bleibt über weite Strecken ereignisarm und liefert zwischen dem noch recht stimmungsvollen Intro und dem enttäuschenden Finale eigentlich nur gepflegte Langeweile.

Schon gleich zu Beginn ist relativ viel über den Killer bekannt; schließlich übt er seine Taten seit Jahrzehnten aus und verfasst codierte Briefe, die von der jungen FBI Agentin alsbald entschlüsselt werden. Irgendwie wirkt der Fall schon in den ersten Filmminuten soweit entmystifiziert, dass nicht mehr viel Aufklärungsarbeit für den weiteren Filmverlauf übrig bleibt. Die einzige noch offene Frage ist, wie Longlegs seine Opfer (vornehmlich Väter) dazu bringt, die eigene Familie und anschließend sich selbst zu töten, ohne selbst am Tatort zu gewesen zu sein. Hätte man hier nicht ein wenig länger an der Theorie des erweiterten Suizids festhalten können ? Wäre es nicht einen Twist irgendwo in der Filmmitte wert gewesen, die Taten überhaupt dem Killer zuzuschreiben ?

Das Drehbuch ist insgesamt wenig raffiniert und lässt Möglichkeiten zur Steigerung der Spannung ungenutzt. Es verzichtet sogar völlig auf weitere Taten des Killers, die den Zuschauer schrittweise an den Gesamtzusammenhang hätten heranführen können. Zur Etablierung eines möglichen Komplizen und des Tatablaufs mit den mysteriösen Puppen, wäre irgendwo im ersten Filmdrittel das Zeigen eines weiteren Familien-Massakers hilfreich gewesen (und nicht bloß hastig angehängte Rückblenden gegen Ende). Eine Familie beim Abendessen: zunächst sind alle gut gelaunt, plötzlich kippt die Stimmung und der Vater greift zur Axt. Vielleicht mit der Puppe im halbdunklen Hintergrund, etwas Verpackungsmüll in der Raummitte und einer nur schwer als Frau auszumachenden Schattengestalt, die nach den grausamen Ereignissen das Haus verlässt (oder so ähnlich). Der Film spart einen solchen Adrenalinkick lieber aus, und legt den Fokus stattdessen auf eine Tatortbesichtigung durch das FBI und lässt die Beamten die mysteriösen Aspekte lieber platt aussprechen, anstatt darauf zu hoffen, dass sie dem Zuschauer in einer oben beschriebenen Szene selbst auffallen. Auch die Festnahme des Killers hätte deutlich aufregender ausfallen können. Dem Drehbuch sei Dank findet die FBI Agentin ein altes Polaroid vom Killer im Haus Ihrer Mutter und Schnitt - es folgt die widerstandslose Festnahme an einer Bushaltestelle. Der Rest der Ermittlungsarbeit besteht aus Befragungen von Zeugen und ein paar Zahlenspielereien um Geburtstage aus den codierten Briefen, was mein Bedürfnis nach einer spannenden Spuren-Schnitzeljagd keinesfalls befriedigt.

Aufgrund des schrecklich konstruiert wirkenden Backgrounds der FBI Agentin (Begegnung in der Kindheit auf einem Rasen vor dem Haus) und dem Mangel an weiteren Figuren ist leider sehr früh klar, dass die Mutter in den Fall involviert ist. Das Finale gestaltet sich daher ebenfalls ziemlich überraschungsarm und weiß auch inszenatorisch nicht zu fesseln. Weil man die Funktionsweise der Puppen vernachlässigt hat, wirkt es beinahe unfreiwillig komisch, dass der Zwang zum Töten genau in dem Moment einsetzt, als Agentin Harker zur Tür reinstürmt. Hierfür rennt der Vater der Mutter in Mordabsicht in die Küche hinterher, während die Tochter unbeeindruckt auf ihre Puppe starrt. Für mich war das eher "Fremdschämen" statt "Mitfiebern" und keinesfalls ein gelungener Abschluss. Wieso muss es auch unbedingt ein lebensgroßes Abbild der Tochter sein, das als vermeintliches Geschenk der Kirche an der Tür überreicht wird (vom nicht nachvollziehbaren Herstellungsprozess in der einfachen Kellerwerkstatt ganz zu schweigen). Hätte es nicht auch eine beiläufige und glaubwürdigere Kleinigkeit sein können, die den Teufel ins Haus bringt ?

Dass Longlegs für mich nicht zünden will, hat sicherlich auch damit zu tun, dass man mit keiner Figur so richtig warm wird. Die FBI Agentin hat einen Knall, die Mutter auch und der Killer sowieso. Der Rest sind stichwortgebende Randfiguren, die die Handlung kaum vorantreiben. Nicht eine Figur lädt wirklich zur Identifikation oder zum Mitfiebern ein. Musste Agentin Harker unbedingt so aphatisch rüberkommen ? Wenn sich die Heldin meist stoisch durch das bißchen Handlung arbeitet, wie soll sich da Spannung beim Zuschauer aufbauen ? Gleiches gilt für die Mutter. Wäre die Figur zunächst mental gesund und warmherzig gezeichnet worden, hätte uns ihre wahre Rolle in diesem Drama sicherlich mehr umgehauen oder überrascht. So bleibt leider alles ziemlich vorhersehbar.

Irgendwie scheint Osgood Perkins keinen rechten Sinn für "Thrill" zu haben und liefert mit Longlegs als Regisseur und Drehbuchautor (!) einen spannungsarmen Nonsens ab, der sich allein auf das Beziehungsdreieck aus Mutter, Tochter und Killer auf zwei Zeitebenen verlässt, was der geübte Zuschauer dann auch noch viel zu schnell durchschaut. Longlegs möchte eher "artsy" sein und verzichtet auf altbekannte (und bewährte !) Mechanismen des Thrillerkinos wie falsche Fährten, Plot Twists und Verfolgungsjagden. Er setzt stattdessen ausschließlich auf die schicksalhafte Verbindung der drei Hauptfiguren, was mir in Summe zu konstruiert und zu einseitig war.

Die Atmosphäre des Films fand ich grundsätzlich gelungen. Der Vintage Look, Kamera und Sounddesign machen jeweils einen guten Job. Auch ohne echte Jump Scares gelingen Perkins zumindest einige düstere Szenen, die mein Interesse wenigstens auf "ich will wissen, wie das ausgeht"-Niveau halten konnten.

Und dann war da noch Nicolas Cage der mich mit seiner Darstellung des Killers... sagen wir mal... ziemlich amüsiert hat. Vielen ist das zu dick aufgetragen, aber ich fand, die Performance war tatsächlich angsteinflößend und einer der wenigen Highlights des gesamten Films (Hut ab auch für die deutsche Synchronstimme !).

Diese zwei Aspekte retten Longlegs in die 3 Punkte Kategorie, ansonsten hat mir mangels sympathischer Figuren und Drehbuchraffinessen irgendwie der übergeordnete Spannungsbogen gefehlt. Zu lahm und zu ereignisarm und stellenweise eher "cringe" statt "artsy". Will ich definitiv nie wieder sehen !










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