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Trotz vieler erfolgsversprechender Aussichten, zwei Stars in der Hauptrolle, die zu dem entsprechenden Zeitpunkt und aktuell auch in der Volksrepublik China populär und gefragt sind, einem Thema (dem Kampf der Independent Commission Against Corruption), welches zuvor in der zeitgenössischen Storm - Saga von Z Storm bis G Storm (2014 - 2021, mit Louis Koo) für kontinuierlich steigende Einspielergebnisse vor Ort gesorgt hat, und einem Regisseur, dessen Vorgänger Port of Call (2015) für Lobsprechungen zumindest auch der Kritiker gesorgt hat, entpuppt sich Where the Wind Blows im Nachhinein als erstaunlich laues Lüftchen. Nicht bloß, dass man die angesetzte Premiere April 2021 nur wenige Stunden zuvor aufgrund "technischer Schwierigkeiten" absagen musste, was im Umkehrschluss die Vermutung nahelegt, dass seitens der VRC die Zensur eingegriffen hat und man Änderungen vornehmen musste, also das Werk schwächen musste, beim eigentlichen Starttermin (nach einem Festivalstart August 2022) fast zwei Jahre später (Februar 2023) ist man vor weitgehend leeren Zuschauerrängen gelaufen, und dies sowohl im kommerziell wichtigen chinesischen Markt, als auch in der 'Heimat' Hong Kong. Selbst die Veröffentlichung auf Heimmedien wurde weitgehend ignoriert; das später in Angriff genommene Konkurrenzprodukt Once Upon a Time in Hong Kong (2021), was nicht bloß die Idee, sondern auch das Publikum geklaut hat, ist bislang noch gar nicht auf DVD oder BR erschienen, und hat trotzdem mehr Gespräch abbekommen, von einem Chasing the Dragon (2017) ganz zu schweigen:

Chief Detective Staff Sergeant Lui Lok [ Aaron Kwok ] hat sich einen Namen als Polizist (der Royal Hong Kong Police Force) gemacht, der die Triaden um den aufstrebenden Kwok Siu-hong [ Ron Ng ] oder den berüchtigen Ng Cheuk-ho [ Tse Kwan-ho ] kontrollieren und dabei gleichzeitig diese begünstigen als auch die Polizeikollegen bereichern will; jeder soll etwas vom 'Kuchen' der Geschäfte abhaben. Sein in der Hinsicht durchaus verbündeter, aber die ganze Angelegenheit besonnener angehender Bekannter Nam Kong, ebenfalls Chief Detective Staff Sergeant, unterstützt ihn dabei anfänglich, auch mithilfe der ebenfalls beteiligten Detective Staff Sergeant Fat-Bee [ Michael Chow ] und Detective Staff Sergeant Yim Hung [ Patrick Tam ], die allerdings beide später in unterschiedliche Richtungen ausweichen. Lui Lok, der anfänglich auch noch vermehrt auf seine Frau Choi Chan [ Du Juan ] zählen kann, die die 'Drecksarbeit' hinter den Kulissen erledigt, muss sich spätestens mit der Gründung der Independent Commission Against Corruption (ICAC) und dem Auftritt von Principal Investigator George Lee [ Michael Hui ] fragen, welchen Weg er einschlagen will. Und wie er überhaupt in diese zunehmend brenzlige Lage gekommen ist.

Gestemmt hauptsächlich von Mei Ah Film Production Company Limited, im Verbund natürlich mit dem Ableger Mei Ah Media (Beijing) Limited, eine Geschichte über drei Dekaden, "We're the storytellers. We're part of the story." Beginnen tut man von vorne, von Anbeginn an, aber aus der Rücksicht, man beobachtet sich selber. Von der Polizeischule zu dem wahren Leben, der Transfer Theorie in die Praxis, das Erlernen und das Anpassen an anderen Bedingungen, die Wahrnehmungen wechseln ab, die Beobachtungen, die Zeiten und die Menschen verändern sich. Begonnen wird im blassen schwarz-weiß, im 4:3, man meint reale Aufnahmen zu Gesicht zu bekommen, eine alte Reportage, Stock footage aus einer Serie, es wird aber nachgestellt und rekapituliert, es wird sich um Zeitkolorit bemüht, dann wird nach vorn marschiert. Es wird auch mit der Verwendung historischer Bilder gearbeitet, später, erst wird die Kulisse dafür geschaffen, das Umfeld, die frühen Siebziger. In der Ausstattung reich, in der Wahl der Darsteller zuweilen ungewöhnlich, nicht die beiden Leads, aber die Umgebung, ihre Mitspieler, ihre Gegenüber. Der Aufenthalt in der Polizeiakademie ist klein, wie abgeschnitten wirkend, wie ratifiziert, es geht binnen Minuten bereits in das Leben als Polizist rein, es werden zwei Dialoge geboten (u.a. "Sir! Who makes the rules?" - "Someone not you."), auf die noch zurückzukommen sein.

Die ICAC wurde geschaffen, sie wurde institutionalisiert, sie soll die Korruption in Angriff nehmen, sie richtet sich auch gegen die Briten, sie richtet sich aber auch gegen die 'eigenen' Männer. Ein Gespräch findet statt, erst Small Talk, ein Abtasten, mit einigen Versprechungen und einigen Andeutungen, es finden Gespräche ohne Worte statt, es werden Montagen eingeschoben, es werden Nachrichten durchblättert. Eine Mischung aus Fakt und Fiktion, eine visuelle Anpassung an die tatsächlichen Begebenheiten, ein Aufwand in der Illustration, ein Porträt einer Gesellschaft und einer Organisation. Elegisch und voller Hoffnung trotz der Ereignisse scheint der Beginn des Filmes, eine Wahl wird dort noch bereithalten, mehrere Optionen geboten, wie man das Leben lebt und die Zukunft weitergeht; später ist nur eine Tür noch offen.

Draußen in der Welt wird Krieg geführt, in seinem eigenen Mikrokosmos auch, im Inneren selbst, ein Zwiespalt zwischen dem, was einst war und dem, wozu man geworden ist. Der Weg dahin wird bebildert, Interpretationen eingeschoben, die Siebziger sind erst das Ende der Geschichte, starten tut man mit dem Einstieg in den Zweiten Weltkrieg, der Fall von HK, die Wirren der Besatzung unter fremden Mächten, die Chronologie geht mal voran und mal zurück, die Erinnerungen mal klarer und mal trüber. Circa 145min Zeit nimmt sich der Film für seine Erzählung, der zuvor angelaufene Once Upon a Time in Hongkong über eine halbe Stunde weniger, dort als Panoptikum, als Kintopp, als Matinee im Kostüm, hier mit Bereitschaft des Konkreten, der Ausuferung, des Epos in allen Belangen und Bereichen, dem Verzicht auf das bunte unterhaltsame Treiben, der reinen Unterhaltungsform. Worauf man nicht verzichtet, sind Massenszenen, auch gibt es einige Aktion, die Stürmung eines Gangsterverstecks durch einen einzigen Mann, einen gelernten Scharfschützen, im letzten Drittel einige Schusswechsel mit den Triaden, es gibt eine Geschichtsstunde und es gibt die Nachahmung dessen, einen Einblick in die Belange der Hak Sek Wui, und eine Zivilisation voller Verlockungen und Bedrohungen, voller Angebote und mit scheinbar dem Recht des Stärkeren. Große Feste und abendliche Gala werden abgehalten, man geht auf Pomp und Popanz, auf Prunk und Protz, man möchte beeindrucken und Eindruck schinden, von den Figuren und vom Film, man versucht sich weniger am Krimidrama, mehr als Sittenbild. Man blickt auf den alten Hollywoodfilm, ob man "sich für Gregory Peck hält", wird einer der Hauptdarsteller mal gefragt, es gibt Blumen en masse für die auserkorene Herzensdame, es gibt Tanzen im Schnee und im Regen.

Politischer wird es im Oktober 1956, die 'Double Ten' Unruhen in Augenschein genommen, die Auseinandersetzungen zwischen Lagern der Pro-Kuomintang und der Pro-KPCh, was infolgedessen zur gewalttätigen Niederschlagung der Proteste und der Schwächung des Einflusses der Republik China führte; ein glattes und dünnes Eis hier, was der Film betritt und wo er möglicherweise auch ins Straucheln kam und ausgerutscht ist. Ein kurzer Abriss ist und bleibt das nur, ein Ausschnitt, ein weiterer Schritt auf der Karriereleiter, die Inszenierung zwar dicht dran an den Figuren, viele Zeitlupe, viele Verzögerungen, stets in Bewegubg, aber seltsam außerhalb des Fokus wirkend. "The scene was pathetic, absurd." heißt es einmal zwischendurch, es gelingen viele Szenen auf diese eine Art und Weise, es wirkt aber mehr wie ein Puzzle, mit Kwok im Vordergrund, aber auch als Schwachpunkt, und mit Leung als Ergänzung und Unterstützung bloß. "The events of that day were like some strange play rehearsal." Was neu hier ist zu allen anderen Biografien (um den Lee Rock Zweiteiler, First ShotPowerful Four, Man of the Times, Arrest the Restless oder auch To Be Numer One der frühen Neunziger, die vermehrt Wert auch auf die Geschichte von Ng Sik-ho a.k.a. Crippled Ho a.ka. Limpy Ho legen, welche hier eher im nebenbei abgewirtschaftet wird), wie exakt sie nun waren und wie die Betonung, welche Ausrichtung man gewählt hat und welche Ausdehnung: Hier sind die Frauen in der Geschichte mit entscheidend und nicht nur Beiwerk oder gar nicht vorhanden, sondern nahezu gleichberechtigt und mit die Geschehnisse bestimmend und entscheidend.






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