„Nichts geschieht ohne Grund“
„Liebe kann alles überwinden. Es gibt immer einen Silberstreif am Horizont. Der Glaube kann Berge versetzen. Liebe findet immer einen Weg. Nichts geschieht ohne Grund. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Na ja, irgendwas müssen sie einem ja erzählen."
Der Film „Monster" ist nichts für schwache Nerven. Obwohl es sich nicht, wie der Titel vermuten lässt, um einen platten Horrorfilm handelt, sondern um das dramatische Schicksal einer Frau, ist der Streifen für psychisch labile Menschen nur in kleinen bzw. kurzen Dosen zu genießen. Das Betrachten von „Monster" in einem Stück - obwohl er nur 106 Minuten dauert - kann unheimlich anstrengend sein, da die Handlung des Films als ganzes sehr anspruchsvoll und nervenaufreibend ist. „Monster" eignet sich weniger für ein kollektives Filmerlebnis in einer geselligen Runde bei Popcorn, Chips und Bier, als vielmehr für einen interessanten Filmabend ggf. mit anschließender Diskussionsrunde mit ausgewählten Personen des Vertrauens. Spätestens nach dem Film ist vielen Menschen eher nach einer lebhaften Diskussion als nach Feiern zu Mute.
„Monster" ist ein erschreckendes und zugleich beeindruckendes Drama von der Regisseurin und Drehbuchautorin Patty Jenkins aus dem Jahr 2003. Oberflächlich betrachtet scheint der Titel durchaus zutreffend. „Monster" impliziert, dass eine Person bewusst, mit voller Absicht die schrecklichsten Taten vollbracht hat. Dies trifft bei alleiniger Betrachtung der Morde als allein stehende, isolierte Ereignisse uneingeschränkt zu. Versucht man allerdings etwas tiefer die Materie einzudringen ist der Name des Films eher unpassend und irreführend. Natürlich sind die Gräueltaten der Hauptdarstellerin Aileen - grandios gespielt von Charlize Theron - nicht zu beschönigen, sieht man die Ereignisse aber in einem übergeordneten Gesamtzusammenhang, so ändert sich die Betrachtungsweise. Fügt man diese Einzeltaten unter dem Gesichtspunkt „unausweichliches Schicksal" zu einem Gesamtbild zusammen, erscheint die Person Aileen Wuornos nicht als grausames Monster, sondern eher vielleicht als Gefangene in ihrem eigenen Schicksal. Man entwickelt zu einem gewissen Grad sogar Verständnis und Mitgefühl für die Hauptdarstellerin. Doch was ist nun eigentlich geschehen?
Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit. Aileen Carol Wuornos wurde am 29. Februar 1956 geboren. Das unausweichliche Schicksal von Aileen nimmt seinen Lauf, als sie gerade acht Jahre alt war. Im Film erfährt man, dass sie bereits in diesem Alter von ihrem Onkel sexuell missbraucht wurde, was allerdings von ihrer Familie ignoriert wurde. Mit 13 Jahren, von ihrem Umfeld als Hure beschimpft, war sie gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Vollkommen finanziell auf sich allein gestellt und dementsprechend mittellos, begann sie als Prostituierte Geld zu verdienen. Ende der 1980er Jahre ist sie wieder mal vollkommen abgebrannt, also geht sie als Prostituierte arbeiten. Sie ist deprimiert und hängt in den Bars der Stadt ab. Als sie einige Jahre später der jungen Frau Selby Wall (ebenso gut gespielt von Christina Ricci) in einer Bar für Homosexuelle begegnet, hat sie nach einem Selbstmordversuch auf Grund der Ausweglosigkeit ihrer Situation mit ihrem Leben an sich schon abgeschlossen. Selby wurde von ihren Eltern zu einer strenggläubigen Tante nach Florida geschickt, um dort von ihrer Homosexualität „geheilt" zu werden.
Aus Aileens anfänglicher Ablehnung entwickelt sich rasch Zuneigung zu Selby. Aus beidseitiger Zuneigung wird entflammt schließlich die große Liebe zwischen den beiden ungleichen Frauen: Ailleen, die äußerlich selbstbewusste, von der Brutalität des Lebens gezeichnete Frau und Selby, das schüchterne, naive Mädchen auf der Suche nach Zuwendung. Aileen verspricht sich von der Liebe Selbys den Einstieg in ein neues Leben, da sie endlich mit der Prostitution aufhören möchte. Bald schon kann Aileen Selby überzeugen, das konservative und einengende Heim ihrer Tante hinter sich zu lassen um fortan mit ihr in „Freiheit" zu leben. Es dauert aber nicht lange bis die anfängliche Euphorie wieder abebbt. Das größte Problem der beiden ist der Mangel an Geld. Deshalb beschließt Aileen doch wieder anschaffen zu gehen, um Selbys Wünsche erfüllen zu können. Bei ihrem vorerst letzten Freier kommt es jedoch zum Eklat. Gefesselt und blutig geschlagen, voller Angst um ihr eigenes Leben tötet sie den Ladenbesitzer Richard Mallory aus Palm Harbor (Florida) am 30. November 1989. Während Aileen ihrer Freundin die Tat verheimlicht, geht sie wieder auf die Straße, um das dringend benötigte Geld zu verdienen. Ich würde jetzt nicht soweit gehen und die folgenden Taten einen Rachefeldzug nennen, eher vielleicht eine unglückliche Fügung des Schicksals. Es bleibt jedenfalls nicht Aileens einziger Mord. Übermannt von Gefühlen des Hasses und der Abscheu erschießt sie noch fünf weitere Männer. Ein Opfer ist bis heute noch nicht gefunden worden. Das Elend spitzt sich immer weiter zu. Selby ist hin- und her gerissen zwischen Liebe und Ablehnung bzw. Distanzierung, als ihr das Ausmaß von Aileens Taten bewusst wird. Einerseits möchte sie ihre Liebe nicht im Stich lassen, anderseits wird ihr die Ausweglosigkeit der Situation bewusst, als sie in den TV Nachrichten erfährt, dass die Polizei ihre Verfolgung bereits aufgenommen hat und sich das Netz immer weiter zu zieht. Nachdem Aileen Selby in einem Bus in die vermeintliche Sicherheit und Freiheit schickt und sie allein zurückbleibt, wird sie von der Polizei in einem Biker-Treff festgenommen, nachdem sie von Zeugen mit dem Wagen eines ihrer Opfer bei einem Autounfall gesehen worden war.
Anfänglich leugnet Aileen alle Taten. Selbst als sie im Gefängnis von Selby angerufen wird, glaubt sie noch an ihre Chance auf Freiheit und eine gemeinsame Zukunft. Im Laufe des Gesprächs wird ihr die Ausweglosigkeit ihrer Situation klar. Sie wird misstrauisch und erkennt, dass sie in eine Falle getappt ist. Das Gespräch wird von der Polizei abgehört und aufgezeichnet. Aus Liebe zu Selby, auch um sie zu entlasten und zu schützen, gibt Aileen alles zu: „Ich wünschte, die Leute könnten einem so was irgendwie verzeihen...Aber das können sie nicht. Sie können´s einfach nicht. Und deshalb werde ich sterben, Sel." Aileen Wuornos gestand schließlich, mindestens sechs Männer ermordet und ausgeraubt zu haben. Ihre Verteidigung - angeblich hätten die Männer sie vergewaltigt, als sie (illegal) als Prostituierte gearbeitet habe - blieb erfolglos.1992 wurde Wuornos von einem Gericht in Florida zum Tode verurteilt. Im Film reagiert sie auf ihr Todesurteil uneinsichtig mit den Worten: „Vielen Dank, Euer Ehren. Sie schicken eine Frau die vergewaltigt wurde in die Todeszelle."
Die schauspielerische Leistung von Charlize Theron ist grandios. Deshalb ist sie meines Erachtens auch zu Recht 2004 mit dem Oscar als beste Darstellerin ausgezeichnet wurde. Es ist schon sehr beeindruckend, wie die Masken- & Kostümbildner die von Natur gegebene Schönheit von Charlize Theron übertünchen konnten, um sie als Aileen Wuornos dermaßen heruntergekommen und abgewrackt, bzw. vom Leben gezeichnet aussehen zu lassen. Der Film lebt von der erschreckend beeindruckenden und fesselnden Atmosphäre. Er zieht seine Energie aus der Eindringlichkeit und den realistisch-authentischen Bildern, die hauptsächlich getragen werden von der superben schauspielerischen Leistung der am 7. August 1975 in Benoni (Südafrika) geborenen Schauspielerin Theron. Jahrelang war sie auf die Rolle der schönen Frau an der Seite der männlichen Hauptdarsteller festgelegt (z.B. „Im Auftrag des Teufels", „Die Frau des Astronauten" oder „Men of Honor"), bis sie in dem Film „Monster" die Rolle der Aileen Wuornos, der ersten weiblichen Serienmörderin, spielte.
Wie bereits erwähnt, wird Selby Wall von Christina Ricci dargestellt. Die am 12. Februar 1980 in Santa Monica in Kalifornien bergan bereits mit 10 Jahren ihre Schauspielkarriere und hat auch schon zahlreiche renommierte Auszeichnungen erhalten. Im Film „Monster" bleibt ihre schauspielerische Leistung im Vergleich zu Charlize Theron jedoch eher blass. Dies mag zum einen an ihrer Rolle als zurückhaltendes, naives Mädchen liegen, als an der „Brillanz" (klingt etwas unpassend für diese Rolle) einer Charlize Theron, die mit voller Wucht als eine von Schicksalsschlägen geprägte Frau das Geschehen dominiert. Derzeit ist Christina Ricci in dem Streifen „Black Snake Moan" an der Seite von Samuel L. Jackson zu bewundern.
FAZIT:
Der Film ist nichts für Zartbesaitete. Der Stoff sowohl unter die Haut als auch dem Betrachter noch tagelang im Geiste nach. „Monster" bringt einerseits Mitgefühl für Aileen Wuornos auf - weshalb der Titel wie bereits erwähnt etwas irreführend ist - er verharmlost aber andererseits ihre brutalen Verbrechen in keinster Weise. Therons Darstellung porträtiert entsprechend die schreckliche Lebensgeschichte dieser Frau, ohne ihren Furcht einflößenden, starren Blick zu besänftigen. Acht Punkte gibt es „nur" deshalb, weil der Soff wirklich sehr schwer zugänglich und verdaulich ist. Man hätte meines Erachtens auch den Titel anders wählen können oder gar müssen, denn letztendlich war Aileen Wuornos nur ein Spielball ihres eigenen Schicksals. Sie konnte vermutlich gar nicht anders bzw. hatte keine andere Wahl, als diese Männer zu töten, um ihre Liebe zu Selby, die für sie stärker war als alles andere, rechtfertigen und mit finanziellen Mitteln aufrechterhalten zu können. Ihr Weg ins unvermeidliche Verderben war durch ihr Schicksal schon von Anfang an vorgezeichnet, weshalb sie ihn an sich nur noch hilflos beschreiten konnte.
(8 / 10 Punkten)