Der Philosoph Ramón breitet seine Mordtaten der letzten Zeit Richtung Kamera aus, die seine Wandlung vom scheinbar stinknormalen Bürger zum Serienkiller dokumentiert. Dabei verfolgt die Story ein interessantes Gedankenspiel: Was passiert denn, wenn ein gutbürgerlicher Mensch einen anderen Menschen umbringt, keine Spuren hinterlässt und normal weiterlebt? Oder hinterlässt es Spuren in der Seele, macht ihn sogar aufgrund der sich erneut bietenden Chance zum Wiederholungstäter? Oder ist solch ein Täter unter seiner sauberen Fassade eigentlich schon immer ein potentieller Unmensch gewesen? Wo der Alltag aufhört und die psychopathische Neigung durchschlägt, davon erzählt der Monolog Ramóns und der anschließende Dialog mit seiner Exfrau Laura. Die Psychiaterin hält er nämlich gefesselt und geknebelt in seiner Designerwohnung fest, an der Wand prangt die perfekte Serienkillerausstattung in Edelstahl. In kühler Atmosphäre entwickelt sich ein Psychospiel der Extraklasse zwischen den beiden, bis die Polizei auf den Plan tritt. Mit Zeitblenden zwischen der Entführung und dem Verhör fügen sich die Puzzleteile nach und nach zu einem fesselnden Psychothriller zusammen, bis ein unerwarteter Wendepunkt den Zuschauer ebenso wie die Protagonisten verunsichert. Die Ästhetik der Wahrhaftigkeit steht ganz oben drüber, doch es soll alles anders kommen, als man sich denkt. Regisseurin und Co-Autorin Laura Mañá, sonst eher als Schauspielerin bekannt, verzichtet auf eindeutige Identifikationsfiguren, nicht nur vom Typus des modernen, smarten Psychos her ähnelt der blendend aufgelegte Darío Grandinetti als Ramón etwas Kevin Spaceys Figur in "Sieben", auch die vorausblickende Vorgehensweise sorgt für interessante Überraschungen in einem blendend inszenierten Katz und Maus Spiel. Ohne Actionszenen kann dieser Eurothriller in seiner unaufgeblasenen Art den Spannungsbogen bis zum Ende halten. Mit menschlichen Abgründen aber auch leisen Zwischentönen statt mit plakativer Schwarz-Weiss-Malerei sowie clever erdachten Charakteren und guten Schauspielern ragt diese Mischung aus "Tesis" und "Alzheimer Case" über Moral und Ethik klar aus der Masse hervor, auch aus der von diversen Mysterythrillern Spaniens wie "The Nameless", um mal einen besseren Vertreter der letzten Jahre zu nennen. Kein Wunder, dass diese Perle schon mehrere Preise einheimste, dazu bedarf es nicht immer aufwändiger, effektbeladener Szenen, eigentlich ist es zum größten Teil ein Kammerspiel zwischen den beiden Hauptprotagonisten. Es ist sicher keine tiefschürfende Gegenüberstellung von Philosophie und Psychologie zum Thema Mord, doch Verweise wie der auf Thomas de Quincey ("Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet") lassen ebenso wenig plattes Hollywoodgefühl aufkommen wie die ausgefallene, oft ruhig geführte Kamera.
Fazit: Intelligenter Eurothriller, der in die dunkle Seite seiner Figuren blicken lässt und sich erst nach und nach zu seiner wahren Größe entfaltet. Stilsicherer Geheimtip. 7/10 Punkten