„Es ist dieses Haus!“
Der kanadische Horrorbeitrag „The Witch“ ist der zweite von nur drei Spielfilmen des Regisseurs James W. Roberson („Der Riese aus den Donnerbergen“). Interessanter lesen sich da schon die Namen der Produzenten, bei denen es sich um Mario Kassar und Andrew G. Vajna handelt, die wenig später mit der Produktion der „Rambo“- und der „Terminator“-Reihe sowie weiteren großen Namen zu einem der erfolgreichsten unabhängigen Produktions-Team avancierten und immer stärker gen Blockbuster steuerten. Mit „The Witch“ alias „Superstition“ versuchten sie sich 1982 an einer eigenwilligen Mischung aus Okkult-, Haunted-House-Horror und Splatter – eine Mischkalkulation, die nicht recht aufgehen sollte.
Die örtliche Kirche möchte ein verlassenes Haus wieder herrichten, damit ein alkoholkranker Geistlicher mit seiner Familie dort einziehen kann. Doch das an einem See gelegene Gebäude hat eine blutige Geschichte und kaum, dass es renoviert werden soll, kommt es zu weiteren Todesfällen, die mit einem jahrhundertealten Hexenfluch in Zusammenhang zu stehen scheinen…
„Sie müssen anders denken!“
Im Auto knutschende Jugendliche werden das Opfer zweier gleichaltriger Streichespieler. Als diese besagtes Haus betreten, werden sich all jene bestätigt sehen, die bis heute der Mikrowellentechnik nicht ganz trauen und sich schwertun, sich ein solches Hexengerät in die Küche zu stellen: Der eine Jungspund wird von einer offenen (!) Mikrowelle an die Decke geschleudert, sein Kumpel findet (nach einer langen Suspense-Szene) schließlich dessen Kopf im Gerät, der zerplatzt wie eine reife Melone. Doch dazu, daraus seine Schlüsse für die eigene Haushaltsausstattung zu ziehen, bekommt er nur kurz Gelegenheit, denn bei seinem Fluchtversuch wird er vom Fenster halbiert und es splattert noch einmal ordentlich. Ein gelungener Einstieg aus Sicht des an expliziten Schauwerten interessierten Genrefreunds, der im Anschluss erfährt, dass bisher alle Hausverwalter ein böses Ende genommen hätten. Die beiden jüngsten Todesfälle rufen Inspector Sturgess (Albert Salmi, „Flucht vom Planet der Affen“) auf den Plan, der sich wiederum an die Kirche in Person des neuen Reverends David Thompson (James Houghton, „Purple People Eater - Der kleine Lila Menschenfresser“) wendet, welcher noch von Reverend Maier (Stacy Keach Sr., „Lies – Lügen“) eingearbeitet wird, den er in seinem Amt beerben soll. Was die Morde betrifft, verdächtigt Sturgess Arlen (Joshua Cadman, „Der Volltreffer“), den behinderten Sohn der Hausverwalterin (Carole Goldman), die er seine „Gebieterin“ nennt. Sturgess Assistent Hollister wiederum wird von irgendetwas in den See gerissen und seitdem nicht mehr gesehen, was Sturgess ebenfalls Arlen in die Schuhe schieben will. Doch erneut gelingt Arlen die Flucht vor dem Zugriff der Exekutive. Thompson eröffnet derweil Arlens Mutter, dass der alkoholkranke Reverend Leahy (Larry Pennell, „Bubba Ho-tep“) mit seiner Familie und einem Sack voll eigener Probleme in das leerstehende Spukhaus einziehen soll. Während der Renovierung des Gebäudes schließlich trifft Thompson auf ein mysteriöses kleines Mädchen, das sich als Mary (Kim Marie) vorstellt.
Diese Entwicklung der Handlung verdeutlicht bereits eines der Probleme des Drehbuchs: Mit einem Mal wird eine Vielzahl Charaktere eingeführt, die jedoch zum Teil gleich wieder um die Ecke gebracht werden. Das verwirrt alles mehr, als dass es erschreckt, doch noch ist man als Zuschauer motiviert, den Überblick zu bewahren – was manch irritierender, merkwürdiger Dialog nicht zwingend erleichtert. Zum Subgenre-Mischmasch gesellt sich in diesen Momenten auch noch so etwas wie der zarte Anflug eines Whodunit?, denn dem Zuschauer ist zwar klar, dass der tumbe, doch eigentlich friedvolle Arlen nichts mit den Toden zu tun hat, doch scheint „The Witch“ gerade auch vor dem Hintergrund dieses Filmtitels den Verdacht auf Arlens ebenfalls etwas verschrobene Mutter lenken zu wollen, die ihr Verhalten betreffend in die Nähe einer Hexe gerückt wird. Dieser Aspekt wird jedoch recht schnell wieder fallengelassen. Reverend Maier indes wird bald von einem sich verselbständigen Sägeblätt durchsägt und Leahy zieht mit Frau und gleich drei Kindern ein. Dass „The Witch“ die Konzentration des Zuschauers nicht belohnt, dürfte diesem nach und nach schmerzlich bewusst werden, denn fortan pfeift das Drehbuch auf sämtliche Logik, konstruiert eine fragwürdige Idee nach der anderen und wirkt schludrig, als wolle es irgendwie von einem gern relativ blutig inszenierten mysteriösen Todesfall zum anderen gelangen, ohne allzu viel Hirnschmalz auf das Dazwischen aufwenden zu müssen. Ein paar False Scares werden mehr schlecht als recht unterzubringen versucht; Hexenbewegungen aus Point-of-View-Perspektive erinnern an das Slasher-Subgenre, in dessen Bodycount-Regionen sich „The Witch“ auch bewegt, eine gruselige Hand, die nach den Menschen greift, kommt immer wieder zum Vorschein, doch viele nichtssagende, den Erzählfluss empfindlich hemmende, langatmige Szenen lassen den in seinem Tempo inkohärent erscheinenden Film immer wieder stocken und atmosphärisch sehr dröge wirken.
Dennoch entbehrt es nicht einer gewissen Komik, wenn in ein zweistöckiges Haus ein Fahrstuhl eingebaut werden soll oder eine Tür mittels einer Petroleumlampe weggesprengt wird. Ärgerlicher sind all die nicht weiter verfolgten Handlungselemente, die dümmlichen Dialoge und das strunzdoofe Verhalten der Protagonisten. Milde gestimmt wird man zwischenzeitlich immer wieder mit den Brutalitäten des Films; für Abwechslung sorgt außerdem die Rückblende zur Inquisition des Jahres 1692, als die „Scheußlichkeiten“ durch die Hinrichtung einer Hexe ihren Anfang nahmen. Am Ende bekommt man dann nach all den POVs und unmanikürten Händen zumindest den kompletten Umriss des Hexenmonsters zu sehen und die konsequent böse Pointe sollte nun auch nicht unbedingt auf ihren Logikgehalt hin abgeklopft werden, gefällt mir jedoch gar nicht schlecht. Aus einer gewissen Sympathie heraus würde ich „The Witch“ gern zur zumindest leicht überdurchschnittlichen Genre-Ware verklären, doch will ich ehrlich bleiben, muss ich konstatieren, dass Robersons Film mindestens genauso viel falsch wie richtig macht und damit in der Summe sowie in Disziplinen wie Schauspiel und Technik fast so etwas wie die Definition der Durchschnittlichkeit ist.