Es ist nicht die Serienkillerin Aileen Wournos, von dem der Titel des Films kündet, „Monster“ bezieht sich inhaltlich gesehen auf ein großes Riesenrad, eine Herausforderung, der sich Aileen als Kind stellte, obwohl sie sich damit nichts Gutes tat. Und das ist auch das Sinnbild des ganzen Films, ein Film, der viele Monster enthält, aber keinem definitiv die Schuld zuschiebt.
Patty Jenkins Film maßt sich in keiner Szene an, zu versuchen, die einzig wahre Geschichte einer mehrfachen Mörderin filmisch nachzuerzählen, denn dafür sind Dokumentationen besser geeignet. Stattdessen orientiert sie sich sehr stark an der echten Aileen Wournos, benutzt die tatsächlichen Fälle, nimmt sich aber auch erzählerische Freiheiten, so z.B. im Fall der fatalen semi-lesbischen Liebesbeziehung von Aileen zu Selby, die in Wirklichkeit einen anderen Namen hatte und auch ein anderer Typ von Mensch war.
Das ist aber insofern nicht so schlimm, da es eh nicht darum geht, ultimativ zu erklären, was einen Menschen zu einem Mörder gemacht hat, sondern in Szene gesetzt wird, was diesen Menschen dazu bewegt hat.
„Monster“ präsentiert dabei eine fatale Abwärtsspirale von Ereignissen, Zufällen, Glück und Unglück, Beziehungen, Wünschen und Abhängigkeiten, die die sämtliche Ereignisse nacheinander fast folgerichtig in ihrer kranken Ausweglosigkeit bewirken.
Halb eine unrealistische Träumerin, doch sehr entschieden wenn es um die Umsetzung von Sehnsüchten geht, zeigen einige Rückblenden AW schon im Teenageralter als leicht zu haben bis promiskuitiv in dem Verlangen nach Nähe und Zuneigung, auf der Suche nach einem Traumprinz. Fehlender Rückhalt und mangelnde Intelligenz treiben sie bald auf den Weg einer Highway-Prostituierten, die allerdings ihre Situation neben Nikotin- und Trunksucht durchaus einzuschätzen weiß, wenn es bei der momentanen bleibt.
Das Schicksalsrädchen im Getriebe wird schließlich die junge Selby, von Christina Ricci unangenehm vielschichtig gespielt, schüchtern und zurückhaltend, Stärke nacheifernd, aber im nachhinein doch das mittelstandsgewohnte und an Lebenslust orientierte Kind, daß verantwortungslos sein Leben genießen will und Schwierigkeiten letztendlich ausblendet.
AW selbst wird gar nicht als lesbisch vorgeführt, aber die Suche nach wahrer Intimität und körperlicher Nähe ist übermächtig und so verfällt sie der mädchenhaften Selby, die zu ihr aufschaut. In diese Phase fällt auch der erste Mord, der als Notwehr interpretiert werden kann, da ihr selbst der Tod durch einen brutalen Freier drohte. Daraus, und aus der Mutter-Ehemann-Rolle, die sie in der Beziehung einnehmen will, resultiert der Wunsch, bürgerlich zu werden.
Wie sehr sich AW jedoch schon von allen Realitäten zugunsten ihrer Träume entfernt hat, beweist eine hinreißend komische und gleichzeit todtraurige Szene, in der sie auf dem Bett liegend ihre Berufspläne äußert und von sich gibt, Tierärztin werden zu wollen. Ihre Bemühungen und Verzweiflung, Selby zu halten, die mal zärtlich, mal quengelnd ihren Pfaden folgt, resultieren aber nur in Ungeduld, weswegen sie in der „ordentlichen“ Welt natürlich aneckt und Hohn und Spott aufgrund ihrer fatalen Selbsteinschätzung erntet.
Von da an zieht sich die Schlinge immer enger, immer gehetzter wird der Versuch, alles für Selby zu sein, was diese sich wünscht, obwohl sie sich bereits entfremden, als Selby sich zusätzliche andere Freunde oder Spielgefährten sucht. Die Ausweglosigkeit und Geldknappheit läßt den alten Plan wieder aufkommen, Freier zu ermorden und ihren Wagen zu benutzen samt Geldes und Inhalt.
Daß sie damit Unrecht tut, blendet AW zunehmend verzweifelt und gehetzt aus und obwohl Selby durchaus von einem Opfer weiß und von mehreren ahnt (ahnen muß), verweigert auch sie sich der Realität und schiebt die Sorge und Verantwortung für sich AW zu.
Die Blindheit für alles Äußere ist schließlich so groß, daß sie ihr letztes Opfer hinrichtet, obwohl es gerade dieser Mann ist, der ihr das bieten will, was sie vor Selby ständig vermißt hat, eine Chance.
„Monster“ idealisiert nichts. Scheint der erste Mord noch Notwehr gewesen zu sein, geht AW später mit der festen Absicht zu Morden an die Sache, teilweise getrieben von Freierhaß, teilweise von dem Wunsch nach Anerkennung und Zärtlichkeit.
Patty Jenkins gelingt es damit, Mitgefühl zu provozieren, ohne jedoch außer acht zu lassen, wie falsch und fatal Aws Taten gewesen sind, sondern beschränkt sich auf eine Schilderung dieser mörderischen Kettenreaktion. Charlize Theron stellt diese Frau mit aller Kraft nach, die eine Schauspielerin auszustrahlen vermag, so daß jede Auszeichnung weiß Gott weiter geht, als bis zum Anfressen von Gewicht und Gesichtsprothesen.
Ihre Aileen ist so intensiv angegriffen und physisch zerfallen dargestellt, daß es schon unangenehm realistisch wirkt, während Ricci dagegen manchmal schauspielerglatt wirkt.
Therons Darstellung geht in die Tiefe, gestützt von einem spröden, aber ungemein geschickten Drehbuch, daß einem derbst auf den Magen schlagen kann, weniger wegen der Morde, sondern vielmehr wegen des kranken Tenors, der die Geschichte bestimmt.
Am Ende wartet auf die Mörderin die Todeszelle, beschleunigt durch die Übernahme der gesamten Schuld. Der Film geht weder mit dem Prozess noch mit dem Urteil ins Gericht, sondern bleibt im Fatalismus seiner Protagonistin stets auf den Menschen fokussiert.
Das ist hartes, düsteres, grausames Kino. Und es ist so unbequem, daß es wunderbar ist. (8/10)