---{«In liebevollen Andenken an die Frederike, 2014-2023»}---
Oft geschmäht und verschmäht wegen ihren (vermeintlich oder tatsächlich, je nach Ansicht) formelhaften Polizeiserien hat TVB im Jahre 2022 bis in den September und damit das dritte Quartal hinein nur Against Darkness als Vertreter auserkoren und geboten; wenn man von der zuvor bereits im Mutterland China in Streaminganbietern ausgestrahlten Co-Produktion Flyjng Tigers 3 absieht, die sich allerdings auch eher als militaristische Actionware im Milieu von Spezialeinheiten versteht und so geriert. Die hier ursprünglich als Guardian of the Dark Night von Stephen Tsui produzierte Serie hat dabei (trotz leisen Marketing) seine Aufmerksamkeit vor allem durch die Besetzung von Ruco Chan erzeugt; Chan war das Vorjahr mit (dem länger hinausgezögerten) Sinister Beings der Publikumsliebling, zu einer Zeit im Übrigen, die für Liebhaber des Genres mehr geboten hat und mindestens zwei weitere mediale Kollegen noch mit:
Die allein den heranwachsenden Ho Chi-tsun aufziehende Polizistin Fong Chi-kiu [ Alice Chan ] bekommt prrivat Unterstützung durch ihren aber oft in Shanghai auf Geschäftsreisen abwesenden Freund William Lam Wai-lun [ Andrew Yuen ], und beruflich durch ihren neuen Kollegen Ko Fai [ Ruco Chan ], der als ehemaliger Undercover bei Ermittlungen von den früheren 'Kollegen' der Unterwelt ungern gesehen wird. Dazu gehört auch Law Wai [ Johnson Lee ], CEO von Wai Ming International Asset Management, der jetzt eine Art Geldeintreiberfirma und dazu ständig seine rechte Hand 'Pickaxe' Fan Kam-leung [ Ken Law ], einen stabilen Muskelprrotz mit sich führt. Law Wai hält sich aufgrund seiner früheren Freundin Ada Lo Sin-man [ Sharon Chan ] und dessen Tochter Lo Siu-po [ Kaman Kong ] vermehrt in deren Restaurant auf, in dem auch der ehemalige Gangster Ching Kowk-biu [ Li Shing-cheong ] als Kellner tätig ist, aber zunehmend wieder rückfällig wird und in die allgemeinen Drogengeschäfte der Gegend rutscht. Angetrieben wird das Milieu von dem aufsteigenden Lau Lok-kei a.k.a. Rocky Kid [ Penny Chan ], der wie sein Kurier Kwok Ming-sun a.k.a. Brother Knockoff [ Kevin Tong ] dafür sorgt, dass auch schon junge Menschen an die Sucht herangeführt werden; als ein minderjähriges Mädchen eines Morgens tot in der Seitenstraße und zusätzlich vergewaltigt vorgefunden wird, setzt Madam Yeung Chuk-lan [ Stephanie Che ] ihre Polizisten auf die rasch brenzlige Situation an.
Die Metropole von oben und von unten, Gewusel, Massen von Menschen, dicht an dicht gedrängt, mit Absicht draußen auf den Straßen, in Feierlaune und zur Unterhaltung, auf der Suche nach Ablenkung, nach Spaß und manche auch nach einem Partner (für jetzt gleich oder doch fürs Leben). Lan Kwai Fong der Schauplatz und der Tatort, getrunken wird, gelacht, gestorben. Einen düsteren Ton mit schlechten Nachrichten und ebensolchen Perspektiven schlägt die Serie von Beginn an, die Gesellschaft ist angespannt und zerstritten, Männer und Frauen, Eltern und Kinder, Partner und Kollegen im Beruf, der Alltag ist trübe und ein Kampf, selten fühlt man sich aufgehoben oder verstanden. Die Älteren sind müde und abgestumpft, die Jüngeren lassen sich nichts sagen. Mit einem Mikroskop wird die Szenerie hier eingefangen und betrachtet, als Kaleidoskop aufgezogen und als Sittenbild erachtet. Zwei Polizisten kreuzen die Gegend, unabhängig voneinander, zusammengehörig später.
Die ersten Minuten sind für eine Produktion des Senders erstaunlich stimmig und fokussiert, es wird vermehrt Interaktion geboten, aber mit einem zentralen Thema, der Chronik eines angekündigten Todes, was jetzt noch keiner der Beteiligten weiß, sich aber bereits dräuend durch die Bilder und die Worte, die Taten und die Begegnungen bricht. Ein volles Programm im kleinen Raum, mit ernstem Hintergrund und ebensolcher Behandlung, könnte auch die Eröffnung für einen filmischen Crime und ein Werk außerhalb der kleinen Mattscheibe sein. Die Leiche wird im Morgengrauen gefunden, im strömenden Regen, überhaupt fühlt man sich klamm und kalt an, die Wohnungen sind etwas weniger heimelig als sonst, die Optik wirkt blau metallisch, die Farben leicht gedämpft, das gesamte Umfeld trüber. Inszeniert wird verhältnismäßig mit Bedacht und Sorgfalt, man traut dem Zuschauer auch eigene Schlüsse zu und erzählt nicht alles erneut (über sonst oft vorhandene Rückblenden gerade gezeigter Szenen) und auch nicht doppelt und dreifach und wiederkäuend. Die Handlung wirkt stringent, die Schritte (der Ermittlungen) klein und logisch, hinten raus gibt's gesteigerte Dramatik, für Action ist da kein Platz mehr frei.
Auch Folge 2 arbeitet mit 'Enttäuschungen', das Privatleben zu knapp, nicht für alle Seiten zufriedenstellend, selbst mit dem Bemühen darum nicht; etwas stört immer, der Beruf, die Umstände, ein weiteres Familienmitglied, eine Patchwork-Familie etc. Probleme werden gesehen, Lösungen angeboten, die täten aber einiges erfordern und stehen derzeit nicht zur Debatte, es wird sich weiter abgestrampelt, niemand ist nun richtig glücklich. Getragen wird die Serie nur von zwei Hauptpersonen, Ruco Chan macht auch erfreuliche, d.h. das Publikum unterhaltende Produktionen, Alice Chan gilt als eher ernste Person, sie ist hier auch die Führung, was die Dramaturgie und den Ton der Serie betrifft und deutlich beeinflusst, ähnlich düster wirkte zuvor vielleicht noch Murder Diary, welches als zumindest bei der Fernsehausstrahlung lokal als niederschmetternder Flop galt, trotz wesentlich mehr Bemühen um eine Starbesetzung. Against Darkness landet in der Endabrechnung der Jahresbestenliste bezüglich der Zuschauer auch nur auf Platz 10, mit einem durchschnittlichen Rating von 18.9; Sinister Beings im Vorjahr als Police Procedural hatte 27 Punkte, das auch nicht gerade als Crowd Pleaser angesetzte Secret Door (2023, ebenfalls mit Ruco Chan) verzeichnete vergleichsweise stolze 22.3.
Der hier gezeigte Zusammenhalt wenigstens einiger Personen ist dabei eine Art Rückversicherung, zuweilen springt man füreinander ein, gerade in brenzligen Situationen, während Bilder vom Leben in der Stadt eher viele Einzelgänger zeigen, Menschen allein auf den Straßen, manche haben wenigstens ein Haustier anbei und als Begleiter und Freund. Die weiteren Ermittlungen in dem Mordfall führen aufgrund einer Kreditkartenangabe zu einem hohen Tier in der Versicherung, zu Online-Dating und Prostitution, mit einem größeren Altersunterschied; alles nichts Illegales, vielleicht moralisch verwerflich und in diesem einen Fall auch tödlich. Eine Zusammenarbeit mit dem Narcotics Bureau wird hier ebenso angestrebt wie auch ein weiterer Nebenplot, mit einem erhöhten Schuldenbetrag bei Kredithaien und der entsprechenden 'Nachforderung' angeleiert; was zu einer dort körperlichen Auseinandersetzung führt, und als Cliffhanger noch ein schiefgegangener Drogendeal in To Kwa Wan (und in Episode 3 zu Beginn der Weg dahin) eingeworfen wird.
Das Spiel mit Lücken und Füllen der Chronologie, mit Wahrheiten, Halbwahrheiten, Vorstellungen und Verwirrungen wird in der Episode 3 selber weiter gesponnen, eine kurze Verfolgung des dort Verdächtigen endet erfolglos, eröffnet aber weitere narrative Türen und funktioniert wie eine Art Prequel, ein Prolog zur Episode 1, eine längere Rückblende. Zusätzlich zu bereits erwähnten Nöten kommt hier Kinderarmut, hohe Wohn- und Lebenskosten, Gruppenzwang in der Schule, teilweise eine 'abgebrühte' Frühreife aufgrund der Umstände, eine Apathie der Eltern oder zu viel Fürsorge, sprich Helikopter-Eltern, oder wie hier oft gesehen auch eine Alleinerziehung, die nicht ausreichend bzw. nicht in dem erhofften oder gewünschten Maße funktioniert. Zudem geht man inhaltlich mehrfach in die Triadenauswüchse, unterschiedliche Gruppierungen, unterschiedliche Ränge, eine Rückkehr vom ehemaligen Undercover Ko Fai zurück an den Ort, wo er sich einst einen Namen unter falscher Identität gemacht hat, nun aber bloß noch wie ein "toter Hund" behandelt wird.
Auch in Folge 4 scheint die Stadt bzw. einige Viertel wie als No-Go Area, als Gefahrenzone, nicht nur am Tag, aber vor allem in der Nacht. Eine vergnügungssüchtige Apokalypse als Abendprogramm, in der Ausgestaltung ein wenig wie Sinister Beings in der dunklen Variante, d.h. mit mehreren einzelnen Fällen, aber einem großen Ganzen. Dort äußerte man vor der Ausstrahlung Besorgnis aufgrund des dunklen Tones, was letztlich nicht wirklich gegeben war und im Vergleich zu Against Darkness wie ein buntes Panoptikum mit viel unterschiedlichem persönlichen Zusammenhalt auch wirkte; etwas, das hier selten spürbar, dann aber zumindest intensiv auch ist. Die Verbindung zwischen Polizei und dem Gangland ist ebenfalls relativ fließend und dennoch gleichzeitig strikt abgegrenzt, ein grau-grünes Areal mit vielen Zwischentönen.
In Folge 5 wird ein weiterer Verdächtiger nach einem Trick zur Flucht verleitet und dabei festgenommen; die Tatnacht erneut rekapituliert, aus anderer und noch nicht vollendeter Sichtweise, es wird und wird nicht besser mit der Gesellschaft, die hier gezeichnet wird und porträtiert. Ein unglückseliger Zufall führt zum nächsten, niemand ist zur Hilfe dabei, zwei, drei Fehltritte innerhalb weniger Minuten oder Stunden und das Leben ist ausgezählt. Zudem wird ein neuer Plot entwickelt, mit einer Simulations-ähnlichen Kampfarena, ein in der Testphase befindliches Computerspiel namens "Chill Town", welches schnell in die Aufmerksamkeit vom minderjährigen Sohn der Polizistin rückt, und damit auch dem Spieleentwickler, verkörpert von Brian Tse rückt.
In Folge 6 wird sich vermehrt auf das Drogengeschäft hinter dem 'Einzelfall' konzentriert, von mehreren Seiten auch, wobei hier die Wahl der Schauspieler auf meist noch jüngere Darsteller und insgesamt auch ein Ansprechen der Serie eines jüngeren Klientel, trotz oder wegen der düsteren Dramaturgie und den zwei bis drei gestandenen Hauptdarstellern (alle Mitte 40) auffällig ist. Zusätzlich geht es viel um die 'elektronische Welt', ums Vlogging, um Social Media allgemein, um Apps, Beschränkungen oder Erweiterungen von Kontaktmöglichkeiten, um Gaming, um den E-Sport Sector, um das 'Darkweb' etc.; das Genre Crime wird mit einer fußläufigen Verfolgungsjagd eines Dealers bedient, was spätestens ab Folge 7 auch zunehmend eine Überschneidung der Konflikte beruflich/privat und damit auch Erziehungsberechtigte/Heranwachsende mit sich bringt.
Folge 8 hat wieder die Nachteulen im Visier, viele einsame Kreaturen und Kreative, die ihre eigenen Wege und dies auch ungeachtet der Mitmenschen um sie herum gehen; "This World doesn't work as you wish." Viele Polizeirazzien wirbeln das schmutzige Wasser auf, die Wände haben Ohren, die Szenen werden lauter, die Aktionen aggressiver. Die Nebenspieler werden wieder mehr in Augenschein genommen, die Zwischenhändler und die Hinterleute, die Ausgestiegenen, die Gebliebenen, die neu Aufsteigenden und die Alteingesessenen, was spätestens in Folge 9 erneut als ein Netz von Impulsiv- und/oder Fehlentscheidungen inklusive einer Entführung, vorher einem Angriff mit dem Wagen und der Unterstützung eines flüchtigen Verbrechers und dies eigentlich wider besseres Wissen herausstellt. Und einem Todesfall in Tseng Lan Shue, Sai Kung, mit einer entsprechenden Mordermittlung.
Die zweite Hälfte der Geschichte, die aufgrund ihrer vielen engen Zusammenhänge als kleine große Erzählung durchaus etwas anderes als das übliche Programmschema, wie ein ausgedehnter Polizeifilm in mehreren Akten ist, startet dann auch mit dem Anlocken eines mutmaßlichen zweiten bzw. tatsächliches Täters, eine schiefgegangene Festnahme, eine Verfolgung per Auto, die zu einem verheerenden Unfall dann führt. Zudem wird einer der Nebenfiguren aus seinem bisherigen soliden Leben nach vorheriger krimineller Karriere wieder zurück in die Illegalität gelockt, aufgrund der dort erweiterten Möglichkeiten, des schnelles Geldes quasi, was verzückt; darstellerisch sind sowohl die führenden Schauspieler als auch die unterstützenden allesamt etwas reduziert, aber nicht im negativen Sinne, sie spielen ihre jeweiligen Rollen im kleinen dramatischen Rahmen vielmehr sehr beständig und somit sicher.
Diesbezüglich ist auch die gesamte Geschichte eher mit kleinen, sich langsam ankündigenden Veränderungen gestrickt statt der schnellen Hektik, es ist keine Actionserie, es sind viele kleine Bausteine, die eng miteinander verwoben sind und sich aufgrund allgemeiner Nähe gegenseitig ergänzen oder wegdrücken, je nachdem. Man wildert oft im eigenen Hinterhof, Loyalität und Verrat sind eng zueinander, die Wege kreuzen sich alltäglich, gerade in Episode 13 (und 16) kulminiert es da zu einigen unliebsamen Wahrheiten, Entscheidungen und insgesamt hochkomplexen Situationen. In Folge 15 kommt es zur versuchten Beseitigung eines Mitwisser und polizeilich Gesuchten durch die ehemaligen Kameraden, die erste Aktionszene seit längerem, dazu ein 'Selbstmord', zumindest auf den ersten Blick, und was sich ebenso vom beruflichen bald in das Privatleben mit hinein drückt und dies 'verseucht'; ein gleichbleibender Minimalismus der Serie optisch, inhaltlich stramm und konsequent durchdacht, auch wenn mancherlei Wendungen zumindest gängigen Zuschauerkreisen von vornherein erwartbar scheinen, damit aber auch gespielt und zuweilen auch genarrt wird. Folge 18 gibt's mehrere Situationen um Leben und Tod, ein Ablenkungsmanöver, welches einen Truck in einen Baustelle lenkt, ein Überfall im Hier und Heute und die Erinnerung an einen geplanten Triadenangriff zur Geburtstagsfeier der Kinder.