Review

Der Poser des Jahres

Nahezu jede Saison gibt es diesen Überraschungsfilm, der auch in den Mainstream vordringt und bei dem es weit und breit heißt: „Geh bloß blind rein, ohne Trailer oder zu viel zu lesen davor!“. „Strange Darling“ ist der diesjährige Ableger dieser Ü-Ei-Filme von denen viele allein unter den hohen Erwartungen zusammenbrechen. „Strange Darling“ tut das zum Glück nicht. Oder zumindest nie ganz. Und vor allem nicht in seiner B-Note, in Sachen Optik und Flair. Die sind edel und wichtig. Aber die Geschichte samt „Wendungen“, puh… Es geht um einen Serienkiller und seine letzten, verzwickten Taten…

Ich jage, also nimm mich!

„Strange Darling“ sieht schnieke aus - reißt diesen Look dann aber mit der Ankündigung „Shot completely on 35mm“ schon vor Beginn eigentlich wieder ein. Plakativ und on your nose, das soll auch danach das Motto bleiben… Der Komponist schläft teils auf dem Bass ein, wacht dann aber plötzlich genug wieder auf. Das sprunghafte und die Kapitel wären wohl eher '91 cool und originell gewesen - haben aber natürlich ihren Sinn hier und machen schon Spaß. Gegen Gallner und Fitzgerald kann man gar nichts sagen. Beide sind frech und fies und haben kranke Vorlieben. Die sich toll haltende Hershey stiehlt samt Filmehemann mit einem Kurzauftritt mittig kurz die Show. Die Beleuchtung ist stylisch und sehr aggressiv. Die vielen Songs sind nice und handverlesen. Kurzweile und Härte stimmen. Geschlechterrollen und Klischees werden auf den Prüfstand gestellt. Manche kleinere Details und Boshaftigkeiten stechen positiv heraus. Das passt, daher will ich nicht zu streng sein. ABER die Geschichte und ihre Wendungen, die in sämtlichen Kritiken und Anpreisungen und dem Marketing so hervorgehoben werden… meimeimei. Viele Wege hat das Ding ja nicht - und dennoch tut er wirklich so, als ob man seinen Kniff nicht schon nach 2 Minuten riechen würde wie einen nassen Hund. Das stößt einfach übel auf und hat mir die ganze Zeit auf der Leber gelegen. Gehofft habe ich noch, dass er eventuell komplett außerhalb der Box denkt, selbst mich noch kalt erwischt und nicht den grell vorgezeichneten Weg nimmt - aber nein, ganz ungeniert und unbedarft rennt er in die Fallen, die er sich selbst gelegt hat. Ein Verwirrspiel ist das nicht, ein „Pulp Fiction“ ist das nicht, ein „Hard Candy“ ist das nicht. Obwohl ich dann ganz am Ende über eine paar Spielchen und Gemeinheiten - auch klarsten Aussagen zu MeToo-Ausnutzungen! - wieder grinsen musste. Der Weg zum Letdown war immerhin ein heisser. Ich komme aber nicht an seinen Selbstfehleinschätzungen vorbei… Vielleicht bin ich auch einfach hier nur die filmnerdige Spassbremse. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. 

Fazit: „Du bist nur halb so schlau wie du denkst und nicht halb so erfahren wie du tust“, sagt der Vater zu seinem Sohn. Dieser nickt und zieht lässig an seinem Joint. 

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