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Obwohl der deutsche Verleih mit dem Titel "Das größte Rindvieh weit und breit" versuchte, auch mit "Fantozzi" auf die Mitte der 70er Jahre nach Deutschland schwappende Klamaukwelle aus Italien aufzuspringen, misslang dieses Unterfangen, denn während es der Film in Italien zu neun Fortsetzungen in mehr als 20 Jahren brachte - immer mit Paolo Villaggio in der Rolle des Ugo Fontazzi - kam nicht einmal die erste noch von Regisseur Luciano Salce verantwortete Fortsetzung "Il secondo tragico Fantozzi" (1976) in die deutschen Kinos. Angesichts diverser italienischer Sex-Klamotten-Reihen (darunter "L'Insegnante" (Die Bumsköpfe, 1975), der die "Flotte Teens" - Reihe startete), die trotz ihrer sehr überschaubaren Qualität medial weit verbreitet wurden, überrascht es vordergründig, dass die absurden, slapstickhaften oder schlicht blöden Erlebnisse des kleinen Angestellten Ugo Fontazzi außerhalb Italiens keine Anhänger fanden.

Tatsächlich wird besonders an den ersten beiden "Fantozzi"- Filmen der feine Unterschied zwischen Filmkomödie und der "Commedia all'italiana" deutlich. Während die Komödie, unabhängig von ihrer jeweiligen Ausdrucksform, vor allem der Unterhaltung dient, zeigt die "Commedia all'italiana" ein genaues Gespür für die Realität, die sie zwar in verzerrter Form wiedergibt, dabei hinter dem witzigen Treiben aber auch die Tragik vermittelnd, mit der sie die gezeigten Verhältnisse letztlich kritisch beleuchtet. Die Entwicklungslinie von "Guardie e ladri" (Räuber und Gendarm, 1951) über "I soliti ignoti" (Auch Diebe haben es schwer, 1958), der heute als erster signifikanter Vertreter der "Commedia all'italiana" gilt, bis zu "Fantozzi" lässt sich entsprechend leicht herstellen. Regisseur Luciano Salce hatte schon früh mit "Il federale" (Zwei in einem Stiefel, 1961) und "La voglia matta" (Lockende Unschuld, 1962) zwei Vertreter des Genres abgeliefert, bevor er beim Episodenfilm "Alta infedeltà" (Ehen zu Dritt, 1964) direkt mit Mario Monicelli, einem der Wegbereiter der "Commedia all'italiana", zusammen arbeitete.

Dessen Film „L'armata Brancaleone“ (Die unglaublichen Abenteuer des hochwohllöblichen Ritters Branca Leone, 1966) gehört wie „Fantozzi“ zu den spezifisch italienischen Komödien, deren Humor sich ohne genaue Sprachkenntnisse und Einblick in landestypische Eigenheiten nicht vollständig erschließt, weshalb sich dessen Bekanntheitsgrad außerhalb Italiens in Grenzen hielt. An der Fortsetzung „Brancaleone alle crociate“ (Brancaleone auf Kreuzzug ins heilige Land, 1970), die nur stark gekürzt in die deutschen Kinos kam, war der Komiker Paolo Villaggio in einer seiner ersten Rollen beteiligt. Wenig später schrieb er über die von ihm erdachte Figur des „Ugo Fantozzi“ zwei Romane, bei deren Verfilmung er die Hauptfigur selbst spielte und es in Italien zu großer Popularität brachte. Aus dem Blickwinkel eines kleinen, unauffälligen Angestellten schildert Villagio dessen verbissen geführten, ständig scheiternden Kampf gegen die Widrigkeiten des Lebens, wobei ihm tiefe Einblicke in den italienischen Alltag gelingen. Trotz der humorvollen Inszenierung und Fantozzis Unverwüstlichkeit, lässt der Film die Ignoranz und den Egoismus einer Sozialisation deutlich werden, in der nur der erfolgreich Wirkende etwas gilt – unabhängig davon, ob gerechtfertigt oder nicht - eine bis heute unveränderte Situation, die hier an spezifisch italienischen Eigenarten durchgespielt wird.

Villaggio wählte eine episodenhafte Erzählweise, die zwar unterschiedliche Aspekte des Arbeits- und Privatlebens in sich abgeschlossen behandelt, dabei aber eine Art geistiger Klammer verwendend – auch dank der ironischen Überleitungen aus dem Off – die dem Film einen zusammenhängenden Charakter verleiht. Für die gesamte Handlung bestimmend bleiben Fantozzis vergebliche Annäherungsversuche an seine Kollegin Signorina Silvani (Anna Mazzamauro), womit der Film die Idealisierung des „kleinen Mannes“ vermeidet, der zuerst immer auch ein Mann ist. Obwohl Fantozzis Stellenwert auf unterster Ebene angesiedelt ist, wie schon die erste Szene des Films verdeutlicht, in der ihn seine Frau Pina (Liù Bosisio) erst nach 18 Tagen als vermisst meldet (seiner Firma war seine Abwesenheit noch nicht aufgefallen), will er Signorina Silvani, immerhin schon zum zweiten Mal zur „Miss“ der 40. Etage gewählt, erobern. Anna Mazzamauro, die diese Rolle sieben weitere Male verkörpern sollte, ist in ihrer spitznasigen Dünnheit nicht unbedingt ein Schönheitsideal, weiß aber ihre Wirkung geschickt einzusetzen, weshalb sie Fantozzi immer gerade so viel entgegen kommt, dass er den Mut nicht ganz verliert.

Auch wenn Fantozzi in allen Situationen eine komische Figur abgibt und viele Niederlagen einstecken muss, vermeidet es der Film, ihn vollkommen der Lächerlichkeit preiszugeben. Zwar fällt es ihm selbst schwer, seine Tochter Mariangela (Plinio Fernando) zu küssen, die mehr wie ein Äffchen aussieht, aber als sich die Chefs seiner Firma bei einer Weihnachtsgratifikation über ihr Aussehen lustig machen und sie damit zum Weinen bringen, schreitet er vehement ein. Zunehmend wird deutlich, dass es nicht Fantozzi ist, um den es hier wirklich geht, sondern um seine Umgebung, die angesichts seiner wenig ernstzunehmenden Figur ganz aus sich herausgeht und damit die Mechanismen der italienischen Gesellschaft demaskiert. Auch sonst spart der Film nicht mit Seitenhieben - etwa als Fantozzi in ein Gefängnis gesperrt wird, als er eine medizinisch betreute Diät machen will, und das Personal deutsch spricht. Irgendwann reicht es Fantozzi und ihm wird klar, dass er nur ausgenutzt und hintergangen wird. Er lässt sich zu dem Einzigen noch größeren Außenseiter in der riesigen Firma versetzen – einem Kommunisten, der an einem abgelegenen Ort im Keller sein Dasein hinter Aktenbergen fristet.

Es kommt zu einer großartigen Schlusssequenz, die die damalige Situation in Italien treffend auf den Punkt bringt. Als er – nach monatelangem Studium des kommunistischen Manifestes – vor Wut einen Stein auf das Firmengebäude wirft und eine Glasscheibe zertrümmert, wird er zum obersten Chef der Firma gerufen, den sonst Niemand zu Gesicht bekommt, weshalb seine Existenz unter den Mitarbeitern angezweifelt wird. Viele Gerüchte ranken sich um seine Person, auch das verdiente Mitarbeiter in einer Art Aquarium schwimmen dürfen, dass sich auf dem obersten Stockwerk befinden soll. Doch tatsächlich erweist sich das Chef-Büro als karg eingerichteter Raum und der Direktor bittet ihn auf seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch Platz zu nehmen. Schnell schwinden Fantozzis Bedenken, auch weil sein Chef seinen Ansichten mit Verständnis begegnet. Immer mehr wird dieser zu einer gottgleichen Person, der Kapellencharakter des Raumes wird deutlich und Fantozzi nimmt auf der Kniebank vor dem Altar platz, als der sich der Bürotisch erweist. Fantozzi wagt es, ihn nach dem Aquarium zu fragen - die hintere Wand öffnet sich und in seiner Güte lässt er ihn dort schwimmen. Fantozzis Widerstand ist gebrochen und er nimmt wieder seinen gewohnten Platz innerhalb der Firma ein – der Film endet wie er begonnen hat (8,5/10).

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