Ein Zeitdokument
Alex Garland hat angekündigt, nach „Civil War“ Hollywood und Filmen wahrscheinlich den Rücken zu kehren. Es wäre ein Schande. Man kann nur hoffen, dass das aus dem Affekt gesprochen war. Denn spätestens jetzt mit seinem epischen Kriegsfilm-Roadtrip „Civil War“ beweist er, dass er zu den eindrucksvollsten und versiertesten, mutigsten und effektivsten Filmemachern gehört, die Amerika hat. Schon „Ex_Machina“ und „Annihilation“ waren gedankenanregende Sci-Fi-Juwelen. Aber eben von der geheimtippigen, leisen Art. Nun schaltet er drei Gänge hoch und liefert nicht mehr und nicht weniger seinen „Apocalypse Now“ ab. Eine beeindruckende Warnung an alle Seiten, an ein gespaltenes Land, eine verunsicherte Bevölkerung, eine angespannte Welt. Und einen verdammt unterhaltsamen, intelligenten und diskussionswürdigen Blockbuster obendrauf. „Civil War“ folgt einer Gruppe Fotografen/Journalisten durch eine alptraumhafte Version der aktuellen U.S.A., die hier bereits mitten in einem Bürgerkrieg steckt und schon längst nicht mehr nur am Abgrund tanzt, sondern längst hineingefallen ist…
Der fetteste „Indie“ aller Zeiten?
„Civil War“ wird etliche Bestenlisten des Jahres mitprägen, meine eingeschlossen, so viel ist sicher. Wird in Zukunft über das Filmjahr 2024 gesprochen, dann wird diese Diskussion nicht ohne Garlands militärisches Masterpiece auskommen. Ganz einfach. Er hat hiermit etwas Singuläres geschaffen. Ein Ereignis, ein Statement, ein Urknall. Auf den Spuren von „Salvador“, „Nightcrawler“ oder „The Killing Fields“. Erstaunlich und lobenswert neutral. Eine solche prophetische Warnung muss keine Seite einnehmen. Ja, sie darf es sogar nicht. Auch passend zum Beruf des Photojournalisten. Kirsten Dunst war nie besser. Die Atmosphäre ist zum Schneiden dicht. Man fühlt sich viel näher dran, als man es eigentlich will. Auch übertragen auf unsere aktuelle Weltlage. Jesse Plemons schwingt sich in fünf Minuten zum vielleicht fiesesten Bösewicht des Filmjahres auf. Unfassbar, der Typ! Der Soundtrack, oft auch genial-konterkarierend zum grausamen Geschehen, ist stark. In der finalen Belagerung beweist Garland, dass er auch Action(spannung) nicht verlernt hat. Alles unheimlich intensiv und mit Impact. Manche Bilder sind verstörend und wunderschön zugleich. Ich sage nur „Waldbrand“. Jede Station hat Hand und Fuß. Meinerseits hätte das auch gut ein 180-minütiges Epos sein können. Aber Garland weiß, wie man zum Punkt kommt. Einige Bilder, Schicksale und Abschlüsse sind etwas vorhersehbar. Doch das ist das berühmte Haar in einer unfassbar würzigen, wahnsinnig guten Suppe. Sollte momentan jeder Amerikaner sehen. Ein ohne Ende wuchtiger und wichtiger Film. Mitreißend. Aufwühlend. Unvergesslich. Ein magischer Magenumdreher, der noch lange, lange nachwirken wird. Bei mir persönlich, in seinem Herstellungsland, in der Filmgeschichte. „Civil War“ ist Pflichtprogramm. Höchst politisch, höchst menschlich, höchst wertvoll!
The Twilight Zone
Fazit: egal wie man „Civil War“ für sich politisch einordnet, egal ob man ihn eher als Kritik, Kommentar oder einfach nur Kracher ansieht - Alex Garland hat einen Klassiker geschaffen! Gänsehautgarantie. Schnappschüsse des Todes. In's Herz der Dunkelheit. Ein Brett!