Review

(Spoiler zu Dingen, die im Vergleich zur Buchvorlage NICHT vorkommen)


War es zum Start von „Dune – Part One“ (2021) noch nicht klar, ob der Rest des ersten Buches von Frank Herberts Epos überhaupt auf die Leinwand kommt, flimmert einem nun also mit etwas Verspätung „Part Two“ entgegen. Das lange Warten ist im Film nicht zu spüren, setzt der wieder von Denis Villeneuve inszenierte Film da an, wo der Erstling aufhörte. Und so folgt man Paul Atreides weiter seinem Weg unter den Fremen, hinein in den Widerstand gegen die Harkonnen und in sein Schicksal. Denn zunehmend sehen manche der Fremen ihn als den prophezeiten Messias und so nimmt nicht nur Pauls Wandlung und sein Kampf gegen die Besatzer einiges an Laufzeit in Beschlag, sondern auch die mythologische sowie religiöse Komponente der Geschichte.

Man merkt diesem zweiten Teil an, dass er sich tiefer mit manchen in Herberts literarischer Vorlage abgehandelten Themen befassen möchte. So wirkt das hier streckenweise noch gedehnter, weil das Skript die Facetten der Existenz auf Arrakis stärker beleuchten will. Ein begrüßenswerter Ansatz, wenn auch dennoch nie die Tiefe der Vorlage erreicht wird und vieles immer noch unerklärt bleibt. Navigatoren, die Raumfahrergilde und die praktische Bedeutung des Spice, die Mentaten, die Hintergründe für die Abwesenheit von manchen Technologien – vieles hat Villeneuve schon im Erstling nicht untergebracht und hier scheint es so, als habe er es komplett vergessen. Mehr geht es ihm darum, die schon etablierten Figuren und Konstellationen weiter zu betrachten und voranzutreiben. Der Blick auf die Wüste in ihrer Weite, eine um die Farbe reduzierte Arena der Harkonnen und aus dem Buch bekannte Aufzeichnungen von Prinzessin Irulan. Ihr Vater, der Imperator, spielt nun auch hier eine (sehr kleine) Rolle bzw. es wird sein Wirken in vergangene und stattfindende Ereignisse gewoben.
Für all das lässt Villeneuve sich Zeit, in den mehr als 160 Minuten wirken manche Veränderungen und Umorientierungen dennoch sprunghaft. Da stolpert der Rhythmus der Erzählung. Vielleicht nachvollziehbarer dadurch, dass der Fokus mehr auf Chani ruht und man die Entwicklungen oft aus ihrer Sicht verfolgt. Generell steht sie, wohl auch aufgrund von Pauls Abdriften, hier mehr im Mittelpunkt, ist der Anker in dem sich aufbauenden Sturm.

Nahm „Part One“ oft die Perspektive von Außenstehenden ein, führt der zweite Teil dies aus der Sicht der Fremen weiter. So liegt hier ein Hauptaugenmerk auf der Religion, dem Glauben und der messianischen Ausrichtung aufgrund von Prophezeiung und fundamentalistischen Anhängern. Gestreut von den Bene Gesserit geht diese Saat nun auf und Paul sieht sich widerwillig im Zentrum dieser Entwicklung. Und man bekommt eine Szene, die frappierend an „The Life of Brian“ (1979) erinnert, wenn es darum geht, ob sich hier jemand Messias nennt oder nicht. Ein vermeintlich unfreiwilliger humoristischer Einschub.

Generell nimmt sich „Part Two“ Zeit, zeigt das Leben bei den Fremen und Pauls Werdegang. Action oder große Schlachten sind da vorlagenbedingt eher Mangelware und darf man auch darüber erleichtert sein, dass das hier nicht zum Actiongetöse verkommen ist, hätten ein paar mehr Schauwerte nicht geschadet. Denn die paar Sequenzen, in denen es kracht, sind formidabel inszeniert und bebildert. Vom Angriff auf einen Ernter bis zu einem Ritt auf einem riesigen Sandwurm bekommt man was zu sehen und was die Effekte angeht, sieht das immer fantastisch aus. Überhaupt ist das hier aus technischer Sicht überragend, sowohl Bild als auch das Sounddesign sind einnehmend, hier kann man nicht meckern. Gleiches gilt für das insgesamte Design, seien es Räume, Kostüme oder Gefährte. In diesen Disziplinen sind beide Teile mehr als gelungen.

Die Besetzungsliste ist überwiegend aus dem Vorgänger bekannt. Timothée Chalamet gibt den ambivalenten Paul ansprechend, ebenso Zendaya als Chani, die hier mehr Raum bekommt. Alle aufzuzählen wäre witzlos, das Ensemble ist prima – mit einer Ausnahme. Die Besetzung des Feyd-Rautha mit Austin Butler war keine glückliche Wahl, nie kommt diese Figur so bedrohlich und einnehmend rüber, wie sie angelegt ist. Mitunter wirkt sie fast cartoonesk und weniger clever als ihr Pendant aus Herberts Buch. Da sind seine Harkonnen-Kollegen, wieder von Stellan Skarsgard und Dave Bautista dargestellt, doch eindrücklicher. Neu dabei ist auch Christopher Walken als Imperator Shaddam IV und Florence Pugh als dessen Tochter Irulan, die in ihren kurzen Auftritten eine gute Figur machen, aber wie auch Lea Séydoux Randfiguren bleiben. Es ist verschwenderisch, wie Villeneuve hier mit Namen umgeht. Was nicht immer positiv gemeint ist, wenn eben ein Christopher Walken oftmals nur dazu verdammt ist, in die Gegend zu schauen.
Es tummeln sich viele Figuren hier, wobei der Film es schafft, diesbezüglich die äußerliche Übersicht zu behalten. Ohne allerdings tief in die Charaktere einzutauchen.

Denn was „Part Two“ mit dem Erstling gemein hat, ist die gedimmte Emotionalität. Es bleibt stets eine gewisse Distanz zu den Figuren bestehen und man bleibt mehr in der Rolle eines Beobachters denn dass man in die Gefühlswelt hineingezogen wird. Allerdings war das im Vorgänger nicht ganz so auffällig, wurde doch durch die immer wieder beeindruckenden Designs das Auge stimuliert. Und auch die Ohren werden wieder von Hans Zimmer bespielt, was hier variabler als im Vorgänger wirkt.
Umgebungsbedingt ist es hier etwas trister, folgt man den Figuren doch überwiegend durch Wüste und Fels, sodass die entsprechende Farbpalette oft dominiert.
Und dann gibt es natürlich noch das Thema mit den Abweichungen von der Vorlage. Schwer zu ignorieren, wenn man das Buch schätzt und insgesamt schwingt hier und da Enttäuschung über die getroffenen Entscheidungen mit. Gerade das veränderte Handeln oder auch das Fehlen mancher Figuren, die im Roman auch nicht unwichtige Rollen einnehmen, ärgert hier. Natürlich muss man immer Kompromisse eingehen beim Transport von einem Medium ins andere, besieht man sich aber die stattliche Laufzeit (auch beider Teile zusammen), so wäre da sicherlich mehr drin gewesen. Nur die Filme betrachtend merkt man davon allerdings wohl wenig und doch ist auch erzählerisch nicht alles ganz rund. Pauls Entscheidungen, die ihn in sein Schicksal führen, wirken mitunter nebulös und sind nicht immer eindeutig formuliert. Ebenso ergeht es Jessica oder der sich intensivierenden Beziehung zwischen Paul und Chani. Gefühlt kommt da immer wieder was aus dem Nichts, ist jetzt eben so, mit stringent konstruierter Charakterentwicklung hat das nicht immer etwas zu tun. So ist dieser Aspekt weder eine Stärke des Films noch von Villeneuves Erzählung. Vielleicht hat er sich mit alldem, was er in diesen zweiten Teil packen wollte, auch einfach ein Stück verhoben.
Wie erwähnt, das Innenleben erkundet das Skript nicht mit der gebotenen Dringlichkeit und wieder schweifen die Gedanken zu all den inneren Monologen der Figuren und wie sehr diese doch das Verständnis auf den Leser übertragen haben. In dieser Disziplin scheitert dieser zweite Teil genauso wie der erste.

Dass sich das in einer möglichen Fortsetzung ändert, diese Hoffnung habe ich aufgegeben. Doch bleibt das letztlich Meckern auf hohem Niveau, denn auch „Part Two“ ist ein bildgewaltiger Film, der unbestreitbar seine Qualitäten hat und immerhin auf einer Note endet, wie es das Szenario um Macht und Wahn gebietet. Fanatismus führt zu Leid, immerhin da sind sich Film und Vorlage einig. Die beiden Filmteile in Ihrer Gänze ergeben ein SciFi-Epos, wie man es nur selten bekommt. Als reines Blockbusterkino eine feine Sache und auf der technischen Ebene brillant. Nicht immer allerdings auf der erzählerischen Seite, insbesondere bezogen auf die Entwicklung der Charaktere und einer nachvollziehbaren Wandlung dieser, was durchaus schmerzt. In Anbetracht der Vorlage somit spürbar eingedampft und vereinfacht, bietet „Part Two“ wieder große Lücken bezüglich der Hintergrundinformationen und muss somit auch das ausbaden, was „Part One“ damals verpasst hat.
Nicht ohne Schwächen, aber dennoch ein Erlebnis.

Die dringende Empfehlung, sich Frank Herberts Roman zu holen, schwebt am Ende dennoch über allem.

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