Review

Gesamtbesprechung

---{«In liebevollen Andenken an die Frederike, 2014-2023»}---

2022 lässt sich aufgrund gleich vier mit ihm in entscheidender Rolle ausgestrahlten Produktionen wie The Righteous Fists oder Against Darkness (und weiteren im Dreh) mit Fug und Recht als Jahr von Ruco Chan bezeichnen, ein Darsteller, der seit den Zehnerjahren vermehrt in die Öffentlichkeit (der Fernsehzuschauer) gerückt ist und beim Haussender Television Broadcast Limited (TVB) mittlerweile auch nur einer der wenigen Zugpferde, der TV King quasi mit und dies auch aufgrund fehlenden Nachwuchs oder abgewanderter Konkurrenz ist. Chan ist zum Glück auch flexibel einsetzbar, mit anhaltend guten Aussehen, viel Körperlichkeit und einem noch makellosen, d.h. von Skandalen oder Skandälchen freien Status gesegnet, und scheint entweder seine Grenzen zu kennen oder (mangels Ausflügen in die Kinowirtschaft bzw. ebenfalls dem Umschauen in den chinesischen Markt) nicht übertrieben Ehrgeiz zu betreiben, was dem glücklichen Zuschauer (vermeintlich) die gute alte lokale Unterhaltungsküche, die Hongkong - Hausmannskost quasi bereitet:

Bei einem Massen-Verkehrsunfall ist der im verunglückten Bus sitzende Masseur Chung Hao-Lin [ Ruco Chan ] dem Tode näher als dem Leben, wird aber wie durch ein Wunder gerettet und entdeckt auch folgend und eher zufällig eine neue Superkraft: er kann die Zeit für einen Moment stoppen. Ganz ähnlich geht es weiteren Passanten wie dem arbeitslosen Cheung Wai-Kin [ Sammy Sum ], der Casting Agentin Kiu Yuek-Nam [ Natalie Tong ], die Verletzungen heilen kann, oder dem plötzlich Bärenkräfte und eine Art Unverwundbarkeit aufweisende Ko Yung [ Joel Chan ], der zusammen mit seinem Bruder Ko Sau [ Alex Lam ] und der offensiven 'Open' Ngo Chui-Ping [ Tiffany Lau ] eine kleine Butze bewohnt. Chung selber ist gar nicht so angetan von seinem neu erworbenen Können, fühlt er sich doch nicht wie die anderen als Retter der Nachbarschaft berufen und verpflichtet und würde sich als ausgemachter Hasenfuß lieber nur um seine Freundin Ding Suk-Man [ Moon Lau ] kümmern. Bald bekommen aber auch die Triaden um die Veränderung im Viertel Wind, darunter die zumindest vom Drogengeschäft die Hände lassende Vicky Wai Suei-Kei [ Grace Wong ], aber auch der skrupellose Ho Hing-Lung [ Jimmy Au ] und dessen ebenso gestrickten Sohn Dickson Ho Yat-Hei [ Penny Chan ].

Ein Busunfall als Einleitung, als Omen, als Rückblende, als Déjà-vu, so genau weiß man dies als Zuschauer noch nicht. Ein Unfall ist verheerend und hat seine Auswirkungen, das Notarztteam ist vor Ort, überall sind Verletzte, es wird reanimiert. Die eigentliche Handlung beginnt wann anders und woanders, die Normalität wird eingeführt, der alltägliche Job, eine eher niedere Dienstleistung, wo der Kunde auch König ist und man nur mit viel Gleichmut oder gespielten Charme überlebt, wo es um den Broterwerb und bestenfalls auch den Bonus für Zusatzleistungen geht. So normal und bodenständig wie die Arbeit sind, entsprechend auch die Lebensverhältnisse, man freut sich über den einfachen Dingen, die Wohnung wirkt schon klein auf den ersten Blick, ein minimal größeres Tiny House, vorne ist der Esstisch, hinten steht das Doppelstockbett; etwas, das aufgrund zu viel Nähe und zu viel Unterschiedlicheit noch zu einem schwerwiegenden Problem wird. Auch den Nachbarn kann man direkt in die Behausung schauen, ein Fenster zum Hof, bekommt die Situationen dort und die Streitigkeiten etc. direkt mit. Ein familiäres Umfeld, die üblichen Szenen, die Mutter im Hause treibt die Kinder und deren Beziehungen zu eigenen Nachwuchs an, es gibt die Wunder versprechende Tiger Penis Suppe, die Mutter stibitzt auch die Kondome. Der Raum ist eng, schon ohne Menschen, drei sind vor Ort, ein vierter platzt noch herein, wie in der Sitcom, es wird knallvoll, das Figureninterieur entspinnt. Wie auch bei anderen Serien des Senders ist die Welt hier ein Dorf, jeder kennt jeden oder ist über Ecken und Banden mit jemanden verbunden, ein Personentheater, welches sich mühelos in wenigen Minuten zuordnen lassen kann und schon in der ersten Episode zahlreich am Aufstellen ist.

Als eine Art HK-Variante der Marvelserien wird diese Produktion hier verkauft, was sie aber nicht ist, gedreht wurde im Pandemiesommer 2020, die Welt damals noch unsicher, wusste man nicht, was kommt und was passiert, "Besides, the economy is slow. It's hard to find a job.", die Dreharbeiten mit eine Sicherheit für die (jahrelang mit mutmaßlich zw. verlautbart Knebelverträgen) Festangestellten (und auch die Zuschauer) eine Erleichterung, eine gewisse Routine ging weiter, man verdiente Geld; interessanterweise geht es hier aufgrund der beruflichen Tätigkeit einer der Hauptpersonen auch nach TV City und damit auf den Film-, speziell den Period Piece Set, wo man sich um eine Handvoll Statisten streitet und anderes nebulöses und nichtiges Gewäsch. 'Familiär' ist wichtig für die Kundschaft, die die letzten Jahre (außer eben jenem 2020) eher abgesprungen ist und sich anderen Sendern zugewandt, es gibt auch in HK die Verfügbarkeit westlicher Streamingdienste, die Koreaner bieten mehr Qualität, die Chinesen haben mehr Geld. TVB als einziger Überlebender der Fernsehprogramme noch, die Stars in der Einzahl und selbst die jahrelang aufgebaut, noch sind keine adäquaten Nachfolger in Sicht. Geht man programmtechnisch zu neue und zu gewagte Wege, überfordert man die eigene Klientel, bietet man nur stets das Gewohnte, wird von 'Aufguss' gesprochen, I've Got the Power versucht beides und versucht den Mittelweg. Humoristisch wird dies dabei aufgezogen und gestartet, die ersten Szenen außer eben jenem Busunfall könnten in alle möglichen Genres gehen und jede ausdenkbare Geschichte erzählen. Die Komik ist locker und allgemein verständlich, oft visuell auch, mit viel Gestik und Mimik, plus mit etwas verbalen Zusätzen, die dann allerdings von Missverständnissen oder anderen Irrtümern ausgehen und daraus den Witz beziehen. Auch die optische Gestaltung wird auf leicht ausgerichtet, die vorherrschende Farbgebung ist blau-weiß, die Bilder wirken hell.

"It's exactly like the scene that flashed in my mind earlier?", kommt dann mittig in der Pilotepisode, das Betreten eines Kleinbusses, die Situation, die einem bereits bekannt vorkommt und die man so schon erlebt hat zu meinen, die man schon geglaubt und gefühlt hat, aber diesem Ungewissen nicht vertraut hat. Sekunden später sieht der Bus aus wie Sperrholz, es wird kardiopulmonale Reanimation durchgeführt und defibrilliert; ein Moment des Schreckens, bevor es dann wieder in die allabendliche Unterhaltung geht. Dass die Darsteller dem Publikum allesamt bekannt und großteils auch beliebt sind, und man auch diverse Schauplätze wieder einbaut, die man zur Genüge aus anderen Erzählungen kennt, ist mit zusätzlich ein Anreiz für den (scheinbar) bunten Eskapismus, welchen man zu bieten sucht und was sicherlich auch über ein eventuelles Spektakel hinaus geht, gerade der Start hier ist reichlich dialoglastig und wie ein Prequel gehalten, eine Originalstory, großen Aufwand bekommt man noch nicht. Ein weiterer Todesfall am Ende der Folge trotz des Aufkommens einer der Superkräfte baut dann die Dramaturgie auf und setzt den Cliffhanger für die sich anbahnende Geschicht'.

Eine zunehmende Dramatisierung in Episode 2, das Ansprechen auch einer häuslichen Gewalt, das Wegschauen der Gesellschaft, ein Todesfall aufgrund dessen, die Abwägung von Nähe und Distanz und die Schuld des Nichtstuns dabei fordert die Schauspieler vermehrt, die Besetzung des Ganzen ist amtlich, die Produktion im höherrangigen Bereich, obwohl nicht in der sogenannten Award Season platziert. Eine polizeiliche Ermittlung zwischen Mord und Selbstmord und den möglichen Hintergründen dessen, ein mysteriöser Unbekannter, eine Verfolgung durch das Treppenhaus und ein später Angriff von Triadenschergen machen die Episode gefühlt zwingender als den Einstieg; ein richtiges Tempo oder die Dringlichkeit vom Start weg hat die Serie hier noch nicht, folgt dies allerdings in Episode 3, die zu ersten Höhepunkten aufläuft. Nicht nur, dass dort weitere Hauptpersonen vorgestellt und rasch integriert werden, auch macht man weitere Abstecher in das Triadenmilieu, immer mit eine der Stärken der zeitgenössischen Erzählungen, und setzt zunehmende (Brutalitäten und) Gefahrenpunkte, die der stilsicher choreografierten Martial Arts Szene zu Beginn der Episode weitere (in dem Fall eher mit Absicht absurde) Aktionen folgen lassen.

In Sachen Präsentation, einschließlich der Optik, einem Großteil der Besetzung, der Farbgebung erinnert man dabei ein wenig an das Nachfolgeprogramm des Produzenten, an The Invisibles (2023), ist man dort aber deutlich schneller und als Actionthriller in Serie angelegt, hier liegt der Schwerpunkt eingangs und grundsätzlich doch auf dem Drama und dem Zwischenmenschlichen, auf die unterschiedlichen Beziehungen, und erst auch dem Gewöhnlichen; viel in der Nachbarschaft von Sham Shui Po gehandelt und nach und nach mit einigen Zwischenfällen. So wird in Folge 5 ein Kind als Lieferant für einen Drogendeal benutzt, was ein Todesopfer nach sich zieht und entsprechend die Triade in Turbulenzen und Aufruhr und in Episode 6 eine Vater-Sohn-Entführung als Zeugen bzw. Mitwissern mit sich bringt, in der Episode wird es durch einige kleinere Auseinandersetzungen mit den Gangstern auch etwas körperlich, Big Budget ist es allerdings immer noch nicht.

In Folge 8 gibt's einen Anschlag auf eine semireligiöse Schwindlerbude, plus in Folge 9 zwei Mord(versuch)e auf deren Mitarbeiter, das ist dann aber eher schweres Drama mit einigen kriminellen Versatzstücken, allerdings wird ein weiterer Beteiligter des ausgehenden Verkehrsunfalls entdeckt. Ab Folge 10 gerät man zunehmend in das Fahrwasser der örtlichen Triaden und deren Machtkämpfe sowie in Schwierigkeiten mit Kredithaien oder skrupellosen Managern, was zu mehreren Attentaten oder anderen Attacken und entsprechenden Verteidigungsaktionen führt. Der Rest schwankt etwas unentschieden zwischen zuweilen schweren Drama, vor allem späteren Nebeneffekten, und humoristischen Versatzstücken, hat gerade ab Folge 12 auch einige dramaturgische Veränderungen zu bieten und wirkt wie ein längerer Vorlauf zu etwas Bedrohlichem, inklusive einer Szene, die auch im Horrorgenre spielen könnte, und das in Folge 14 tatsächlich auch tut, die Welt wird zumindest anhand einer Hauptperson gänzlich ausgehebelt, zweimal sogar, und auf den Kopf und wieder zurückgedreht.

In Folge 18 zieht der Krieg innerhalb der Triaden wieder an, ein Undercoverplot wird erzählt, ein anderer 'Maulwurf' aufgedeckt, ein Machetenangriff auf offener Straße aufgrund eines Deals mit südamerikanischen Drogenhändlern vollstreckt. Mehrere Romanzen werden angeleiert und zusätzlich Steine in den Weg gelegt, wobei Folge 20 und dann auch Folge 21 ff. gleich mehrere unangenehme bis drastische Überraschungen, teilweise alptraumhafte auch beinhalten und auch eine recht deutliche Sterbeszene. In Folge 23 kulminiert das Ganze wie als Katharsis in einem recht ausufernden Angriff der Triaden auf die Gruppierung, in dessen Folge deutliche materielle Schäden eingebüßt werden, das Restaurant und die halbe Verkaufsfläche des EKZ gleich mit wird quasi zerstört, zudem gibt es personellen Raubbau und dies nicht zu knapp belegt.










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