Die selige Rache, am besten kalt genossen, mit als Hauptantrieb für Actionthriller (mit vielleicht auch Drameneinschub), auch 2023 fleißig probiert und exerziert, in größeren wie in kleineren Produktionen, im Kino wie im Streamingdienst. Ruthless fällt irgendwo dazwischen, finanziell und von der allgemeinen Beachtung her, noch unter Silent Night, aber vor The Vigilante oder Due Justice, die nun wirklich kleinpreisig gehalten sind und teilweise auch nur begrenzt veröffentlicht. Ruthless hat auch noch als Alleinstellungsmerkmal der Besetzung, verkörpert hier Dermot Mulroney doch den Rächer, wird der Schauspieler normalerweise mit anderen Rollen verbunden und mit einem anderen Umfeld auch vor allem, hat sich aber die letzten Monate freiwillig oder doch zwangsweise auch im B-Picture Milieu umgesehen und dort in zahlreichen Werken eher für die es filmisch 'grob und simpel' mögende Klientel engagiert. Ruthless hat zusätzlich auch noch den Regisseur (und Produzent und Co-Autor), ist dies doch Art Camacho, dessen Name in entsprechenden Kreisen wahrscheinlich bekannter ist als sein Ruf gut; eine auf den ersten Blick merkwürdige Kombination, das Ergebnis ist wie folgt, und auch merkwürdig:
Los Angeles. Der an der örtlichen Highschool Sport, speziell Wrestling unterrichtende Lehrer Harry Sumner [ Dermot Mulroney ] hat gerade seine Tochter bei einem vermeintlichen 'Date Rape' verloren. Als ihm bei seiner Schülerin Catia Matson [ Melissa Diaz ] Spuren von Gewalt in ihrem Gesicht auffallen, und sie ihm gegenüber zugibt, diese von Thomas Kincaid [ Mauricio Mendoza ], dem neuen Mann ihrer Mutter Jane [ Tonantzin Esparza ] zugefügt bekommen zu haben, stattet Sumner dem 'Frauenschläger' einen späten Besuch ab und bricht ihm zur Warnung den rechten Arm; dieser revanchiert sich allerdings mit einer Anzeige bei der Polizei und speziell Detective Chuck Monaghan [ Niko Foster ], welcher angesichts der Vorgeschichte von Harry erstmal Gnade vor Recht ergehen lässt. Wenig später ist Catia allerdings verschwunden, was den nach ihr suchenden Harry zum Mädchenhändler Dale Remington [ Jeff Fahey ] und dessen rechter Hand Rich Baker [ Hani Al Naimi ] und zu ganz neuen Erkenntnissen führt.
Saban Films und Premiere Entertainment sind hier die Vertreter der Distribution, das war in den letzten Monaten schon auffällig im speziellen Genre, die Arbeiten mit Cam Gigandet wurden darunter veröffentlicht, sprich Blowback, Black Warrant und Shrapnel, das Budget entsprechend überschaubar, aber nicht komplett auf kleinklein und nur das Nötigste reduziert. Das Kapital kommt von Bondit Media, die sich mit Bruce Willis gesund gestoßen haben, Mulroney macht hier weniger dessen Nachfolge, es sei denn, man zählt Death Wish dazu und schaut in diese Richtung. Dabei wird nicht lang gefackelt, was den Ausbruch der Gewalt angeht, bereits die erste Szene - in einem Kino bzw. anschließend vor diesem - kommt es zu einer Konfrontation, die Toleranz ist so niedrig wie der Frust hoch ist. Ein Handgemenge, ein paar gebrochene Knochen, gefilmt ist das wie aus einer anderen Zeit, einer anderen, einer früheren, der Camacho - Ära.
Mulroney ist hier Popcorn-Fan, es scheint quasi sein Leibgericht und seine Hauptmahlzeit zu sein, es gibt Popcorn zu Hause und to go für unterwegs; der Film ist auch Popcorn, er ist ein bisschen wie aus der Zeitkapsel gefallen, von ursprünglich VHS auf die neuen und die digitalen Medien transferiert. Schauspielführung obliegt der Regie nicht so wirklich, der Hauptdarsteller hat aber genug Historie und genug Präsenz und Kenntnis von der Materie, und er macht das entsprechend verkniffene Gesicht, zudem werden eingangs keine Umwege gemacht, sondern ein flottes Tempo und die entsprechende Fallhöhe gleich vorgelegt, keine Idylle angetäuscht, keine unnötigen Familienszenen. "Justice was served", das ist nicht wirklich Trost in dem Moment, der Fusel wird herausgeholt als Seelengrab, und auch die Pistole in Reichweite gelegt.
Der Film könnte da schon aufhören, es gab eine Verhaftung und ein Prozess und Schuldspruch, er fängt aber erst an, geht dann vorwärts und kommt wieder zum Ausgangspunkt, zum Sportlehrer mit der Agenda zurück; er ist ein wenig blass in den Farben, was das Gefühl der Mittneunziger noch verstärkt, und er wechselt erstaunlicherweise zwischendurch die Perspektive, er blendet die tatsächliche Hauptfigur auch mal aus und weicht ein wenig von dem üblichen Geschehen ab, was die baldige Naivität des Ganzen, aber auch seine gewisse Unterhaltsamkeit eher noch verstärkt, fast in Richtung (biernerste) Parodie. Es wird ordentlich geflucht, viele 'fucks' auf der Tonspur, es gibt einen innerhäuslichen, nicht ehelichen Disput, es wird ein wenig die Gegend vorgestellt, die Gewöhnlichkeit darin, keine wirklich edle Umgebung, aber auch kein Slum, eher so die Arbeiterschicht, ein Mittendrin. 'Actionszenen' in dem Sinne sind lange Zeit sportive Übungen, Wrestlingstunden in der Schule, privates Boxtraining, wettbewerbstechnisch alles oder als Katharsis, aber kein richtiger Kampf und schon gar keiner um Tod und Leben; eine sauertöpfische Erzählung, die sich eröffnet und Probleme und Schwierigkeiten nach und nach hinzufügt, kein ehrliches Sozialdrama, ein "pick ypur fights" - Geschehen mit oftmals komischen und/oder komisch gespielten Gesprächen, eine Art spätes The Substitute Sequel, ein Der Prinzipal Update, Hard Lessons, später geht es dann nach Sin City, es geht nach Las Vegas, es geht zum Jeff Fahey.