Von Sofia Coppola kannte ich bisher nur ihr drittes Werk, Marie Antoinette. Lost in Translation ähnelt ihm in vieler Hinsicht frappierend: Es passiert nichts. Die Handlung besteht aus alltäglichen Nebensächlichkeiten, was man halt so tut, wenn man in eine Situation kommt, die für andere besonders wäre (plötzlich am Hofe Frankreichs, plötzlich mit einem Werbevertrag/einem Fotografen in Tokyo), die für die Hauptperson aber hauptsächlich eines bereithält: Langeweile. Die Filme lassen den Zuschauer dies spüren. Deshalb zündet Marie Antoinette nicht. Für den besprochenen Film gilt das nicht - das hat mehrere Gründe.
Der wichtigste: Wir haben zwei Hauptdarsteller. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Beziehung. Diese bleibt natürlich in einem Rahmen, der dem des ganzen Films entspricht, also einem realistischen. Dadurch aber entsteht seltsamerweise tatsächlich so etwas wie Spannung. Obwohl es sich nur um eine Urlaubsbekanntschaft zweier verlorener Menschen, dem frustrierten, Midlife-Crisis-geplagten und abgehalfterten TV-Star Bob und der einsamen Frau eines dauerbeschäftigten Fotografen, Charlotte, handelt, die selten ungünstige Ausgangsbedingungen hat, wird dem Zuschauer mehr vermittelt als die hoffnungslose Kurzzeitbeziehung, die sich da nun mal in Wirklichkeit entwickelt. Warum?
Erstens: Bill Murray. Ohne ihn wäre Lost in Translation nichts. Bob ist ihm auf den Leib geschneidert. Seine stille Tragik, die sich immer wieder in so ironischer wie melancholischer Komik äußert, verleiht dem Film die dringend nötige Würze. Scarlett Johansson spielt, das darf nicht missverstanden werden, wunderbar. Nur fehlt ihr die besondere Ausstrahlung, mit der Murray es ganz ohne jede Handlung versteht, jede Szene zu beleben und der sterilsten Umgebung (und in diesem Film gibt es viel davon) Charakter zu verleihen. Diese Gabe kommt dem Film zugute und zeigt einmal mehr Murrays großartiges Talent.
Zweitens: Die Chemie. Sie stimmt zwischen Charlotte und Bob. Sie ziehen einander ein wenig aus dem Sumpf der Tristesse, Bob mit seinem Charakter und väterlichen Ausstrahlung, Charlotte mit ihrer Lebenslust und ihren Freunden, und suchen nach dem Glück, von dem beide wissen, dass sie es in ganzem Umfang nicht erreichen können. Schließlich haben sie nur wenige Tage und haben zu viel, das sie verwurzelt hält. Nichtsdestotrotz einigen sie sich in stillem Einvernehmen darauf, das Spiel mitzuspielen und nicht daran zu denken, weshalb sie eigentlich da sind. Ganz zart streckt hier die Spannung ihre Flügel aus, die zwischen der Realität und der Flucht vor ihr entsteht und sich nur deshalb nicht wirklich entfalten kann, weil immer klar ist, welche der beiden Seiten letztendlich die Oberhand gewinnt.
Drittens: Das Setting. Genauso an Originalschauplätzen gedreht wie Marie Antoinette, gewinnt dieser Film allein dadurch an Fahrt, dass Tokyo nun einmal um einiges schriller und aufregender ist als Versailles. Gerade für Europäer ist der zwischen Verklemmtheit und Verrücktheit schwankende hier dargestellte Lebensstil sehr gewöhnungsbedürftig. Bitte nicht falsch verstehen: Coppola versucht nicht, hier irgendeine großartig angelegte Kritik an der japanischen Gesellschaft zu erstellen (zumindest konnte ich das beim besten Willen nicht erkennen). Vielmehr wird hier ein facettenreiches Bild geboten, das sich zwischen den oben genannten Extrema entfaltet. Dabei gibt es eine wunderbare Konstante: Die skurrile Spannung, die zwischen dem apathisch-belustigten Bob und den sich um ihn herum in jeder Form verrenkenden und abhetzenden Japanern entsteht und für einige brüllkomische Situationen sorgt ("Lupfe Schlumpfe!").
Auch ein großartiger Pluspunkt, der noch stärker in Marie Antoinette zum Tragen kommt, sind die Bildkompositionen. Diese ähneln in ihrer statischen Symmetrie häufig Gemälden und verdeutlichen die bodenständige Realität, die hinter jedem Ausbruchsversuch der Hauptpersonen steht, brechen aber auch selbst manchmal aus. Das wilde Stadtleben wird genauso grandios eingefangen wie der majestätisch aus dem Morgennebel aufsteigende Fuji.
Obowhl auch Lost in Translation immer wieder in trister Belanglosigkeit zu versinken droht, begeht Coppola hier nicht den Fehler wie in Marie Antoinette, auf fast jede menschliche Beziehung zu verzichten. Stattdessen entwickelt sich dank Bill Murray eine stille Komik, die aber gerade durch die sonst kaum vorhandene Handlung häufig für einen Brüller gut ist. Auch wenn dem Film ein wenig mehr solcher Situationen nicht geschadet hätte, bekommen wir es hier mit einer einfühlsamen Komödie zu tun, die gleichzeitig ein interessantes Bild Tokyos entwirft. Zwei einsame Seelen verloren in einer schrillen Stadt. Der Titel ist wahrlich passend.