Killer-Thriller-Mixtape von DJ Fincher
Viele empfinden ihren Beruf als eintönig und ermüdend. Der von Michael Fassbender gespielte Titelheld in „The Killer“ kann ein Lied davon singen, was er in den ersten 15 Minuten auch ausgiebigst tut. Und so sehen wir den namenlosen Auftragskiller nicht nur bei den Vorbereitungen für seinen Job, sondern wir hören ihn auch pausenlos aus dem Off kommentieren. Das ist bald ebenso enervierend wie es für den Killer auf der Leinwand sein muss, denn die wichtigste Eigenschaft neben dem Beherrschen des Sniper-Gewehrs ist die Geduld.
Regisseur David Fincher macht bereits zu diesem frühen Zeitpunkt deutlich, worauf der diesmal den Fokus legt. Die absolute Symbiose von Bild und Ton. Fassbenders gelangweilte, monotone Stimme spiegelt eins zu eins seine Tätigkeiten, die in einem sich ständig wiederholenden Kreislauf aus Yogaübungen, kurzen Schlafphasen und Essenspausen bei McDonalds bestehen. Das Repetitive ist aber nicht einfach nur langweilig, es hat zugleich etwas Nervtötendes, wie ein ständiges Klopfen. Der Killer stellt zu diesem Zweck den Timer seiner Uhr auf regelmäßige Weckrufe, für den Zuschauer erledigen das seine staccatoartigen Off-Kommentare. Als es dann endlich soweit ist und das Opfer die Bühne betritt, ist man ähnlich angespannt wie der Killer am Abzug.
David Fincher gilt als DER Spezialist für abgründige Thrillerstoffe. Stets stehen dabei seine Protagonisten unter enormen psychischen Druck und drohen bei ihren meist selbstzerstörerischen Missionen den Halt zu verlieren. Das kann die Suche nach einem Serienkiller sein (wie in „Sieben“ und „Zodiac“), die Konfrontation mit einem leeren, zerrütteten Privatleben (wie in „The Game“und „Gone Girl“), oder der investigative Blick in die finstersten Untiefen verbrecherischer Naturen (wie in „Verblendung“). Everybody´s Darling wird man so eher nicht. Und so sah sich Fincher trotz der Anerkennung seiner exquisiten handwerklichen Fähigkeiten immer wieder mal mit dem Vorwurf konfrontiert dem exploitativen Zynismus zu frönen (u.a. in den Psychothrillern „Fight Club“ und „Gone Girl“). Dabei ist er nur ein sehr genauer Beobachter menschlicher Abgründe, die er zugegebenermaßen gern mit einer schwarzhumorigen Prise veredelt, die nicht jedermanns Geschmack ist.
Diese sehr spezielle komische Note durchzieht auch „The Killer“. Dafür sorgen schon die betont gelangweilt vorgetragenen Gedanken des namenlosen Assassinen. So wirft er gern mit irgendwelchen Lebensweisheiten um sich, von denen er den Urheber entweder gar nicht erinnert, oder sie irgendeinem Urheber zuordnet von dem sie seiner Ansicht nach stammen sollten. Seine betont langweilige Kleidung beschreibt er als von einem deutschen Touristen inspiriert, da mit diesen niemand etwas zu tun haben wolle, womit die für ihn essentielle Unsichtbarkeit gewährleistet ist. Und seine Mahlzeiten nimmt er mit Vorliebe bei der berühmtesten Fastford-Kette der Welt ein, schließlich sind die im McMuffin enthaltenen Proteine völlig ausreichend für den täglichen Bedarf. Da fügt sich das mottoartige Erfolgsgeheimnis hinter der Killer-Expertise bestens ins lakonisch-spöttische Gesamtbild: „Mir ist alles scheißegal.“
Dieser Sarkasmus erzeugt ein häufiges Grinsen beim Betrachter, das aber ein ums andere Mal einfriert, wenn der Titelheld zur Arbeit schreitet. Denn sein laut hinaus posaunter Nihilismus hindert ihn nicht daran mit geradezu akribischer Präzision zu Werke zu gehen wenn ein neuer Auftrag ansteht. Da ist er nicht nur pedantisch in der Vorbereitung und Planung, sondern auch so kalt wie effektiv bei der Durchführung. Und so leidenschaftslos das auch aussehen mag, schleicht sich langsam aber sicher der Verdacht ein, dass irgendwie auch mag, was er tut. Sich selbst gesteht er das natürlich nicht ein, aber das Mantra „Empathie bedeutet Schwäche“ ist weniger an den Zuschauer als vielmehr an das eigene Ich gerichtet, dem er offenbar nicht vollends (ver)traut. Zu recht, wie der Handlungsverlauf zeigt.
Denn als er nach seinem ersten missglückten Auftrag selbst zur Zielscheibe wird, taucht er nicht einfach unter und lebt irgendwo unter einer seiner zahllosen falschen Identitäten ein Luxusleben. Vielmehr versucht er die auf ihn angesetzten Kollegen mitsamt ihrer Hintermänner ausfindig und unschädlich zu machen. Er verlässt damit das Terrain der totalen Professionalität. Zwar redet er sich ein damit einerseits seinen Nimbus als unfehlbarer Profi wieder herzustellen und andererseits die Lücke in seiner vermeintlichen Unantastbarkeit wieder schließen zu können. Aber genauer betrachtet geht er schlicht auf einen Rachefeldzug, der zudem die geheime Identität seiner Freundin schützten soll. Sie war den für ihn gedachten Auftragsmördern nur knapp und stark verwundet entkommen. So viel zu „Forbid empathy. Empathy is weakness. Weakness is vulnerability.“
Die Geschichte an sich ist übrigens geradezu lächerlich simpel, ein Problem ist das aber nicht. Die Spannung liegt im Innern der Titelfigur, was einigermaßen paradox scheint, legt man ihre fast aufreizende und auch immer wieder geradezu penetrant verkündete Langweiligkeit zu Grunde. Unter diesem Panzer lauern dann aber eben doch zutiefst menschliche Gefühle und Themen wie Liebe, Angst, Verrat, Rache. Fassbenders Spiel gibt nur wenig davon preis, vieles ergibt ich aus seinen äußeren Handlungen, aber wenn ihn die schockierenden Gefühlsregungen überkommen, ist es vor allem in seinem Blick der buchstäblich spricht.
Fincher überzieht diese eigenwillige Killer-Portrait mit einer audiovisuellen Glanzlack-Politur, die nur er anzuzischen vermag. Der behaupteten und gezeigten Ödnis des Killeralltags stehen ungemein einprägsame Bildkompositionen gegenüber, die hinsichtlich Farbpallete und Perspektiven weit über die gewohnten Fincher-Trademarks einer kühlen Düsterästhetik hinausgehen. Beim Ton bewirkt der Kniff die Außengeräusche gewissermaßen lauter zu stellen einen scharfen Kontrast zwischen Innenleben und Handlungen des Killers.
Langweilig wird es also nie in David Finchers neuem Thriller, der viele Zutaten seiner mehrfach erprobten Zauberformel enthält: Abgründigkeit, Brutalität, schwarzer Humor, stilisierte Bilder und Trent Reznor, alles da und dennoch ist „The Killer“ der bis dato untypischste Fincher-Film. Das allein macht ihn natürlich noch nicht zu einem guten, eher für manche vielleicht sogar zum Gegenteil. Nein, das Faszinosum liegt nicht in der Andersartigkeit, sondern in der ironisch gebrochenen Neuzusammensetzung bewährter Stilmittel und Vorlieben. Ein Killer-Thriller-Mixtape vom Meister DJ, da kann man schon mal reinhören. Daneben ist es vor allem die auf verschiedensten Ebenen durchgezogene Widersprüchlichkeit, die packt. So ist der Film zugleich enervierend wie faszinierend, zugleich lustig und traurig sowie zugleich monoton und abwechslungsreich. Und obwohl man mit Fassbenders Auftragskiller nie so richtig warm wird, folgt man gespannt seinem Treiben. Nein, langweilig wird es nie in diesem eigenwilligen Killer-Thriller und schon allein deshalb ist der neue Fincher wieder sehenswert.