Review

Die relativ gleichzeitig erschienenen, unterschiedlich ausgewerteten und unterschiedlich aufgenommenen 'amerikanischen' Filme Kandahar, The Covenant und Warhorse One werden weniger einen Einfluss auf den südkoreanischen, im Sommer 2020 gedrehten The Point Men genommen haben, als vielmehr der landeseigene Escape from Mogadishu (2021); welcher national, aber auch international durchaus für Furore sorgte (und gleich auch eine ähnlich aufwändige, ähnlich gelagerte chinesische Variante namens Homecoming, 2022 nach sich zog.) The Point Men ist das Schicksal der Aufmerksamkeit im Westen relativ verwehrt geblieben, trotz einer Starbesetzung, trotz auch einer Auswertung in den Heimmedien, zu altbekannt vielleicht mittlerweile die Geschichte, zu gering die Mundpropaganda, zu übersättigt das Publikum, welches bei Südkorea auch eher an den filmischen Kampf zwischen Polizei und Gangstern denkt:

2006. Eine Gruppierung extremistischer Taliban überfallen in der Provinz Ghazni den Bus südkoreanischer 'Touristen', einer 23-köpfigen christlichen Missionarstruppe, die auf dem Weg nach Kabul und dort zur Aufklärung und Verbreitung ihrer Religion unterwegs waren. Südkorea entsendet sofort eine Delegation nach Afghanistan, die Verhandlungen sowohl mit dem Präsidenten Hamid Karzai aufnehmen sollen, also auch mit dem Terroristenführer [ Fahim Fazli ] selber, und vom Vizeminister Kim [ Jung Jae-sung ] angeführt, aber maßgeblich vom diplomatischen Verhandlungsführer Jung Jae-ho [ Hwang Jung-min ] geleitet wird. Als die ersten Kontaktaufnahmen scheitern, bringt der NIS-Agent Park Dae-sik [ Hyun Bin ] weitere Alternativen zum Vorschlag, wofür er auch zusammen mit Jung und dem Dolmetscher 'Qasim', dem eigentlich aus Südkorea stammenden Lee Bong-han [ Kang Ki-young ] in das Terrain muss.

Inspiriert ist man dabei von realen Ereignissen, laut Einleitung zumindest, es gibt auch eine Zusammenfassung der geschichtlichen Vorkommnisse, ein paar Sätze zur Prämisse, ab dem 9/11, Südkorea dabei als einer der 38 Teilnehmer im Kampf gegen die Taliban und den Terrorismus, mit 'non-combat troops' involviert. Gedreht wurde natürlich nicht direkt vor Ort, das haben die anderen Vertreter aber auch nicht, es wurde wie bei Kandahar Jordanien genutzt, also die nähere Nachbarschaft, für den Zuschauer sieht ein Wüstenland sowieso aus wie das andere, viel Sand und viel Gelb und helles Braun in den Bildern. Auf der Tonspur die klagenden Klänge der Umgebung, die Trommeln, die leidenden Gesänge, spielen tut man 2006, der Krieg ist seit einer Weile am Toben und er wird auch noch eine Weile so gehen, die Konflikte noch aktuell, die Konfrontationen am Schwelen.

Der abgewrackte Reisebus, welcher durch die Einöde kutschiert wird und wo Lord Jesus als Heilbringer für das darbende Land angerufen wird, und um Hilfe gebeten, wirkt dabei in den ersten Momenten wie als Parodie auf das Genre, wie ZAZ Marke Südkorea; die Taliban sehen das anders, sie mögen kein Humor und keine Touristen mit der Bibel in der Hand, es fallen Schüsse, es kommt zum ersten Sterben. Ein brennender Bus bleibt zurück im Staub und Sand, eine Geiselnahme im großen Stil. Die Frist ist eng gesetzt, man greift zu letzten Mitteln.

Als Politthriller funktioniert das trotz einigen guten Ansätzen so wenig wie die anderen Filme, auch als Kriegsszenario eher nicht bis weniger, es bleibt der Actionthriller/-drama über, der Versuch der Befreiung aus den Händen des Bösen, schwarz und weiß in der Zeichnung, dramaturgisch simpel, inszenatorisch mit Höhen und Tiefen. Die Abgesandtschaft im Anzug ist in Kabul, da sind von den 24h der Deadline nur noch 5h über, der Auslandseinsatz ist gerade erst eingeleitet, ein Intelligence Agent und ein Negotiator ("Bargaining" ist die genaue Übersetzung des Originaltitels). Es gibt Gespräche am Runden Tisch und es gibt Pressekonferenzen, das ganze Szenario überzeugt trotz durchaus Aufwand in der Gestaltung und der Bemühung des Außendrehs mit viel Militär stationiert und der gezeigten 'Exotik' den Zuschauer nicht wirklich, es wirkt nicht dringend und nicht zwingend, es durchbricht den Bann der Illusion nicht, der Täuschung und der Fassade, der Fiktionalität. Beide Hauptdarsteller, speziell Hyun Bin, geben sich Mühe, die Dramaturgie zu verkaufen, zusätzlich gibt es goldene Wasserhähne in der Botschaft, als ein Kommentar der Ausstatter vielleicht: Die da unten, wir hier drüben.

Ein Selbstmordanschlag mitten in Kabul ändert ein wenig die Strategie und die Devise, es wird für den Moment finster und düster, was allerdings nicht allzu lang anhält; der Film als Projekt für die Massen, als Unterhaltungsspektakel, die Fiktionalität zählt mehr als die Realität, die Verkaufszahlen sind wichtiger. Es gibt sogar eine Art Comic Relief, eine Art Hadschi Halef Omar, es wird bei Feierlichkeiten Haschisch aus der Pfeife geraucht und als Mutprobe über das Lagerfeuer gesprungen. Einige gelungene Panoramen in der Fotografie, die Unterschiedlichkeit der beiden Personen im Zentrum des Geschehens, die bloß durch das gleiche Ziel miteinander vereint und das ursprünglich gleiche Heimatland natürlich verbunden sind, das ungewohnte Areal für eine einheimische Produktion und eine solide Finanzierung als die Vorteile des Filmes, auch wird nicht die Patriotismuskeule ausgespielt, zudem wird der Ernst der Lage nach etwa einer Dreiviertelstunde deutlich, und es gibt fortwährend Wendungen in der Geschichte: "Mr. Negotiator, now what?" - "All right, don't panic. The Taliban want us to panic." - "How can I not panic right now?" - "Just give me a chance to think!" - "Think? People are dying while you think!" - "Watch your mouth!" Ein Spiel mit Vertrauen und Mißvertrauen, auf gänzlich fremden Terrain, mit unwägbaren Einflüssem vor allem auch von außen, mit Strukturen, die man beachten muss und beobachten, mit ungeschriebenen Gesetzen, mit teils widersprechenden Regeln. Mittig wird es rauer im Gefilde, eine gescheiterte Diplomatie, eine Verfolgungsjagd mit Verlusten bei Mensch und Material steht an, die Second Unit übernimmt, nicht für lange, bloß für einen Moment.

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