iHaveCNit: Green Border (2024) – Agnieszka Holland – Piffl Medien GmbH
Deutscher Kinostart: 01.02.2024
gesehen am 10.02.2024
Arthouse-Kinos Frankfurt – Große Harmonie – Reihe 5, Platz 7 – 10:30 Uhr
Gerade wenn es ums Kino an einem Wochenendtag geht ist eigentlich 10:30 Uhr für mich durchaus zu früh und eigentlich gar nicht meine Zeit. Dafür muss aufgrund mangelnder zeitlicher und lokaler Alternativen dann der jeweilige Film entscheidend sein und das ist bei Agnieszka Hollands „Green Border“ der Fall gewesen, den ich mir aufgrund einiger guten Kritiken und auch einem interessanten Trailer vorab noch auf meine Liste gesetzt habe. Und danach muss ich sagen, dass sich das frühe Aufstehen gelohnt hat – selbst wenn hartes, politisches Kino zum „Frühstück“ vermutlich nicht jedermanns Sache ist.
Der Syrer Bashir, seine Familie und weitere Insassen sitzen gerade noch hoffnungsvoll durch Versprechen von Präsident Lukaschenko im Flieger in die belarussische Landeshauptstadt Minsk. Bashir und seine Familie möchten von dort über Polen aus die weitere Route zu einem Verwandten in Schweden aufnehmen. Noch ahnen sie nicht, auf welchen Spießroutenlauf sie sich damit begeben haben, denn die Grenzbeamten sowohl auf belarussischer als auch polnischer Seite werden die Flüchtlinge am dortigen Grenzstreifen hin- und hertreiben und festhalten. Inmitten dieser gefährlichen Zone müssen sich die im polnischen Grenzgebiet Lebenden, der Grenzbeamte Jan und die Psychotherauptin Julia sowie eine Gruppe von Menschenrechtsaktivisten, die sich für die Flüchtlinge einsetzen, behaupten.
„Green Border“ arbeitet sein filmisches und politisch komplexes Thema in sowohl düsterer schwarz/weiß-Optik als auch einer vielschichtigen, mehrseitigen Perspektive auf. Bei dem komplexen Thema, das durchaus viele Graustufen bietet, gibt es jedoch im Bereich der politischen Haltung nur Schwarz und Weiß. Mit einer gewissen Immersion, deren Sogwirkung sich nicht immer bei mir einstellen wollte, zieht uns der Film direkt ins Geschehen an die Seite einer fiktiven, syrischen Flüchtlingsfamilie und lässt uns an ihrer Gefühlswelt und dem Märtyrium teilhaben, in das sie unfreiwillig geraten sind und mit welchen Grausamkeiten und Schrecken sie dort konfrontiert werden. Wir erleben einen polnischen Grenzbeamten, der aus privaten Gründen heraus irgendwann an seiner durch Propaganda bestimmten Tätigkeit zweifelt. Wir erleben wie sich mutige Aktivisten im gefährlichen Grenzbereich der Hilfe gegenüber den Flüchtlingen verschrieben haben und auch wie unbeteiligte Zivilisten im Grenzgebiet Teil der Flüchtlingshilfe werden. Immer sehr nah am Geschehen, dass man durchaus auch aushalten können muss, könnte man dem Film durchaus wenig Subtilität und eine Spur Prätentiösität vorwerfen, wenn es um seine Bilder und die dargestellten Horror-Szenarien geht. Dennoch lässt er kein gutes Haar an der gesamten Situation, in der am Ende gerade im Hinblick auf den polnischen Umgang mit der Flüchtlingssitation mit der Ukraine, bei der wir es gefühlt mit zweierlei Maß zu tun haben. Gerade aber die gezeigte Menschlichkeit inmitten dieser sehr gefährlichen, hoffnungslosen, verzweifelten Situation und eine feine Spur Humor ist genau der Lichtblick am Ende des Tunnels, auf den wir uns fokussieren sollten. Und auch darauf zu hinterfragen, wie gut es uns eigentlich geht, wenn wir einen Blick auf diese Lebens- und Fluchtumstände werfen.
„Green Border“ - My First Look – 9/10 Punkte