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"Arizona Colt" war für Regisseur Michele Lupo nicht nur sein erster Beitrag zum Italowestern-Genre, sondern auch der Beginn einer lang anhaltenden Zusammenarbeit mit seinem Hauptdarsteller Giuliano Gemma (bis "California" (Der Mann aus Virginia, 1977)) , bevor er ab 1978 mit "Lo chiamavano Bulldozer" (Sie nannten ihn Mücke) zum Hausregisseur für Bud Spencer wurde. Gemma selbst hatte schon Erfahrung als Westernheld, denn seit "Adios Gringo" (1965) von Giorgio Stegani entwickelte er sich zu einem führenden Darsteller des Genres.

Das wirkt ein wenig überraschend, angesichts seiner glattgesichtigen Erscheinung, die eher an Mamis Liebling erinnert, als an einen verwegenen Revolverhelden, aber damit lag Gemma durchaus auf der Linie anderer gut aussehender Helden des Italowestern wie Clint Eastwood oder Franco Nero. Aus heutiger Sicht wirken die Tabuverletzungen des Genres selbstverständlich, aber während seiner Entstehungszeit Anfang/Mitte der 60er Jahre, galten noch deutlich strengere moralische Regeln, die mit Bedacht gebrochen werden mussten. So adrett der Kopfgeldjäger Arizona Colt (Giuliano Gemma) auch aus dem Gefängnis tritt, nach dem die Bande von Torrez Gordo Watch (Fernando Sancho) dieses überfallen und die Inhaftierten befreit hatte, um neue Mitglieder zu rekrutieren, so notwendig war sein angenehmes Äußeres, um seinen Charakter als Identifikationsfigur gegen den Strich bürsten zu können.

Sehr schön werden die damaligen Normen an der deutschen Fassung sichtbar, die 1967 erheblich geschnitten in die Kinos kam. Die Kürzungen betreffen dabei deutlich weniger die Brutalitäten, für die fast ausschließlich Gangsterboss Watch zuständig ist, als Arizonas privaten Umgang mit der blonden Jane (Corinne Marchand). Das diese in seinen Fokus gerät und nicht ihre sehr hübsche Schwester Dolores (Rosalba Neri), basierte auf einer Grundregel, die auch im Italowestern nicht gebrochen werden durfte. Mit ihrem südländischen Aussehen und den dunklen Haaren übernahm Dolores im Gegensatz zu ihrer jungfräulichen Schwester den promiskuitiven Part, was folgerichtig zu ihrem baldigen Tod führt. Als sie gegen Bezahlung mit dem finsteren Kay (Nello Pazzafini) im Heu landet, erkennt sie zufällig das Zeichen der Schlange an dessen Arm - und damit die Zugehörigkeit zur Bande von Watch, für den er in der Stadt die Sicherheitsvorkehrungen der ortsansässigen Bank auskundschaften soll.

Um den Mörder seiner Tochter nicht entkommen zu lassen, beauftragt deren Vater Arizona, diesen Dingfest zu machen, wozu er sich gerne bereit erklärt - gegen angemessene Zahlung natürlich. Da ihm die avisierten 500 Dollar zu wenig sind, verlangt er als Bonus eine Nacht mit der blonden Jane. Was heute eher wie ein Gag klingt, war damals ein klarer Verstoß gegen jeden moralischen Anstand. Und Arizona behält diese Haltung auch aufrecht, als das blonde Töchterchen an seine Gefühle appelliert - immer gilt für ihn zuerst der finanzielle Vorteil. Wie sehr der deutsche Verleih diesen schön miesen Charakterzug abzuschwächen versuchte, erkennt man an den Schnitten. Bevor beispielsweise Janes Vater eingreift und das nächtliche Zusammensein untersagt, hatten sie sich schon geküsst - allerdings nicht im deutschen Kino.

Giuliano Gemma spielt seine Rolle immer mit einem Augenzwinkern, leistet sich auch Spielereien, wenn er etwa die Klamotten von Kay anzieht, weil seine Löcher bekommen hatten, bleibt aber in der Sache konsequent. Den Bodycount an unschuldigen Bürgern wagt selbst heute kein Filmemacher mehr, bevor sich der Held endlich bequemt, doch noch einzugreifen. Franco Nero wirkt in "Django" wesentlich cooler, ist in seinem Charakter aber deutlich braver. Was in Sergio Corbuccis im gleichen Jahr erschienenen Film stilisiert und bewusst überzeichnet dargestellt ist, bleibt in "Arizona Colt" eher lässig, weniger extrem. Zwar zieht auch Watch alle Register als Übeltäter, erschießt aus einer Laune heraus Unschuldige oder knallt unbewaffnete Männer von Hinten ab, denen er zuvor die Freiheit versprochen hatte, aber er pflegt dabei nie einen Menschen verachtenden oder sadistischen Gestus wie die Gangster in "Django".

Dadurch fehlt "Arizona Colt" die zugespitzte Spannung und in der Konsequenz daraus das Schüren eines hasserfüllten Konfliktes. Selbst beim Showdown gibt es Gelächter. Stattdessen bleiben dank der fast zweistündigen Laufzeit genügend Gelegenheiten, weitere Nebenfiguren einzuführen, wie den Säufer "Whiskey" (Roberto Camardiel), der erst mit den Gangstern gemeinsame Sache macht, um dann sein Gewissen zu entdecken. Eine politisch relevante Komponente, wie sie im Italowestern häufig anzutreffen ist, existiert nicht, sieht man von ein paar Seitenhieben auf das Bürgertum in der Kleinstadt ab.

Insgesamt nimmt der Film eher ein ruhiges Tempo an, weshalb er für Freunde der ganz harten Gangart sicherlich ein wenig hinter den Erwartungen zurückbleibt, auch wenn die Anzahl an Schießereien und Prügeleien hoch ist. Dafür kann "Arizona Colt" mit einer schlüssigen Story und nachvollziehbaren Charakteren überzeugen. Gemeinsam mit den schönen, atmosphärischen Bildern und einer stylischen Musik ein Vergnügen, nicht nur für Fans des Genres (7,5/10).

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