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Nachdem Alex Garland mit seinen vorigen Regiearbeiten „Ex Machina“, „Auslöschung“ und „Men“ vor allem das Science-Fiction- und Horrorgenre bediente, widmet sich der britische Romanschreiber, Drehbuchautor und Regisseur mit „Civil War“ nun einem dystopischen Kriegsdrama.
Doch trotz der Veröffentlichung im aufgeheizten US-Wahljahr 2024 erteilt „Civil War“ der klassischen Red-States-vs.-Blue-States-Thematik eine klare Absage. In der nahen Zukunft des Films herrscht Bürgerkrieg in den USA, in dem mehrere Bundesstaaten sezessionistische Bestrebungen im Sinn haben und gegen das Loyalisten-Amerika des Präsidenten (Nick Offerman) putschen. Die größte Sezessionistenarmee sind die Western Forces von Kalifornien und Texas – quasi der Demokratenstaat schlechthin und der Republikanerstaat schlechthin. Über die politische Positionierung und die weitergehenden Ziele der Kriegsparteien erfährt man so gut wie nichts, nur dass der Präsident eine dritte (und damit eigentlich verfassungswidrige) Amtszeit angetreten hat und dass er schon seit Monaten nicht mehr der Presse spricht, weil er diese für Feinde hält. Insofern bleiben die verschiedenen Kriegsparteien bestenfalls Projektionsflächen.
So geht es dann in erster Linie um die Kriegsberichterstatter, allen voran die preisgekrönte Fotographin Lee Smith (Kirsten Dunst). Diese ist gerade mit dem Journalisten Joel (Wagner Moura) unterwegs. Obwohl sie schon auf der Reise Eindrücke, Storys und Fotos sammeln, so ist ihr Fernziel das belagerte Washington. Sie wollen ein Interview mit dem Präsidenten führen, das wahrscheinlich letzte, da der Fall der Hauptstadt kurz bevorstehen soll. Bei einem Zwischenhalt treffen sie unter anderem auf den altgedienten New-York-Times-Kollegen Sammy (Stephen McKinley Henderson) und die junge Jessie (Cailee Spaeny), die selbst Fotographin werden will. Der Oldie mit dem Krückstock und das Greenhorn ohne Felderfahrung sind alles andere als die Wunschreisegefährten, weshalb die Filmlogik es natürlich diktiert, dass die beiden sich trotz einiger Widerstände dem Duo Lee und Joel anschließen.

Also macht sich das Quartett auf in Richtung Front, wo für Sammy und Jessie Endstation sein soll – nach Washington wollen nur Lee und Joel, aus Sicherheitsgründen. Aber schon die mehr als 800 Meilen lange Fahrt ist eine Odyssee…
„Civil War“ ist keine Politparabel. Es ist auch kein sonderlich subtiler Film, trägt er sein Thema doch sehr offen vor: Wie ist es für die Kriegsberichterstatter, wenn sie bei ihrer Arbeit die größten Grausamkeiten sehen und doch per definitionem nicht eingreifen sollen? Das ist in der überschaubaren Nische des Kriegsberichterstatterfilms kein neues Thema mehr, doch immerhin mit einem interessanten Twist. Denn nicht mehr sind die Leute in den klassischen Kriegsgebieten, den sogenannten Failed States unterwegs, sondern im Sehnsuchtsland USA. Lee merkt an einer Stelle auch an, dass sie immer dachte, dass sie mit ihren früheren Fotos eine Warnung nach Hause geschickt zu haben, nur um nun festzustellen, dass Bürgerkrieg und Barbarei auch in den USA vorkommen können. Anhand verschiedener Situationen wird das Ganze durchdekliniert, etwa wenn man das perfekte Bild eines sterbenden Soldaten schießt, doch letzten Endes ist „Civil War“ selbst wie ein Kriegsberichterstatter: Er dokumentiert das Dilemma des Berufsstandes nur, die Antworten überlässt er seinem Publikum, das er auf diese Weise zum Nachdenken bringt. Der Handlungsverlauf ist nicht allzu überraschend: Ob alle Figuren es überstehen und wenn ja, wer wahrscheinlich auf der Strecke bleibt, das ist durchaus abzusehen, da „Civil War“ in erster Linie in seiner spekulativ-reizvollen Prämisse mit den Genrestandards bricht, nicht aber unbedingt im Geschichtenerzählen.

Viele Charaktere und Situationen kennt man aus artverwandten Filmen, von „Ein Jahr in der Hölle“ und „Salvador“ über „The Hunting Party“ bis hin zu „5 Days of War“ und „Whiskey Tango Foxtrott“. So bedienen auch die Protagonisten verschiedene Archetypen, gerade im Umgang mit dem Grauen. Lee ist die emotional Verhärmte, die unter ihrem Panzer von traumatischen Erinnerungen gequält wird. Joel ist der Adrenalinjunkie, der immer dahin will, wo es zur Sache geht. Sammy ist der bauernschlaue Elder Statesman des Journalismus, für den Vor- und Umsicht die Mutter der Porzellankiste sind. Jessie ist die Anfängerin, die zum ersten Mal mit der Realität des Berufs in Kontakt gerät, wenn sie unter Beschuss gerät oder Tod und Qual mitansehen muss. Hinzu kommen verschiedene Standardsituationen: Der gemeinsame Hotelaufenthalt verschiedener Reporter, die sich in freundschaftlicher Rivalität verbunden sind und Storys miteinander austauschen. Das Aufeinandertreffen mit Leuten, die einen Dreck auf den Schutz der Presse geben. Die Momente, in denen auch die vermeintlich Abgebrühtesten dann doch Nerven zeigen. Und vor allem die zahlreichen mal absurden, meist grausamen Erlebnisse auf dem Weg.
Von letzteren gibt es einige. Eine Bürgerwehr foltert gefangene Plünderer. Redneck-Milizionäre begehen Kriegsverbrechen und haben natürlich etwas dagegen, dass Reporter Zeuge davon werden. Ein Scharfschütze nimmt jeden unter Beschuss, der seinen Weg kreuzt. Besagte Szene unterstreicht auch nur die Allgemeingültigkeit von Garlands Film. Die Reporter müssen Deckung suchen und treffen dabei ihrerseits auf ein Sniper-Spotter-Team, das den Scharfschützen ausschalten will. Joel stellt Fragen und will das Ganze einordnen: Für welche Seite kämpfen die Soldaten? Was ist passiert? Wer ist der unsichtbare Gegner? Der Spotter reagiert irritiert: Sie einfach zwei Typen, die einen Gegner ausschalten wollen, der sie wiederum töten will. Joels Fragen nach Kontext irritieren ihn nur. Das unterstreicht das Bild eines Konflikts, in dem verschiedene Parteien zwar vehement gegeneinander kämpfen, doch die Frage nach dem Warum und Wofür ist irgendwann im Laufe des Krieges verloren gegangen.

Obwohl sich die Prämisse des von Garland verfassten Drehbuchs dafür angeboten hätte, macht er keinen Actionfilm daraus. Seine Protagonisten dokumentieren nur, sie greifen selten bis gar nicht ein. Und das, was sie sehen, ist keine klassische Actionunterhaltung, trotz einiger Feuergefechte, die vor allem im Finale ziemlich eindrucksvoll werden, wenn ein Kampfhubschrauber Ziele auf den Straßen Washingtons attackiert, Panzer die Sicherheitsanlagen am Weißen Haus unter Beschuss nehmen oder sich Secret-Service-Agenten und Western-Forces-Soldaten in den Gängen des Gebäudes beharken. Das ist teilweise schon spektakulär, oft aber eher abschreckend, da Garland die hässlichen Seiten der Kampfhandlungen nie ausspart. Da scherzt Joel gerade noch mit einem Kämpfer, dessen Truppe sie gerade in ein siegreiches Gefecht begleitet haben, als dessen Kameraden wenige Meter entfernt ein paar Gefangene einfach hinrichten. Dass „Civil War“ dabei seine Wirkung entfalten kann, liegt auch an der geschickten Inszenierung Garlands, die das Publikum hinein zu holen weiß. Wenn die Protagonisten im Rückspiegel etwa ein Auto bemerken, das langsam zu ihnen aufschließt, dann kann man das Unwohlsein förmlich spüren. Wenn sie dagegen einen brennenden Wald durchqueren, besitzt dies in seiner Mischung aus Zerstörung und Poesie eine seltsame Form von Schönheit. Bei seiner Inszenierung kann sich Garland auch auf die dynamische Kameraarbeit von Rob Hardy und das phänomenale Sounddesign von Gleen Freemantle verlassen.
Doch auch das Ensemble trägt zum Gelingen bei. Im Zentrum steht Kirsten Dunst, die Lee als facettenreiche Figur anlegt: Nicht unbedingt begeistert darüber auf Jessie aufzupassen und dementsprechend schroff ihr gegenüber, dann aber doch wieder beschützend und anleitend, wenn es drauf ankommt. Außerdem versucht sie gleichgültig gegenüber den Ereignissen zu sein, doch immer scheint durch wie sehr sie von all dem Leid eigentlich aufgewühlt ist. Ihren jungen Protegé gibt Cailee Spaeny als Heißsporn; erst zaghaft, dann immer mutiger bis zum Leichtsinn, so stellt sie die Entwicklung der Nachwuchsfotographin dar. Wagner Moura und Stephen McKinley Henderson komplettieren das Quartett mit starken Performances, der Rest der Belegschaft ist meist nur in einzelnen Szenen. So beschränkt sich auch die Präsenz von Nick Offerman auf wenige Auftritte, während in einer Szene Kirsten-Dunst-Ehemann Jesse Plemons als Milizionär mit einer eiskalt-brutalen Performance Eindruck hinterlässt.

Angesichts der Prämisse von „Civil War“ mag man zu Vergleichen mit Werken wie der „The Purge“-Reihe oder „Bushwick“ aufgelegt sein, doch Alex Garland steht keine politisch aufgeladene und/oder einfach goutierbare Action im Sinn. „Civil War“ ist ein dystopisches Kriegsdrama über den Berichterstatterberuf, der hier nur in die USA verlagert wurde. Wie seine Hauptfiguren zeigt und dokumentiert er das Grauen eines (fiktiven) Krieges, der durch die spekulativ-reizvolle Prämisse an einem anderen Ort als sonst im Genre gewohnt stattfindet. Als Werk über Kriegsberichterstattung sicher nicht allzu innovativ, aber durch seine starke Inszenierung, die tollen Performances und das famose Sounddesign unheimlich immersiv.

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