Der Film „Monster“ der Regisseurin Patty Jenkins schildert zwar die Taten der ersten (bekannten) Serienmörderin in der Geschichte der USA, unterscheidet sich aber grundlegend von jenen B-Film-Produktionen, die in den letzten Jahren verstärkt auf den Markt gekommen sind (wie etwa “Gacy“, “Ed Gein“, “Speck“ usw.). Der Hauptunterschied stellt vor allem die Herangehensweise dar: Dieser Film lebt von seinen Figuren, nicht von den begangenen Taten – zwar werden jene ebenfalls gezeigt, doch niemals reißerisch ausgeschlachtet (wie etwa bei „Ted Bundy“). Aus diesem Grund kann man „Monster“ eher als ein Charakterportrait bezeichnen, das dem Zuschauer einen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der siebenfachen Mörderin Aileen Wuornos gewährt.
Erzählt wird die Geschichte von Aileen (von allen nur „Lee“ genannt), die in ihrer üblen Kindheit und Jugend immer davon träumte, als Schauspielerin entdeckt zu werden. Der Film setzt aber deutlich später an – Lee (Charlize Theron) ist inzwischen vom Leben abgeklärt und enttäuscht, verdient ihr Geld als Prostituierte und hat kein richtiges Dach überm Kopf, worauf sie Selbstmord begehen will. Um ihre letzten 5 Dollar nicht zu verschwenden, beschließt sie diese in einer Bar auszugeben, wo sie jedoch die gutbürgerliche Selby (Christina Ricci) trifft, die einfach etwas Gesellschaft sucht, da sie in wenigen Tagen zurück zu ihrem Vater muss (wegen ihres unangepassten Verhaltens lebte sie eine Zeit lang bei Verwandten). Die beiden verstehen sich nach einem anfänglichen Missverständnis bestens und beginnen schließlich gar eine Liebesbeziehung.
Kurz darauf wird Lee von einem Freier schwer misshandelt und vergewaltigt, wobei sie sich aber wehren kann und den Mann im Wutrausch erschießt. Aus Angst vor der Justiz verwischt sie alle Spuren und überzeugt Selby (durch das „erbeutete“ Geld), mit ihr durchzubrennen. Gemeinsam erleben sie eine glückliche Zeit, und als das Geld verbraucht ist, versucht Lee sogar einen „richtigen“ Job zu finden, da sie wegen Selby nicht mehr anschaffen gehen will – natürlich ohne Erfolg. Aus Ekel und Abscheu bringt sie es jedoch nicht mehr übers Herz, sich zu verkaufen, worauf sie ihren Kunden erschießt und sein Geld zur Existenzsicherung verwendet, um ihnen ein vernünftiges Leben ermöglichen zu können.
Selby hatte sie nur die erste Notwehr-Tat gestanden, doch natürlich beginnt jene Verdacht zu schöpfen, woher das Geld und die wechselnden Autos (angeblich wären sie von Freunden geliehen) kommen. Als Selby schließlich die Wahrheit erfährt, reagiert sie ängstlich und unwissend, doch als dann Phantombilder der beiden veröffentlicht werden, hält sie dem Druck nicht mehr stand und verlässt Lee…
Der Titel „Monster“ bezieht sich nicht (wie allgemein angenommen) auf die Figur der Aileen, sondern auf ein Riesenrad, vor dem sie in ihrer Kindheit Angst hatte. Der Film vermenschlicht dem Zuschauer die Person, die insgesamt 7 Männer tötete, indem er ihre Absichten und Ausweglosigkeit aufzeigt: Lee tötet nicht, weil sie die Männer hasst, sondern um sich und ihrem gefundenen Glück (= Selby) ein neues Leben zu ermöglichen. Die Schilderungen sind intensiv umgesetzt worden und erwecken ein gewisses Mitgefühl, wobei die Konsequenzen realistisch aufgezeigt werden – der erste Tote war eindeutig Notwehr, doch am Ende tötet sie sogar einen Mann, der ihr nur helfen will, da sie nach dem Erlebten einfach kein Vertrauen mehr fassen kann. Das Schicksal der Aileen steht fast ausschließlich im Vordergrund, und das gezeigte Leid lässt in der Intensität etlicher Szenen sicher keinen Zuschauer kalt.
Die beiden Hauptdarstellerinnen tragen den Film fast vollständig: Charlize Theron (aus „2 Days in the Valley“ oder dem „Italian Job“-Remake) spielt einfach unglaublich und hat alle ihre Preise absolut zurecht erhalten – trotz der (realistischen, weil natürlichen) Maske, die selbst in den stärksten Naheinstellungen niemals wie Make-Up aussieht (!), vermittelt sie Emotionen mit einer derart grandiosen Mimik und zu der Figur passenden Gestik, dass man nur den Hut vor ihrer Leistung zeihen kann. Mit dem veränderten Aussehen und den angefutterten zusätzlichen Kilos ist es kaum zu glauben, dass sie in Wirklichkeit das zierliche und nahezu (optisch) perfekte Geschöpf ist, das wir aus anderen Filmen oder der Oscar-Verleihung kennen.
Ihr zur Seite steht Independent-Prinzessin Christina Ricci (“Buffalo 66“/“Sleepy Hollow“) als kindlich-naive Selby, die ebenfalls großartig agiert. Einige Stimmen behaupten, Ricci agiere etwas zu glatt, doch das ist nun mal Teil ihrer gutbürgerlichen Rolle und stellt den Kontrast zwischen den beiden Frauen noch deutlicher dar. Insgesamt haben die Macher (Theron war übrigens zusammen mit Matt Damon auch als Produzentin tätig) schlichtweg die Idealbesetzung gefunden.
Natürlich kann man auch Kritik üben: Selbstverständlich ist Aileen eine siebenfache Mörderin, doch der Film fokussiert bewusst auf das menschliche Schicksal und die Beziehung der zwei Frauen, weniger auf die Taten und Hintergründe. So wird Lees Kindheit etwas ausgeklammert (ich hätte mir mehr Infos über ihr eigenes, weggegebenes Kind erhofft), wie auch der gesamte Prozess, das Urteil und ihre Hinrichtung am 09.10.2002. Zudem gibt es einige Freiheiten, vor allem in der Figur der „Selby“, die in Wahrheit anders hieß, und die Männer kommen mehrheitlich nicht sehr gut weg (bis auf einige Ausnahmen, wie etwa Bruce Derns Rolle als alter Freund).
Trotzdem: Die Regisseurin hat diese Herangehensweise gewählt – wer die Morde eines Killers sehen will, sollte auf die o.g. B-Filme ausweichen, wer mehr Hintergründe über Aileen erfahren möchte, dem sei die Dokumentation „Aileen: Life and Death of a Serial Killer“ empfohlen, bei der man sich differenzierter ein Bild machen kann, ob sie nun eine „dämonisierte Männerhasserin“ oder „Rächerin misshandelter Frauen“ war (beides wurde von bestimmten Gruppierungen immer wieder behauptet)…
Fazit: „Monster“ ist weder reißerisch noch besonders spannend, was es einem Mainstream-Publikum nicht leicht machen wird. Es handelt sich hierbei jedoch um ein eindringliches Charakterportrait, das eine tragische Geschichte atmosphärisch und unbequem mit Hilfe zweier großartiger Hautdarstellerinnen aufzeigt – auf jeden Fall sehenswert … 8 von 10.