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Dune - Part 2: Die Wüste bebt - Villeneuve bläst erneut zum Sandsturm

Deniz Villeneuve ist ein visueller Auteur. Im Erschaffen von Bilderwelten, die sich auch in jeder Gemäldegalerie vortrefflich machen würden, ist er ein Meister. Seine Filme bestechen zuvorderst durch eine sehr spezifische Optik, deren auffälligste Merkmale Symmetrie, Spielarten des Kubismus und eine panoramaartige Epik umfassen. Villeneuves Stil ist daher besonders für sperrige Science Fiction Stoffe geeignet, da das zugleich irritierend Fremdartige und hoch Technisierte sehr gut mit seinen eigenwilligen, aber dennoch formvollendeten Bilderwelten harmoniert. Wenig überraschend legt er nun mit „Dune: Part 2“ sein viertes Science Fiction Epos binnen 8 Jahren vor (nach „Arrival“, Blade Runner 2049“ und „Dune“).

All diese Filme muten aber nicht nur visuell, sondern auch thematisch anspruchsvoll an und verhandeln universelle Themen wie Identität, Humanität, Solidarität und Religion. Dieser intellektuelle Ansatz hat Villeneuve den Ruf eines Großmeisters des modernen Science Fiction Films eingebracht, zumal er es stets fertig brachte, die teilweise komplexen philosophischen Themen für ein Massenpublikum leicht verdaulich aufzubereiten. Und genau darin liegt schließlich auch das Problem beim Ansehen seiner Filme, zumindest wenn man den propagierten Anspruch Villeneuves ernst nimmt.

Denn bei all der visuellen Virtuosität, die zugegeben etwas Rauschhaftes hat, geraten Villeneuve häufig seine Figuren und damit zusammenhängend die Dramaturgie der Erzählung aus dem Fokus. Seine kühle Inszenierung umfasst auch das auftretende Personal, das eine seltsame Eindimensionalität und emotionale Leere aufweist. Während es im Blade Runner-Sequel aufgrund der Replikanten-Thematik noch irgendwie stimmig war, fiel dieses Manko bei der Adaption von Frank Herberts SiFi-Klassiker „Der Wüstenplanet“ deutlich unangenehmer auf. Obwohl Villeneuve ein Who is Who aktuell angesagter Darsteller aufbot, gelang es kaum jemandem, aus den blass gezeichneten Figuren mehrdimensionale Charaktere zu formen. Für die Fortsetzung lies das nichts Gutes erahnen, stand hier doch die Entwicklung des Protagonisten vom idealistischen Anführer zum von religiösem Fanatismus getriebenen Tyrannen auf dem Programm.

Wir erinnern uns. Der Imperator hatte dem ehrwürdigen Haus Atreides die Kontrolle und Verwaltung des Wüstenplaneten Arrakis übertragen und damit die zuvor eingesetzten Harkonnen ausgebootet. Dieser Schachzug war allerdings eine politische Intrige, die zum Ziel hatte, die zu mächtig gewordenen Atreiden auszuschalten. Und dieser Plan geht auf. Die Harkonnen erobern Arrakis zurück und töten fast die gesamte Führungsriege der Atreiden. Allerdings gelingt dem Thronfolger Paul und seiner Mutter Lady Jessica die Flucht in die Wüste, wo sie auf die Hilfe der einheimischen Fremen hoffen, die sich der unwirtlichen Umgebung des Planeten Dune perfekt angepasst haben. Lady Jessica ist Angehörige des uralten Schwesternordens der Bene Gesserit, die aufgrund ausserordentlicher physischer und psychischer Fähigkeiten großen politischen Einfluss haben. In Paul sieht sie den von den Bene Gesserit vorhergesehenen Messias und setzt nun alles daran, dass auch die Fremen an ihn glauben, nicht nur um zurückzuschlagen, sondern vor allem um die eigene Macht ausbauen zu können.

Paul Atreides erleidet also ein ähnliches Schicksal wie ein gewisser Anakin Skywalker und es spricht nicht gerade für Villeneuve, dass die viel geschmähten Star Wars Sequels zumindest in dieser Hinsicht die Nase vorn haben. Jetzt ist Timothy Chalamet zweifellos ein begabterer Mime als Hayden Christensen, aber wenn ihm das Drehbuch keinerlei Raum gibt seine Hinwendung zur „Dunklen Seite der Macht“ auch nur ansatzweise glaubhaft und spürbar zu machen, dann verliert er sich im Sandsturm blasser Figuren. Ähnliches gilt für den stetig zunehmenden religiösen Fanatismus der Fremen, die im letzten Viertel des Films plötzlich in Legionen zum Dschihad strömen und zuvor fast zwei Filme lang nur als in Kleingruppen operierende, pragmatisch orientierte Naturburschen und -mädels unterwegs waren. Sollte Villeneuve hier eine Kritik an Ausformungen und Mechanismen des modernen Islamismus im Sinn gehabt haben, dann ist diese Absicht ebenfalls in den Untiefen des von ihm mitverantworteten Skripts versandet. Zumal am Ende recht unmissverständlich die bösen Weißen an der Eskalation Schuld sind, was ein interessantes Zeitgeist-Statement ist. Fremen-Mentor Stilgar (Javier Bardem) war offensichtlich als Orientierungshilfe für die Heilsbringergeschichte rund um Paul und die Fremen gedacht, sorgt aber aufgrund seiner zunehmend ekstatischen Ausbrüche nur für die einzigen (sicherlich unbeabsichtigten) Lacher des ansonsten bierernsten Films.

Wie schon der Vorgänger leidet also auch „Dune: Part 2“ unter seiner maximal plakativen Figurenzeichnung. Man ist entweder gut und aufrecht (u.a. Paul, seine Fremen-Liebe Chani und sein alter Freund Gurney Hallek) oder böse und verschlagen (alle Harkonnen sowie der Imperator und die Bene Gesserit Schwestern). Schade bei einem erneut beeindruckenden Staraufgebot zu dem sich diesmal Christopher Walken, Lea Seydoux, Florence Pugh und Austin Butler gesellen. Während der eine als seniler Imperator verwirrt in der Ecke steht (Walken), die andere als seine aufstrebende Tochter tatenlos auf ihren zukünftigen Messias-Gatten wartet (Pugh), dürfen Seydoux und Butler wenigstens einen Anflug von erotischer Spannung mimen, bis auch dieser wieder in sich zusammen fällt und der einzig interessante Gegenpart (Butler als Harkonnenprinz Feyd-Rautha) zu Paul Atreides nie von der psychotischen Leine gelassen wird. Kurz: es gibt weder nennenswerte Grauzonen, noch erwähnenswerte emotionale Tiefe und wenn dann doch plotbedingt eine Entwicklung stattfinden muss (wie bei Paul), dann wird sie einfach behauptet. Die Schicksale der Handelnden können daher kaum berühren, ohne Identifikation keine Anteilnahme und ohne Anteilnahme keine emotionale Bindung. Als Kinozuschauer bleibt man ein distanzierter Beobachter des Spektakels, aber wenigstens ist es eins.

Vor allem in der ersten Filmhälfte, als Paul bei und von den Fremen lernt und schließlich eine Reihe von Sabotageakten durchführt, schafft Villeneuve betörende und faszinierende Bilder von der Wüste, von geheimen Unterschlupfen, aber auch von Raumschiffen oder Maschinen zum Abbau der Bodenschätze. In ähnlichen Sphären bewegt sich auch die Action. Diverse Kampfsequenzen zwischen Harkonnen und Fremen sind von Fight Coordinator Roger Yuan superb choreographiert. Druckvoll und spektakulär inszeniert sind der Sabotage-Angriff auf einen Space Harvester, der Angriff auf die Hauptstadt von Arrakis sowie die diesmal deutlich prominenter auftretenden Sandwürmer. Dazu kommen noch einige technische Neuerungen, von denen die schwebenden Harkonnen Einsatzgruppen schon zu Beginn des Films ein absolutes Highlight bieten. Gepaart mit dem erneut ausgeklügelten Sounddesign und den wuchtig dröhnenden Klangwelten Hans Zimmers, bewegen wir uns im Referenzbereich audiovisueller Überwältigung. Wenn schon keine emotionale und auch keine intellektuelle, so ist der zweite Ausflug nach Arrakis zumindest wieder eine sinnliche Extremerfahrung, die eindrucksvoll die besonderen Stärken des Mediums, respektive des Vorführraums Kino vor Augen (und Ohren) führt.

Ob dieser Primat des Audiovisuellen für ein Kinoerlebnis der Extraklasse ausreicht, muss jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Auch der andere Regisseur der Stunde, Christopher Nolan, punktet mit ähnlicher (Schwer-)Gewichtung. Dass ausgerechnet er das Werk des Kollegen unlängst mit einem Star Wars-Vergleich adelte - „For me, I don't think it says too much to say that if Dune: Part One was Star Wars, this to me is very much The Empire Strikes Back, which is my favorite of the Star Wars films“-, passt daher perfekt ins Bild und ist in sich schlüssig (auch wenn Nolans Einschätzung, dass „Dune 2“ am Ende einen ähnlichen popkulturellen Grals-Status erreichen wird wie das erste Star Wars Sequel, ernsthaft bezweifelt werden darf).

Große Emotionen und mehrdimensionale, lebensechte, selbst "nur" ikonische Figuren stehen jedenfalls auch beim Macher von „Dunkirk“ und „Oppenheimer“ eher weniger auf der Habenseite. Dennoch sind beide im Moment das Maß aller Dinge im anspruchsvolleren Mainstreamkino. Ihr nüchterner, kühler, mitunter auch pessimistischer Ansatz passt schlicht in eine wieder chaotischer werdende Welt, in der Ordnung, Symmetrie und klare Formen vielleicht mehr zur Beruhigung taugen, als ausufernde Gefühlswallungen und innere Konflikte. Vor diesem Hintergrund muss man kein großer Prophet oder gar Messias sein, um zu prognostizieren, dass auch „Dune: Part 2“ ein großer Erfolg werden wird.

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