Review

"Prometheus stole fire from the gods and gave it to man.
For this he was chained to a rock and tortured for eternity." – Apollodorus

"Now, I am become Death, the destroyer of worlds." – J. Robert Oppenheimer

Robert Oppenheimer galt als Links-Sympathisant, Womanizer und selbstbewusster bis arroganter Visionär. Sowie natürlich als „Vater der Atombombe“. Als Leiter des „Manhattan Projects“ entwickelte er zwischen 1942 und 1945 mit einem Team von Wissenschaftlern die amerikanische Atombombe und katapultierte damit die Welt ins Nuklearzeitalter.

Wie sein Hauptcharakter zeigt auch Christopher Nolans Film OPPENHEIMER mehrere Facetten, die von großartig bis fragwürdig reichen.

Nolans filmische Biographie ist in drei Teile gespalten: Der erste, etwas unspektakulär erzählte Teil stellt uns Oppenheimer Studienzeit sowie einige spätere Schlüsselfiguren vor. Der zweite Teil inszeniert die Arbeit am „Manhattan Project“ als Wettlauf gegen die Wissenschaftler der Nazis unter der Leitung Heisenbergs. Hier nimmt der Film ordentlich Spannung auf, und das, obwohl die tatsächlichen Geschehnisse ja allgemein bekannt und gut dokumentiert sind. Der dritte Teil widmet sich der Nachkriegszeit, Oppenheimers Läuterung, seinen Versuchen, Entwicklung und Einsatz von Nuklearwaffen zu verhindern und schließlich der Hexenjagd auf ihn in der McCarthy-Ära. So interessant und wichtig dieser Part für die Vervollständigung der Biographie ist, so sehr machen sich hier der Spannungsabfall der Geschichte und die Laufzeit von drei Stunden bemerkbar. Der Film gerät gegen Ende einfach deutlich zu lang, die immergleichen Anhörungsszenen ermüden.

Hinzu kommt, dass Nolan zwar Oppenheimers Leben und Wirken von etwa 1925 bis 1954 abbildet und dabei auch eine grobe Chronologie einhält, jedoch folgt OPPENHEIMER wie schon andere Nolan-Filme einer vom Regisseur selbst vorgegebenen und wohl auch nur von ihm wirklich durchdringbaren Struktur: Mit der Unterscheidung von „Fission“ (=Kernspaltung) in Farbe, mit Szenen, die Oppenheimers subjektive Wahrnehmung der Geschichte zeigen sollen und „Fusion“ (=Verschmelzung) in Schwarzweiß für die „objektivere“ Perspektive von Oppis späterem Gegenspieler Lewis Strauss schneidet Nolan zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her, die ihrerseits wiederum über eigene Flashbacksequenzen verfügen. So wird aus einem eigentlich einfachen Biopic ein Meta-Portrait, das die Vielschichtigkeit und Zerrissenheit seiner Hauptfigur mithilfe des Schnitts und den Mechanismen seines Sujets, der Spaltung von Atomen, erfahrbar machen will. Und dabei natürlich massiv verkompliziert. 

Wir sind hier schließlich in einem Christopher Nolan-Film.

Und wo wir schon bei Nolan-Manierismen sind: Auch dieser Film führt leider die Tradition des Regisseurs fort, nahezu jede Szene mit brummenden Soundwällen zuzuwummern, wenn man doch eigentlich gerne mal den Dialogen oder den eigenen Gedanken lauschen möchte. 

Auch ein paar inszenatorische Entscheidungen trüben den Filmgenuss etwas: Die vereinzelt eingestreuten surrealen Szenen (ein plötzlich nackter Oppenheimer im Verhör, eine verkohlte Leiche vor dem Podium der Belegschaftsfeier) sowie manch bedeutungsschwere Dialoge wirken seltsam aufgesetzt, so als müsse dem ohnehin schon historischen Leinwandgeschehen noch künstlich Gravitas verliehen werden.

Irritierend wirkt im Nachhinein auch Nolans vehemente IMAX-Fixierung: Natürlich ist es immer ein besonderes Erlebnis, einen Film auf der riesigen Leinwand (in diesem speziellen Fall: auf der größten IMAX-Leinwand der Welt in Leonberg bei Stuttgart) zu sehen. Doch OPPENHEIMER bietet diesbezüglich überraschend wenige Schauwerte, der Film lebt in der Hauptsache von Gesichtern in Großaufnahme – kein Vergleich zu anderen bildgewaltigen Nolan-Werken wie TENET, INTERSTELLAR oder INCEPTION. 

Die Gesichter zumindest sind nahezu alle bekannt: So gut wie jede Rolle ist mit namhaften Schauspielern besetzt, von denen man manche jedoch erst auf den zweiten Blick erkennt und von denen einige lediglich späte Kurzauftritte haben. OPPENHEIMER ist eben kein Starkino, sondern ein Schauspielerfilm, der seine Stars bewusst für sein Storytelling einsetzt. 

Nichtsdestotrotz sollte es wundern, wenn Cillian Murphy und Robert Downey Jr. nicht mindestens für je einen Oscar für Haupt- und Nebenrolle nominiert würden. Und zumindest die meisten Kritiker sind sich einig, dass auch Nolan diesen Preis endlich verdient hätte. Denn sehenswert ist OPPENHEIMER unbedingt – als faszinierende, wenn auch nicht immer einfache Mischung aus Geschichtsunterricht, Charakterportrait und filmischer Expertise.

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