Wenn eigentlich schweigende Mehrheiten zu sprechen anfangen
Am Rande wird geflüstert, über eine Verschwörung Rechtsradikaler mit Exilkubanern, die irgend etwas mit dem Ableben Jack Kennedys zu tun (gehabt) haben sollen. Das macht "Nixon" zu einer klaren Fortsetzung von "JFK", wo die historisch-hypothetische Krux auch nie gänzlich ausgesprochen wurde. Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist diesmal aber kein blasser Südstaaten-Liberaler, sondern das Herz der Finsternis, das Weiße Haus in dem Richard Milhous Nixon sitzt: dabei ist es irrelevant ob dieser Nixon bloß eine Verzerrung der historischen Figur darstellt oder nicht. Wichtig ist WAS Es Oliver Stone in seinem eindeutig besten Film nach "Talk Radio" (1988) gelingt, herzustellen, nämlich den Blick auf die schweigende Mehrheit Amerikas kurzzeitig freizugeben, beziehungsweise darauf, wem diese Mehrheit so ihre Stimme gibt: eine Mehrheit, die immer puritanisch war, und neuerdings noch vermehrt evangelikalisch ist: man sieht Rassismus und Antisemitismus an der Macht, einen Präsidenten dessen Mutter offenbar ständig in seine Seele sah und für die er nichts anderes als ein treuer Hund sein wollte. Einen reaktionären Vater, der mit der blutigen Schürze zu Tisch sitzt - weil es das Blut ist dass diese von der Tuberkulose überfallenen Familie ernährt. Bis auf ein paar Zombies und eine Kettensäge fehlt in diesem Film nichts das einem Amerika wirklich schauderhaft werden lässt. Und dabei braucht es eigentlich gar nicht die schwierigste, aber letztlich auch beste Performance von Anthony Hopkins, oder den überhaupt einmalig gelungen Casting-Coup, eine aller politischen Einfärbung eigentlich beraubten Ikone der populären Kultur, Larry "J.R. Ewig" Hagman als rechtsextrem verschärften, ähh, "J.R. Ewing" zu präsentieren, um so einen kurzen Blick auf "Dallas" zu erhaschen, wie es eigentlich richtiger dargestellt gewesen wäre.
"Nixon" ist ein absolutes Meisterwerk und einer meiner Lieblingsfilme. Da verzeihe ich auch gern den übertrieben tuntigen "Edgar" Bob Hoskins, der in seiner Rolle eher unbeholfen und unsinnig an den Rand gedrückt wirkt. Sicher, wem die unzähligen Gespräche mit dem konstanten Name-Dropping in "JFK" schon nicht gefallen haben, der wird sich auch mit diesem "Nixon" über drei Stunden lang schwer tun, aber eigentlich sollte sich die Mühe lohnen.
Für mich auf jeden Fall der beste Hollywood-Film aus den Neunziger Jahren.
Rating 10