Rohkopf, nannte die deutsche Fassung das Monster aus Clive Barkers „Büchern des Blutes“. Sie leistete damit eine recht eigenwillige, weil buchstäbliche Übersetzung des Titels der Kurzgeschichte „Rawhead Rex“ und ließ nur den lateinischen Teil intakt. Warum aber auch nicht; roh waren schließlich auch die Umschreibungen des Autoren für Aussehen und Verhalten des aus der englischen Folklore entliehenen Übermenschwesens, angesiedelt irgendwo zwischen Gott und Tier, das sich zu Beginn der Handlung aus der Erde gräbt wie eine Kartoffel, der die Seele eines Monsters injiziert wurde, ihr Dasein keinem anderen Zweck verpflichtet als zu fressen, zu vernichten und urtümlichen Schrecken über das Gewürm an der Erdoberfläche zu bringen.
Derart primitives, auf die existenziellen Grundlagen des Horrors versteiftes Erzählen vertrug sich Mitte der 80er vermutlich recht gut mit dem damals geltenden Standard für ebenso primitive Monsterfilme. Vielleicht erklärt das auch, weshalb „Rawhead Rex“ die erste Verfilmung einer Geschichte aus den „Büchern des Blutes“ wurde. Bevor sich der Autor also ein Jahr später mit „Hellraiser“ ein Maximum an kreativer Kontrolle sicherte, unter anderem durch die Beanspruchung des Regiestuhls, zahlt er hier noch Lehrgeld als unmündiger Drehbuchautor, der für diese frühe Visualisierung seiner Gedankenwelt unübersehbare Eingeständnisse machen muss, grundsätzliche Kompatibilität zum zeitgenössischen Monsterkino hin oder her.
Als merkwürdiger Zwitter zwischen individuellem Autorenwerk und generischem Allerlei, gleichermaßen beflügelt von Barkers morbider Fantasie wie eingeschränkt durch die technischen Mittel eines niedrig budgetierten Creature Features, genießt „Rawhead Rex“ heute einen eigentümlichen Sonderstatus. Es bleibt nämlich nicht ganz ohne Reiz, zu beobachten, wie das eine an dem anderen zerschellt. Zumal Barker einer von diesen Autoren King’scher Zunft ist, deren Handschrift einfach zu markant ist, dass man sie nicht selbst aus dem niedersten Unrat unheiligen Videotheken-Restmülls herauslesen würde. Gedreht immerhin in County Wicklow, Irland, wenn das englische Kent aus dem Buch schon nicht zur Verfügung stand, gehören die genutzten Locations sicherlich zu den Stärken des Films, auch wenn sie mit den sommerlichen Bedingungen der Vorlage nicht viel zu tun haben.
Das Dorf wirkt fast wie ein Vorläufer von Hobb’s End aus John Carpenters „Die Mächte des Wahnsinns“ (1994), inklusive der Kirche, die sich gefühlt als unterirdisches Geäst durch den gesamten Ort erstreckt, indem sie die keltische Mythologie effektiv mit dem Monstrum aus der Erde verknüpft, das als Portrait in einem der Buntglasfenster unheilvoll seine Schatten voraus wirft. Etliche Low-Angle-Shots weisen zudem immer wieder auf den herben Küstenhimmel in seiner ganzen türkisgrauen Pracht und fangen dabei eine wolkenverhangene Atmosphäre wie vor einem Gewitter ein. Zu stimmungsvoll eigentlich für einen billigen Fantasy-Horror-Heuler, der von Anfang an verhieß, bloß einer von vielen zu sein… ein wenig eilt sie doch schon voraus, diese herbe „Hellraiser“-Note, die bald darauf die Welt das Fürchten lehren würde.
Während jedoch der Anblick der Cenobiten dank ihrer überzeugenden Masken selbst heute noch Schaudern verursachen kann, ist es in „Rawhead Rex“ vorbei mit der Anspannung, sobald der frisch auferstandene Ackerfeldkönig sein Antlitz offenbart. Spätestens im Schuppen der Nicholsons, in dem das Monster vorübergehend Unterschlupf findet, hilft kein Versteckspiel durch Schnitt und Beleuchtung mehr. Da steht er nun in all seiner steifen Latex-Pracht, brüllt seinen in die Gummifalten geschnitzten Schrei und leuchtet dabei mit seiner roten Iris wie der Teufel auf der Kirmes.
Einer hydraulischen Puppe vom Jahrmarkt tatsächlich nicht unähnlich, poltert das haarige Ungetüm dementsprechend zumeist wie ein Rammbock durch die Kulisse, immer auf der Suche nach der nächsten Tür, dem nächsten Fenster oder der nächsten Wand, die eingerissen werden kann. Unter der Maske schwitzt sich ein gewisser Heinrich von Bünau ab, im Abspann Heinrich von Schellendorf genannt, ein deutscher Hüne von über zwei Metern Körpergröße, der zwar nie an einem anderen Film mitgewirkt hat, sich aber dank dieses Films in einer Tradition mit legendären Masken-Darstellern wie Kevin Peter Hall („Predator“), Bolaji Badejo („Alien“) oder Kane Hodder („Freitag, der 13.“) fühlen darf. Zumindest Silhouette, Grundzüge und Körperhaltung darf er prägen, der Rest wird vom massig wirkenden Kostüm erledigt, das irgendwo zwischen Gene Simmons (KISS) und dem Comic-Kopfgeldjäger Lobo angesiedelt ist, womit es unterschwellig den damals so populären Hard Rock reflektiert, auch wenn der musikalisch sonst keinerlei Einfluss auf die Handlung ausübt.
So plump die wächserne Maske des Monsters letztlich geraten ist, so spannend ist es doch zu sehen, welche Rückschlüsse die Maskenbildner und Effektleute aus den Beschreibungen Barkers gezogen haben, die ganz bewusst auf Details reduziert waren und nur bedingt ein schlüssiges Gesamtbild erlaubten; zu bizarr waren wohl die Proportionen, die dabei herauskamen, ein praktisches Problem, mit dem das Produktionsteam zu kämpfen hatte. Letztlich scheitern sie genau daran, obgleich es sich rückblickend um ein spannendes Scheitern handelt. Hier mal eine ausfahrbare Kralle, dort ein Haarbüschel, ein Maul im Maul wie bei „Alien“, alles garniert mit den verschobenen Proportionen der weltberühmten Transformationssequenz von „American Werewolf in London“, und siehe da: Outsiderkunst, in ihrem Versagen so faszinierend wie zehn von Meisterhand angefertigte Stillleben nicht.
Es ist dann vielleicht auch die Dramaturgie, mit der Barker als Autor noch mehr gehadert haben dürfte als mit dem Creature Design. Nutzt die Vorlage einen konsequent linearen Aufbau, der das Monster von einem Buffet zum nächsten befördert, stets garniert mit den seltsam menschlichen Gedankenmonologen des Monsters, das eher prosaisch als poetisch über die Zartheit von Kinderfleisch reflektiert, sieht sich der Film zwecks Umsetzung der obligatorischen Gut-gegen-Böse-Konstellation einer verzweifelten Suche nach einem Protagonisten ausgesetzt, der dem Unhold Einhalt gebieten kann. Gefunden ist er am Ende in Familienvater Howard Hallenbeck, der nur vage an den Protagonisten aus der Vorlage angeleht ist. Dem Rohkopf stellt er sich nicht etwa in glänzender Rüstung, sondern in einem unförmigen Baumwoll-Cardigan. Am Coolness-Faktor mag das Outfit sägen, es hilft aber, David Dukes in der Hauptrolle als sympathischen Schluffi zu akzeptieren, der auch ein ums andere Mal mit den verbohrten Ansichten der Einheimischen aneckt, insbesondere mit dem Priester Declan O’Brien, herrlich verschroben gespielt von Ronan Wilmot, der zweifellos zu den Highlights des Films gehört.
Viele der sonstigen Nebenfiguren schauen nur episodenweise vorbei, dahingehend besteht durchaus eine gewisse Werkstreue. Die Versuchung war aber wohl zu groß, allerhand Standards in das Normalo-gegen-die-Mächte-des-Bösen-Konstrukt zu integrieren, selbst wenn sie nicht viel Sinn ergeben. So wurde unter anderem eine „Baby, hab dich nicht so“-Sequenz zwischen zwei Teenagern in einem Wald ins Skript geschrieben, obwohl die Anlage des Stoffs kaum weiter von der damals brodelnden Slasherwelle hätte entfernt sein können (zwei Monate vor Start von „Rawhead Rex“ lief „Freitag der 13. Teil VI – Jason lebt“ in den Kinos), auch sonst entspricht das Handeln aller Beteiligten zu auffällig vorgefertigten Schemata, wodurch interessante, individuell ausgearbeitete Charaktere Mangelware bleiben.
Gelegentlich wagt sich George Pavlou aber doch an die Ungeheuerlichkeiten aus der Vorlage, ohne natürlich die ganz grafischen Kaliber aufzufahren. Kinder sollten sich aber nicht zu sicher fühlen, den Film zu überleben, und Priester sollten damit rechnen, einen heißen Strahl Monsterpisse abzubekommen, wenn sie zu lange an derselben Stelle hocken. Ausgerechnet der einzige Aspekt, der für ein wenig Tiefe in der Kurzgeschichte sorgte, das Monster als virile Antithese zur weiblichen Fruchtbarkeit nämlich, bleibt aber unterentwickelt. Lesen konnte man „Rawhead Rex“ als Zeugnis maskuliner Potenz im Sinne einer zerstörerischen Kraft, geknüpft an die männliche Furcht vor der (weiblich konnotierten) Erschaffung, verblieben ist davon in der Verfilmung kaum mehr als eine kurze Szene, in der eine Frau verschont wird, weil sie schwanger ist, wobei man aus der Reaktion Rawheads ohne Hintergrund nicht ablesen kann, warum er so handelt, wie er handelt.
„Rawhead Rex“ scheitert oberflächlich betrachtet zweifellos an seinem niedrigen Budget; wie könnte man über diese starre Halloweenmaske, die uns da als Creature Makeup verkauft wird, auch hinwegsehen? Nicht erst im HD-Zeitalter fällt da jegliche Illusion in sich zusammen, was vor allem aufgrund der stark inszenierten Atmosphäre in den ersten Minuten einem kritischen Schuss in den Bug gleicht. Die Produktion im Ganzen scheint es allerdings locker zu nehmen und öffnet sich irgendwann auch bereitwillig humoristischen Einflüssen, die Barker als Regisseur seinem „Hellraiser“-Stoff später komplett verwehren würde. Der größte Pferdefuß von „Rawhead Rex“ ist aber seine Narration: Zu konventionell, was die Verknüpfung der Plotlines angeht, zu inkonsequent in Bezug auf die ausgespielten Härten, dazu in der Flanke offen wie ein Scheunentor für Angriffe von böswilligen Kritikern, die seinerzeit nicht selten ein grundsätzliches Problem mit der primitiveren Sorte Horror hatten. Primitiv muss aber nicht zwingend oberflächlich sein, wie Barker mit seinen „Büchern des Blutes“ bewiesen hatte. Den entsprechenden filmischen Beweis blieb er noch ein weiteres Jahr schuldig, als die Box der Pandora endlich entfesselt werden konnte.