Review

Serienmörder haben lange Beine

Während True Crime-Erzählungen und -Formate in den letzten Jahren weiterhin boomten, hält sich der klassische Serienmörderkrimi eher raus aus dem totalen Rampenlicht, an den dunkleren Seiten des Mainstreams auf. Richtige Überhits, die sich nachhaltig ins Gedächtnis der weltweiten Massen eingravierten, wie „Das Schweigen der Lämmer“ oder „Sieben“, liegen nichtmal mehr in diesem Jahrtausend. Nun generiert „Longlegs“ dieses Jahr in diesem Subgenre aber gehörig Hype und Erwartungshaltung, was ja per se ein zweischneidiges Schwert ist. Inszeniert von Osgood Perkins, in dem als Sohn von „Norman Bates“ ja eh royales Horrorblut fließt. Hier lässt man eine leicht telepathisch begabte FBI-Agentin einem gruseligen Serienmörder hinterarbeiten, dessen Taten und Dasein alles menschlich Böse verblassen lässt und alle Beteiligten vor Rätsel stellt… Gespielt von keinem Geringeren als Nic Cage in creepy Topform, der clever und effizient nahezu komplett aus dem Marketing herausgehalten wurde und den man hier einfach erleben muss, um es zu glauben…

Modellmaße

Oz Perkins' bisheriges Trio an Schockern hat mir im Schnitt gut gefallen, doch waren sie eher stylisch und interessant als wirklich rundum empfehlenswert, es gab noch reichlich Luft nach oben. Nun macht er mit „Longlegs“ seinen beeindruckenden nächsten Schritt - und in manchen Belangen auch direkt zwei! Obwohl es durchaus Figurenklischees gibt (z.B. der leicht autistische Ermittler a la Will Graham), die Story auf dem Papier nichts Besonderes ist und ich mit dem ein oder anderen übernatürlichen Element im letzten Part nicht ganz warm geworden bin - insgesamt waren meine Anspannung, mein Interesse, meine Neugier, meine Faszination an und in diesem Serienkillerchiller enorm. Das muss man dermaßen fesselnd, stilsicher und atmosphärisch erstmal so hinbekommen! Vor allem formal eine Meisterleistung. Das Spiel mit den Bildformaten gefällt. Der brummende Ambientscore setzt dem Unbehagen die Krone auf. Das Intro ist für mich jetzt schon zum in die Hosenscheissen legendär. Schminke und Kostüme sind auf den Punkt. Apropos: Cage ist Cage - nur nun in verdammt creepy! Auch das eine erfolgreiche Gratwanderung. Maika Monroe kann bei mir eh kaum etwas falsch machen - es sei denn sie spielt in „Independence Day 2“ mit. „Longlegs“ hat viel Mysterium, viel zum analysieren, er wirkt schwer und positiv fies nach. Er ist ungemütlich, er ist gekonnt, er hat einen sehr unangenehm an den Eiern - und er hat lange Fingernägel! Sein Kontingent reicht von 70er-Rock-Attitüde a la T.Rex über den unvermeidlichen Vergleich mit „Das Schweigen der Lämmer“ bis zu Erinnerungen an Horrorklassiker verschiedener Generationen a la „Amityville Horror“ oder „Hereditary“. Und das ohne sein eigenes, selbstbewusstes Ding zu verlieren. „Longlegs“ ist beeindruckend und sehr, sehr intensiv. Ein Slowburner, wie ich ihn mag. Hintenraus wie gesagt nicht immer komplett rund für meinen Geschmack. Und ob alle mit ihm warm werden, ist fraglich, da es in der heutigen Zeit ja selbst zu den besten Werken auch scheinbar durch Hype extra getriggerte Gegenmeinung gibt. Und natürlich auch geben darf. Dennoch gehört „Longlegs“ für mich zu den stärksten Genrefilmen des Kinojahres. Gar nicht allzu mainstream, aber auch nicht zu verkopft und artsy. Für meinen Geschmack. Trifft sehr genau Druckpunkte und die Wunden vieler Horrorheads. Mehrmaliges Ansehen bietet sich an und wird spannend. Wahrscheinlich geht für Perkins da insgesamt aber noch mehr… ein Höhepunkt ist „Longlegs“ nichtsdestotrotz. 

Fazit: sehr atmosphärischer, sehr stylischer, sehr düsterer Serienkillerthriller. Hatte mich fast die komplette Zeit in seinen schmutzigen Griffeln, am Schlafittchen, an der Gurgel! 

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