In der frühen Phase des Italowesterns, als Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ also schon für den Boom gesorgt hatte und eine Welle ähnlich gestalteter Werke die europäischen Kinos heimsuchte, machte sich auch der spätere „Django“ - Regisseur Sergio Corbucci daran, aus dem Sandalenfilm („Macistes größtes Abenteuer“, „Sohn des Spartacus“) auszusteigen, sein Glück zu versuchen und mit „Minnesota Clay“ gleich, zumindest in Bezug auf seine Hauptfigur, ein interessantes Westerndebüt zu drehen. Der im selben Jahr entstandene „Keinen Cent für Ringos Kopf“ war damals nämlich von ihm noch in Regiekooperation gedreht worden.
Titelgeber Minnesota Clay hebt sich wohltuend von den gängigen, ultracoolen, mysteriösen Revolverschwingern, die zu der Zeit den Italowestern zu bevölkern begannen, ab, da er, unschuldig verurteilt, sich eingangs mühsam als Sträfling in einem Steinbruch abplacken muss und schon ein reifes Alter erreicht hat, das Heißspornen mit Abgeklärtheit gegenübertritt. Aber die Jahre haben Spuren hinterlassen. Er droht zu erblinden und das Risiko steigt mit jeder erneuten körperlichen Anstrengung. Also beschließt Clay trotz seines verpfuschten Lebens den Rest der Zeit, die ihm noch bleibt, sinnvoll zu nutzen. Er bricht aus, um den einzigen Zeugen, der ihn entlasten könnte, in seiner Heimatstadt aufzusuchen..
Der Workaholic und langjährige Dauerbrenner Cameron Mitchell („Blood and Black Lace”, „Rebel Rousers”) verleiht seinem Charakter die unabdingbare Würde, um ihn in dieser neuen Situation die nötige Glaubwürdigkeit abzuringen und ihn nicht zu einem hampelnden, gebrechlichen Gevatter verkommen zu lassen. Denn der ruhige, abgeklärte Clay, der sich ein Mister stets verbittet, ist nach wie vor in seinem Nest eine Legende, die über hervorragende Fertigkeiten mit dem Schießeisen verfügt (Daran hat auch seine Sehschwäche nichts geändert, denn er schießt instinktiv), muss sich bei seiner Ankunft erst einmal neu orientieren. Sofort als Befreier ausgerufen, muss er nämlich feststellen, dass innerhalb und außerhalb je eine Bande ihr Unwesen treibt, die die Bewohner finanziell und nervlich ausbluten lassen.
Leichte Parallelen zur Grundidee von „Für eine Handvoll Dollar“ sind natürlich unübersehbar, ein Plagiat ist „Minnesota Clay“ aber gewiss nicht, denn dafür ist zumindest Clay zu sorgfältig ausstaffiert. Eher widerwillig nimmt der gealterte Meisterschütze die Heldenrolle an, denn, obwohl sich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen lassen, muss er mit seinen Gefühlen ins Reine kommen. Als er damals die Stadt ver- und seine Frau zurückließ, verstarb diese wenige Jahre später, gebar vorher aber noch eine Tochter, die von ihrem Onkel groß gezogen wurde, aber nichts von ihrem Vater weiß und ihn für tot hält.
Resignation, Desillusion und ein nicht abzuleugnender, fehlender Wille noch mal neu anzufangen prägen Clay über den gesamten Film. Das Alter hat ihn weise gemacht. Den Jungspund, der ihn anbetet, findet er amüsant, keineswegs aber brauchbar. Über Konsequenzen macht er sich lange keine Sorgen, weil ihm der Wille zum weitermachen fehlt, als sein einstiger Weggefährte, der ihn entlasten könnte, als Sheriff ein ausbeuterisches Terrorregime in der Stadt betreibt, während außerhalb der Stadtmauern mexikanische Banditen marodieren. Wohl auch deshalb funktioniert man ihm zum Spielball zwischen den Fronten um, während Clay nur noch darüber nachdenkt, wie er seiner Tochter ein möglichst sorgenfreies Weiterleben, fernab dieses Kaffs, garantiert und schon über eine fingierte Auslieferung seiner selbst nachdenkt.
„Minnesota Clay“ fehlt sicherlich noch der dreckige, rüde Stil, den Corbucci später dann pflegen sollte, liefert dafür jedoch immerhin ein paar tolle Landschaftsaufnahmen und ein toll inszeniertes nächtliches Finale, in dem sich Clay ganz ohne Sehkraft seiner Widersacher erwehrt. Die im Chaos versinkende Stadt und äußerst rabiate Überfälle (Meine Güte, wie viel Pferde müssen damals nach solchen Filmen in der Abdeckerei gelandet sein...) sorgen derweil immer wieder für den bitter-pessimistischen Beigeschmack, für den der Regisseur berühmt wurde.
Politische Statements sind, wenn hier auch nur sekundär, natürlich nicht von der Hand zu weisen, stützen sich aber vorzugsweise auf den erpresserischen Sheriff und die wohlhabenden Stadtbewohner, die seinen Worten glaubten und damit den Bock zum Gärtner machten.
Wesentlich mehr Aufmerksamkeit erfährt aber die Tatsache, dass in vorderster Front der Hauptcharakter nicht in Rachgelüsten oder gar Geldgier seinen Antrieb findet, sondern schon früh in eine lethargische Unentschiedenheit abdriftet. Lange will ihm, auch aus Sorge um seine Tochter, das simple Prinzip der Rache nicht schmecken, dann lotet er die Möglichkeiten seiner Lage bezüglich beider Parteien aus und entschließt sich fast zur Selbstaufopferung, bevor sein Intimfeind Fox (Georges Rivière) den Bogen überspannt und er nach einer Intrige (denn Undank ist der Welten Lohn...) seine Geduld für beendet erklärt.
Verzichten braucht der Genre-Fan dabei keineswegs auf die gängigen Motive. Halsbrecherische Kutschenüberfälle und einen bleihaltigen Belagerungszustand mit feurigem Ende gibt es hier genauso zu begutachten, wie ein paar akrobatische Tricks von Clay selbst und das oben schon erwähnte Schlussduell, in das Clay ohne Augenlicht einsteigt.
Inhaltlich bleibt „Minnesota Clay“ leider etwas vage und kitschig. Die infantile Beziehung zwischen dem nervigen Kindskopf Andy (Alberto Cevenini) und Clays Tochter Nancy (Diana Martín) erinnert leider mehr als nur einmal an die U.S. – Vorbilder, von denen man sich eigentlich abheben wollte, während die unnötige Verkomplizierung der Lage durch das intrigante Spiel von Estella (Ethel Rojo) und ihrem schwarzen Sklaven ein kurzes, aber schmerzloses Ende findet. Die Frau ist ohnehin ein ambivalenter Fall für sich, da sie sich ständig die Männer zurecht zulegen versucht, ohne dass die das mal spitz bekommen und selbst so ein erfahrener Recke wie Clay fällt darauf rein...
Fazit:
Grundsätzlich gelungener Italowestern mit einem sehr interessanten, weil völlig unorthodoxen Titelgeber, der mit einer schweren Behinderung versucht sein Leben gerade zu rücken und seine Unschuld zu beweisen. Den Neustart wagt er, wie symbolisch dann die durchschossenen Brillengläser zum Schluss auch unterstreichen, ob es dann trotz seiner emotionellen Verkrüppelungen auch funktioniert, werden wir nie erfahren.
Aber das ist ja auch nicht das Ziel von „Minnesota Clay“. Sergio Corbucci schafft es einmal mehr einen guten, wenn auch nicht herausragenden Italowestern zu inszenieren, der sicherlich etwas zynischer und düsterer ausfallen hätte dürfen, aber weitestgehend die an ihn gerichteten Erwartungen erfüllt – aber mehr auch nicht. Ein paar offenbarende Momente zwischen Vater und Tochter hätten da beispielsweise Wunder wirken können.