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Es ist wirklich schade, dass Guido Zurli („Mister Zehn Prozent - Miezen und Moneten“, „Der Würger kommt auf leisen Socken“), der seine sich seine Sporen als Assistent Sergio Corbuccis („Django“, „Leichen pflastern seinen Weg“) verdiente, kein Drehbuch erhielt, dass die wirklich guten, weil unverbrauchten Ideen mit mehr Feinschliff verband, denn „Schneller als 1000 Colts“ hält neben alten Tugenden auch ungewöhnliche Ansätze parat.

Denn für ein Genre, das sich vorwiegend über Rache und Gier definiert, die hier natürlich auch eine Rolle spielen, wartet dieser Italowestern mit einer ungewöhnlichen Prämisse auf.
In Desert Spring, einem kleinen Kaff in Kalifornien hat sich der skrupellose Brady ein Monopol in so ziemlich jeder Beziehung aufgebaut. Die Warenlieferungen der Händler fängt er noch vor Ankunft ab und kauft sie selbst auf, nur um die Produkte zu horrenden Preisen selbst anzubieten. Das restliche Kleingeld saugt er den Bewohnern in seinem Saloon aus, den er in ein Casino umfunktioniert hat.
Da der Sheriff mit reichlich Alkohol genau wie der spätere Richter gut geschmiert sind, kann und will ihnen auch niemand Einhalt gebieten. Das erfährt auch Claudio Ruffini, der noch in der Eröffnungsszene hops geht, als er sich über die Bierpreise mokiert und flugs kalt gestellt wird.
Nur die ein gutes Stück zu emanzipierte Kaufmannstochter Sheila will Brady und seinen Männern noch die Stirn bieten und da kommt ihr der Fremde mit Namen Ray (George Martin, „Eine Pistole für Ringo“, „Ringo kehrt zurück“) gerade recht.

Nun ist dieser Ray aber fern der gängigen Fremden angesiedelt, die normalerweise im Italowestern einsam die Stadt bereiten. Mit einem Muli anstatt einem Pferd ausgestattet und mit einer verschlossenen Kiste, die bis kurz vor Schluss übrigens auch nicht geöffnet wird, im Gepäck sieht er, neu in der Stadt und durstig, gar nicht ein soviel für zwei Bier hinzulegen und prügelt sich mit Bradys Handlangern, die übrigens von Ignazio Spalla, der ständig lacht und als Running Gag etwas in den Magen bekommt, angeführt wird.

Für einen Italowestern ungewöhnlich geschwätzig und darüber hinaus auch arm an Schusswaffengebrauch muss man sich als Genrefan leider damit zufrieden geben, dass abseits der Innovationen Dialoglastigkeit regiert und der Film sich viel zu oft nicht zwischen Spaß und Ernst entscheiden kann.
So werden in den Gesprächen von literarischen Größen wie Shakespeare bis zu Mathematikern wie Archimedes, Euklid und Pythagoras großkalibrige Geschütze aufgefahren, die man in diesem Genre so gar nicht kennt und ein ums andere Mal ein Schmunzeln hervorrufen, aber die Geschichte ringsherum kommt dafür kaum in Gang.

Ray beispielsweise gibt sich redselig wie mysteriös als Waffenspezialist, will nach der grünblauen Tracht Prügel und einer folgenden Genesung bei Sheila wieder schnurstracks aus der Stadt reiten, weil er weder mit dem Colt umgehen kann noch Streit sucht, dann aber von Bradys Männern erneut gedemütigt wird und sich zu bleiben entschließt, um Sheila und ihrem Vater unter die Arme zu greifen, in dem er ihnen Ware vom Großhändler in Sacramento besorgt.
Obwohl George Martin ihn solide verkörpert, der verhinderte Held sich auch in ein paar Prügeleien wacker schlägt und die Lüftung seiner Identität mit anschließendem Epilog für ein wenig Erstaunen sorgt, bleibt er doch eine stereotype Figur ohne eigene Merkmale, dem unter anderem Gordon Mitchell mit zwei wunderbar skurrilen Auftritten die Show stiehlt. Weil ihm von Bradys Männern die Hände zerschlagen wurden, hockt er zwischen Felsbrocken in der Botanik und wartet auf seine Genesung bis ihm Ray zufällig über den Weg läuft, ihm Essen gibt und Gordons Revolver umbaut, so dass er auch mit verkrüppelten Händen schießen kann – eine lohnende Investition wie sich herausstellen soll.

Dem zahnlosen Humor ist es zu einem Großteil zu verdanken, dass „Schneller als der Tod“ letztlich in der Rumpelkammer für durchschnittliche Italowestern landet, denn vor allem die sich bei ihren Erniedrigungen so witzig vorkommende Bande Bradys oder der aus Zucker und Kaliumchlorat Knallfrösche bastelnde Mexikanerjunge sind maximal halbwitzig wenn nicht schon albern – ganz zu schweigen von den ewig abgefüllten Sheriff und Richter.

Lange, viel zu lange kaut der Film auf seiner Prämisse herum, ohne dass Brady endlich mal etwas Gescheites einfällt, wie er sein Monopol halten kann oder Ray genug Schneit aufbringt sich ihm entgegenzustellen. Es bleibt lange bei einem Abtasten der beiden Parteien, wobei Ray nie den Kürzeren zieht. Seine nicht so ganz abwegige Romanze mit Sheila wird übrigens nur angedeutet und durch ein tödliches Schicksal im näheren Kreis dann ohnehin zu den Akten gelegt. Trotzdem stört diese furchtlose, störrische Emanze in dieser Männerwelt extrem und passt so dominant nicht ins Geschehen.

Immerhin werden die Methoden mit zunehmender Anzahl der Versuche Bradys Monopol zu sprengen radikaler, so dass Brady bald nicht mehr vor zurückschreckt auch zu töten – erst nur Tiere dann auch Menschen. Mit List und Tücke will er Ray sogar legal und offiziell den Prozess machen, hat sich dabei aber gründlich verkalkuliert. Ein Straßenzug voller Leichen sind die Folgen und wer nach dem Grund sucht, muss eigentlich nur den englischen und deutschen Titel kombinieren.

Wenig Eindruck hinterlässt „Schneller als 1000 Colts“ vor allem in atmosphärischer Hinsicht, denn Zurlis seichte Regie trägt wirklich nicht die Handschrift eines erfahrenen und versierten Italowesternregisseurs, der vielleicht noch Einfluss hätte gelten machen können und den Grundtenor ernster gestaltet hätte, was dem Film gut täte. Allzu akzentfrei und ohne einen eigenen Stil zeichnet er sich höchstens als solider Handwerk aus.
Auch die trotz einiger bekannter Gesichter unauffälligen Darsteller, von denen man den uncharismatischen George Martin, der eher mit seinen akrobatischen Einlagen und Basteleien auffällt, exemplarisch hervortun kann, rufen wohl kaum ihr gesamtes Können ab.

Wirklich ärgerlich ist aber, dass der Plot so lange auf einer Stelle trampelt und das Geschehen sich wiederholt lieber um Brady und seine Männer bei diversen Unternehmungen kümmert und weniger um deren zahlenmäßig unterlegene Opposition schert, die sich schon etwas einfallen lassen muss, um im Handelskrieg zu bestehen und Hilfe durch Geläuterte benötigt.


Fazit:
Die gelungenen Details sichern „Schneller als 1000 Colts“ einen Platz im gesicherten Mittelfeld, denn ansonsten kann sich der Film kaum mit Stärken brüsten. Dafür hängt die Prämisse zu lange im selben Stadium, sind die Schauspieler zu durchschnittlich, ist der Humor zu halbherzig und unpassend und wird zu selten zum Colt gegriffen. Guido Zurli scheint sich darüber hinaus auch nicht so viel von Corbucci abgeschaut zu haben und inszeniert eher unspektakulär wie einfach. Schade um die verheißungsvollen Ansätze, die hier verheizt werden.

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