Review

Monster (9/10)

Ich bin eigentlich kein Fan der Filme, in denen billige Kritik an der Todesstrafe geübt werden soll, und weinerlich der ach so arme Täter ins Bild gerückt wird. „Dead Man Walking“ ist so ein Fall weinerlicher und peinlicher Menschelei, dass es einem schlecht werden konnte.

Monster ist ein anderes Beispiel, und ein um längen besseres. Das liegt vor allem daran, dass die Regisseurin, Patty Jenkins, keine Bewertung in ihren Film einfließen lässt, so wie dies Tim Robbins getan hat in Dead Man Walking. Bei Robbins spielte Susan Sarandon die mitleidige, menschenliebe Nonne, die dem Verbrecher vor seinem Tod noch einmal zur Einkehr und Gottes Liebe bewegen will: gefühlsduseliges Kino vom Feinsten, mit einer peinlichen Showeinlage von Sean Penn als heulender Death-Row Anwärter.

Patty Jenkins hat in ihren Film keine Erörterung über die Todesstrafe eingebaut. Sie begleitet, und glorifiziert noch verharmlost, die Taten ihrer Hauptakteurin. Dadurch kommt der soziologische Aspekt mehr zur Geltung.

Aber es ist auch die Geschichte selber, die Monster zu einem beklemmenderen Film macht als den von Tim Robbins. Zum einen ist die handelnde Person eine Frau, die, soweit man Berichten glauben darf, in ihrer Kindheit sexuell Missbraucht wurde. Ihre Taten sind also Ausdruck eines Traumas. Dies soll nicht bedeuten, dass man sie gutheißen würde. Der Film versucht dies auch nicht.

Vielmehr ist, anders als Dead Man Walking, Patty Jenkins Film eine Charakterstudie, eine Liebesgeschichte zwischen zwei gesellschaftlichen Outsidern, die eine die naive Selby, die sich nur zum Abenteuer auf eine Liebesgeschichte mit einer Frau einlässt, aus Trotz, aus Freiheitsideen. Als sie erfährt, was Aileen gemacht hat, arbeitet sie mit dem FBI zusammen, da ihre Welt einbricht.

Die Person der Aileen ist dabei eine zwiespältige Angelegenheit. Die Vergewaltigungsszene ist hart mit anzusehen, und innerlich erwartet man eine harte Abrechnung mit dem Täter. Doch auch hier bleibt der Film eher sachlich, und ist nie voyeuristisch. Dennoch habe ich unterbewusst mit Aileen sympathisiert. Danach geht Aileen weiter anschaffen, immer mit dem Revolver. Und dann hat der Film seine beste Szene.

Es ist die Szene, in dem sie bei einem dicken, leicht schielenden Mann einsteigt. Aileen kommt sofort zu Sache, und der Zuschauer glaubt (so ich zumindest), der Film würde den selben Weg fortsetzen. Tut er aber nicht. Aileen geht den Freier hart an, und meint :“Du willst es doch grob“. Doch dieser, völlig verängstigt, meint: „Nein, ich mag es nicht grob, und das hier ist mein erstes Mal“. Als sie ihn danach manuell befriedigt, bedankt er sich artig, und bleibt am Leben. Warum finde ich diese Szene mit die beste des ganzen Films? Weil „Monster“ hier nicht das übliche „Opfer-Rache“-Schema anwendet, etwas, dass den Film auch abgewertet hätte. Statt dessen wird der Freier als unsicherer, sexuell unerfahren, aber nicht aggressiv dargestellt, eine Wohltat nach der Gewaltexzesse der Anfangszene. Und sie zeigt auch, dass Aileen nicht jeden tötet, keine Killerin ist, sondern eine zutiefst traumatisierte und verletzte Frau.

Aus diesem Grunde bin ich so erstaunt gewesen, als Aileen am Ende den älteren Mann umbringt, ohne dabei sexuelle Motive gehabt zu haben. Allerdings ist der Film schon in einem Stadium, an dem Selby sich von ihr getrennt hat, und jede Perspektive zunichte zu gehen scheint: das FBI ist beiden auf dem Fersen, und die Zukunft, die sie sich erträumt hat, ist vorbei.

Monster ist kein leicht zu konsumierender Film, und er gibt auch nur Teilaspekte wieder. Aber er schafft es, ohne ein zuviel an Sentiment, eine Liebesgeschichte zu erzählen, die zum Scheitern verurteilt ist. Es ist eine Story über (sexuelle) Gewalt, Traumata und Liebe, und die Realität einer Außenseiterin, die nie eine Chance zu haben glaubte.

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