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Regisseur Sabu (alias Hiroyuki Tanaka) hat nicht nur mit Postman Blues eindrucksvoll bewiesen, dass er es versteht, gute Filme zu machen. Vor allem wie der groteske Plot Schritt für Schritt abgespult wird, ist eine Freude für den Liebhaber des schwarzen Humors.

Alles fängt mit dem harmlosen Postboten Sawaki an, der bis jetzt ein wenig aufregendes Langweilerdasein gefristet hat. Eines Tages führt ihn sein Arbeitsweg zufällig zur Wohnung seines alten Schulkameraden Noguchi, der inzwischen Mitglied bei der Yakuza ist und sich gerade eben den kleinen Finger abgeschnitten hat. Bei Sawakis kurzem Besuch fällt besagter Finger ausgerechnet in dessen Tasche und Noguchi schmuggelt ihm auch noch ein Päckchen Drogen unter. Da Noguchi schon seit Längerem ungeahnt von der Polizei beschattet wird, halten die Sawaki kurzerhand ebenfalls für einen Kriminellen und bleiben ihm rund um die Uhr auf den Fersen. Als sich Sawaki schließlich auch noch mit dem todkranken Auftragskiller Joe anfreundet, ist für die Polizei eindeutig klar: Sawaki muss ein schizophrener, drogendealender Sexualmörder und Terrorist aus den Reihen der Yakuza sein!

Postman Blues zeigt uns eindrucksvoll, wie Zufälle und ungewollte Zusammentreffen das ganze Leben einer Person über den Haufen werfen können. Sawakis Leben verschlimmert sich mit jeder Szene zunehmend, ohne dass er tatsächlich Schuld daran hätte und ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Alles was er tut oder ihm zufällig wiederfährt, legen die dümmlichen Polizisten, die hinter ihm her sind, nach ihrem Belieben aus. Als sie von dem abgetrennten Finger erfahren, den Sawaki in ihren Augen bei der Zerstückelung seiner Opfer beim Aufräumen übersehen haben muss, gründen sie daraufhin sogar extra die "Sondereinheit für Verstümmelung und Ausweidung".

Noguchi, der seinen abgetrennten Finger unbedingt wieder haben will, um bei seinem Boss nicht in Ungnade zu fallen, will Sawaki eigentlich nichts Böses, aber auch seine harmlosen Absichten drehen für Sawaki im Grunde einen Strick. Und so ist es auch mit dem krebskranken Auftragskiller Joe, der in einer absurden Nebengeschichte an einem Auftragskillerwettbewerb mitmacht, für den übrigens extra Leon der Profi samt Topfpflanze aus Frankreich angereist ist—und auch die blonde Killerin mit Sonnenbrille und Trenchcoat erinnert verdächtig an die aus Chungking Express—um eine Italienreise zu gewinnen (!). Joe wünscht dem harmlosen Sawaki für sein Leben nur das Beste, doch auch wenn er ihm nur helfen will, gerät der brave Postbote nur noch unausweichlicher in die Fänge der fantasievoll ermittelnden Polizisten. Dass es dabei auch mal ein bisschen brutal zugehen kann, versteht sich von selbst.

Das zu sehen macht überaus Spaß, wenn der Film meist auch von einem Filter der Melancholie überlagert ist. Postman Blues ist nicht nur spannend und subtil mit schwarzem Humor gewürzt, sondern trotz der eigentlich weit hergeholten und konstruierten Handlung erfrischend und nachvollziehbar inszeniert. Nichts, was hier passiert, ist bedeutungslos. Alles, jeder noch so kleine Zufall, ist für den weiteren Verlauf der Geschichte wichtig—und wenn nicht, gibt es als roten Faden immer noch die Polizisten, die das Element jederzeit passend in ihre Ermittlungen einzubauen wissen. Zwar ist bei Postman Blues nicht alles bis ins kleinste Detail logisch, doch wenigstens ist das Ganze so sicher abgedreht, dass das kaum stört. Die meiste Zeit bleibt Postman Blues trotz eher ruhigem Erzählstil schön rasant, weil hier eine skurrile Idee die nächste ablöst, auch wenn es zwischendurch mal ein paar Szenen gibt, die eher zahm in Szene gesetzt sind. Das sind vor allem die Momente, in denen Sawaki mit einem todkranken Mädchen anbandelt—herrliche, teils fast schon poetische Szenen, die für Sawaki wie eine ruhige Oase in all der plötzlichen Hektik wirken müssen.

Postman Blues ist mit seiner zynischen Art zwar sicher Geschmacksache, aber wer absurde Filme dieses Stils mag, wird hier sicherlich auf seine Kosten kommen. Sabus Film fesselt, bleibt einfallsreich und bietet bis zu einer abgedrehten Verfolgungsjagd auf Fahrrädern und einem tragischen Finale mehr als gute Unterhaltung.

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