iHaveCNit: All Of Us Strangers (2024) – Andrew Haigh – Searchlight Pictures
Deutscher Kinostart: 08.02.2024
gesehen am 13.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Harmonie – Kleine Harmonie – Sitz 5, Platz 9 – 20:45 Uhr
Mit ein paar sehr überschwänglichen und positiven Stimmen im Vorfeld war es für mich klar, dass ich mir auch aufgrund der involvierten Darsteller ein Bild von Andrew Haighs „All Of Us Strangers“ machen wollte. Und das lange, bevor ich erst Mitte Januar mit ersten bewegten Bildern aus dem Trailer konfrontiert wurde, die mein Interesse am Film wesentlich steigern konnten. Nun da ich ihn gesehen habe, kann ich aus meiner Perspektive sagen, dass dieser Film für mich zumindest der beste Film des aktuellen Wochenendes ist.
Der Drehbuchautor Adam lebt einsam und distanziert in einem Neubau-Hochhauskomplex in London. Dort lernt er den jüngeren, ebenfalls im Haus lebenden Harry kennen. Beide sind homosexuell und spüren eine gewisse Anziehung zueinander. Aus der Beziehung schöpft vor allem Adam einen neuen Tatendrang zur Arbeit an einem neuen Drehbuch, für das er sich mit seiner eigenen Vergangenheit mit seinen Eltern in einem Vorort Londons auseinandersetzt und noch nicht ahnt, was diese emotionale Reise für ihn bereithält.
„All Of Us Strangers“ ist ein zweischneidiges Schwert. Warum das so ist? Darauf komme ich noch. Vorab gesagt hat mich der Film in einigen Elementen wie eine Mischung aus „Aftersun“, „Call Me By Your Name“ und „Petite Maman“ erinnert. Der Film, der in gewisser Art und Weise neben einem Coming-Out auch Coming-Of-Age verhandelt, befasst sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen für Homosexuelle und Queere und spiegelt in Ansätzen die Lebensrealität auf natürliche Art und Weise wieder, bei denen natürlich trotz einem größtmöglichen Ansatz einer natürlichen und authentischen Darstellung des Themas gewisse diskussionswürdige Klischees und auch teils homophobe Elemente im Film enthalten sind und nicht umschifft werden könne, die jedoch in meinen Augen für die filmische Aufarbeitung und die charakterliche Entwicklung wichtig sein können. Selbst wenn ich mich persönlich nicht als queer und homosexuell identifiziere, kann ich mich mit Andrew Scotts Adam dennoch sehr wohl identifizieren. Denn seine Trauer, sein Trauma und seine Ängste sowie seine Coping Mechanismen sind mir persönlich bei mir nicht fremd, so dass ich eine tiefe charakterliche Verbindung zu Scotts Rolle aufbauen und mich hineinfühlen konnte. Die Art, wie der Film hier Versöhnung, Trost und die Möglichkeiten der Verarbeitung von Unverarbeitetem einbettet, ergibt mit der zärtlichen, herzlichen und tragischen Liebesgeschichte zwischen Adam und dem von Paul Mescal gespielten Harry einen regelrechten Sog und Rausch durch Zeit und Raum, der einen nicht mehr loslassen möchte. Vor allem, wenn auch das „Loslassen“ und der Verlust eine große Rolle im Film und seiner Konklussion darstellt, bei der ich mir die Frage stelle, ob die Geschichte, die sich wiederholen könnte nicht etwas zu redundant ist – genau wie die Einbindung von musikalischen Klassikern der Pet Shop Boys mit „Always On My Mind“ und Frankie Goes To Hollywoods „The Power of Love“ nicht etwas zu symbolisch, prätentiös und kitschig melodramatisch ist.
„All Of Us Strangers“ – My First Look – 9/10 Punkte.