Review

Inzwischen verbreitern die großen Superheldenfilm-Studios ihre Portfolios, kramen auch die Charaktere aus der zweiten bis dritten Reihe hervor und versuchen neue Zielgruppen anzusprechen. Mit „Blue Beetle“ aus dem Hause DC wird die Comicfilmwelt nun um einen Latino-Superhelden erweitert.
Beim angehenden Hero, der noch nichts von seiner Bestimmung weiß, handelt es sich um Jaime Reyes (Xolo Maridueña). Der kehrt gerade mit seinem Jura-Vordiplom von der Gotham University heim nach Palmera City, wo die Familie keine guten Nachrichten für ihn hat: Papa Alberto (Damián Alcázar) hatte einen Herzinfarkt, musste die eigene Autowerkstatt aufgeben und ist infolgedessen pleite, weshalb auch das Haus der Familie zum Verkauf steht. Dort wohnen noch Mutter Rocio (Elpidia Carrillo), Großmutter Nana (Adrianna Barraza), Jaimes Schwester Milagro (Belissa Escobedo) und Onkel Rudy (George Lopez). Diese schreien gerne durcheinander, feuern sich gegenseitig an und fahren einen Pick-Up mit „La Cucaracha“-Hupe. Regisseur Angel Manuel Soto und Drehbuchautor Gareth Dunnet-Alocer sind selbst Latinos; entweder ist dies nicht bloß Klischee, sondern tatsächlich authentisch – oder sie wollten es sich einfach für den Massenmarkt machen.
In Palmera City, dem Miami des DC-Universums, residieren aktuell auch Mitglieder der Industriellenfamilie Kord. Victoria (Susan Sarandon) leitet den Megakonzern Kord Industries und hat nichts Gutes im Sinn, will sie doch auf Waffenproduktion setzen und hat zu diesem Zweck ein Alien-Artefakt ausbuddeln lassen. Jenny (Bruna Marquezine), der Tochter ihres verschollenen Bruders, schmeckt das gar nicht, aber deren Handlungsoptionen sind eingeschränkt. Da sie wenig echte Autorität im Konzern hat, klaut sie das käferförmige Artefakt kurzerhand und drückt es Jaime in die Hand, der gerade zwecks Vorstellungsgespräch in der Zentrale vorbeischaut.

Eigentlich soll Jaime auf den verpackten Gegenstand nur aufpassen, doch auf Geheiß seiner Familie öffnet er die Box, woraufhin der Alien-Käfer mit seinem Körper verschmilzt und ihm Superkräfte verpasst. Dummerweise sind die Schergen des Konzerns hinter dem guten Stück her…
„Blue Beetle“ mag den Nachteil haben zu einem Zeitpunkt zu erscheinen, an dem sich a) eine gewisse Übersättigung mit Superhelden breitmacht und b) es vieles bereits gab. Doch schon selbst unter diesen Umständen wirkt das Ganze einfach nur wie ein Imitat anderer Erfolgsfilme. Da gibt es den jungen Helden, der mit seinen neuen Kräften hadert („Spider-Man“), die eher unfreiwillige Alien-Präsenz im eigenen Körper („Venom“) und die Fähigkeit beliebige Waffen aus seinem Körper heraus zu erzeugen („Green Lantern“, „Venom“). Dass die Corporate-Schurkin und viele Designs an „Ant-Man“ erinnern, vieles an dem Kampfanzug starke „Iron Man“-Vibes hat und man den Running Gag mit den durch die Verwandlung zerstörten Klamotten vor allem mit dem Hulk verbindet, hilft „Blue Beetle“ auch nicht gerade beim Ringen um Originalitätspreise.
Aber selbst davon einmal abgesehen, fühlt sich „Blue Beetle“ furchtbar nach Schema F an. Da gibt es die verstorbenen und verschollenen Elternteile auf Seiten der Sympathieträger, da gibt es den üblichen Origin-Story-Kram mit der unfreiwilligen Heldwerdung und der Schurkin, die natürlich genau hinter dem Ding her ist, aus welchem der Held seine Kräfte zieht. Da gibt es die obligatorische Liebesgeschichte zwischen dem Underdog und dem Mädel, das vorgeblich alles hat. Als mehr oder minder lustige Sidekicks funktionieren in diesem Fall Jaimes schräge Sippschaft, allen voran die vorlaute Schwester sowie Onkel Rudy, der mal wieder einer dieser Anti-Konzern-Verschwörungstheoretiker ist, den der Film zum schrulligen, teilweise bekloppten, aber teilweise richtig liegenden Comedic Sidekick (siehe auch „Godzilla vs. Kong“) ernennt.

Das wäre ja alles noch erträglich, würde „Blue Beetle“ beim Abhaken seiner Checkliste nicht so fürchterlich plump vorgehen. Holprig werden Storybausteine aneinandergereiht, ohne dass die Geschichte je einen organischen Fluss entwickeln würde. Noch schlimmer wirkt es, wenn „Blue Beetle“ seine sozialen Kommentare hölzern einbindet und die Figuren vollkommen unmotiviert darüber reden lässt, wie sich reiche Konzerne auf Kosten weniger privilegierter Latino-Communitys bereichern. Was inhaltlich nicht falsch ist, aber selten so unelegant umgesetzt wurde wie hier. Apropos Latino-Community: Die ist abseits der Reyes-Familie über weite Strecken des Films nur im Dialog präsent, taucht dann aber in der letzten Szene noch einmal wie Kai aus der Kiste auf, um Solidarität zu beweisen, was den ungelenken Aufbau des Films nur noch unterstreicht.
Dafür gibt es von der Reyes-Familie viel zu sehen, die Jaime ständig unter die Arme greift und im Finale sogar mit gegen die Schurken kämpft. Das natürlich auf jene Art, die „Blue Beetle“ unter Humor versteht, die allerdings darauf schließen lässt, dass die Witze von El Mario Bartho ins Drehbuch gekritzelt wurden. Da gibt es Revoluzzer-Omas mit Gattling-Guns, einen Käfer-Kampfpanzer mit Furzwaffe und Spekulationen, ob der Alien-Skarabäus Jaime vielleicht durchs Rektum in den Körper gekrabbelt sein könnte. Dabei sitzt so gut wie keiner dieser Gags, die eher peinlich als lustig sind. Wesentlich besser sitzt der Einsatz von „Kickstart My Heart“ von Motley Crue in einer Actionsequenz – es gibt eine intradiegetische Erklärung dafür, warum es Eighties-Referenzen im Film gibt und der „Blue Beetle“-Schriftzug ein Eighties-Design hat, aber sonderlich ergiebig ist das nicht.

Immerhin sehen die CGI-Effekte merklich vollendeter aus als in der DC-Produktion „The Flash“. Leider fehlt es „Blue Beetle“ weitestgehend an wirklich brauchbarer Action, trotz der Verpflichtung von J.J. Perry als Second-Unit-Regisseur und Jon Valera als Stunt Coordinator. Ein paar gute Nahkampf-Moves haben die Stuntmen via Motion-Capturing geliefert, worauf dann natürlich die animierten CGI-Kontrahenten gelegt wurden. Meist sind die Kämpfe aber bloß langweilig zusammengefrickelte Ballereien und Hauereien, vollkommen uninspiriert nach Schema F in Szene gesetzt. Dass das Ganze größtenteils aus dem Rechenknecht stammt, mag in der Natur des Sci-Fi-Hintergrundes liegen, doch andere Beispiele bemühten sich bei den Superwesen-Kloppereien um eine wesentlich realistischere Physik, eine einfallsreiche Inszenierung oder wenigstens neuartige Optik – all das geht „Blue Beetle“ leider ebenfalls ab.
Xolo Maridueña ist als Hauptdarsteller ein Gewinn, auch wenn er in erster Linie eine Variation seiner „Cobra Kai“-Rolle als kampfstarker Idealist spielt, der mit den Problemen seines Lebens und des Alltags hadert. Bruna Marquezine als Love Interest ist ganz okay, George Lopez und Belissa Escobedo überzeugen an der Sidekick-Front, während der Rest der Familie eher in den Nervensägenbereich fällt. Susan Sarandon liefert eine 08/15-Performance als eiskalte Konzernchefin ab, sodass ihr Raoul Max Trujillo als oberster Handlanger ihr regelmäßig die Schau stiehlt.

Letzten Endes ist „Blue Beetle“ technisch brauchbare, aber erschreckend uninspirierte, hölzern geschriebene und unelegant inszenierte Stangenware, deren Humor an die unsäglichen „Fantastic Four“-Filme von Tim Story erinnert. Xolo Maridueña gehört zu den wenigen Stärken von „Blue Beetle“, aber er – und auch die Latino-Zielgruppe – hätte einen wesentlich besseren Film verdient als diesen flauen Langweiler mit faden Witzen und weitestgehend egalen Actionszenen.

Details
Ähnliche Filme