Review

iHaveCNit: Oppenheimer (2023) – Christopher Nolan – Universal

Deutscher Kinostart: 20.07.2023

gesehen am 20.07.2023 in Dolby Atmos

Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 1 – Reihe 8, Platz 17 – 19:45 Uhr

gesehen am 21.07.2023 in Samsung ONYX LED

Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 6 – Reihe 13, Platz 25 – 20:40 Uhr

Kommen wir nun zu meinem zweiten Teil des Phänomens „Barbenheimer“ - Christopher Nolans „Oppenheimer“. Ich glaube, ich brauche nicht wirklich zu erwähnen, dass dieser Film mit zu meinen meist erwarteten Kinostarts im Jahr 2023 gehört – gerade weil ich Filme von Christopher Nolan liebe und diese für mich auch immer eine sichere Bank sind. In „Oppenheimer“ orientiert sich Nolan an einer Autobiographie von Kai Bird und Martin J. Sherwin „American Prometheus“ über den „Vater der Atombombe“ Julius Robert Oppenheimer. Entstanden ist ein Film, der bei mir eingeschlagen ist – wie eine Atombombe.

Während des zweiten Weltkrieges beginnt für die vereinigten Staaten ein Wettlauf gegen die Zeit und einen unsicheren Fortschritt der Deutschen in der Entwicklung von atomaren Sprengkörpern. Für die wissenschaftliche Leitung wird der Physiker Julius Robert Oppenheimer beauftragt, der in der abgeschiedenen Wüste in Los Alamos mit einem Team der fähigsten Wissenschaftler an dem Bau der Atombombe tüftelt. Doch wie geht man damit um, dass man gerade etwas entwickelt, dass nicht nur den Krieg, sondern auch die Welt beenden könnte ? Und wie geht man mit dieser Verantwortung danach um ?

Nach „Dunkirk“ ist dies nun der zweite Film von Christopher Nolan, der sich mit der Aufarbeitung geschichtlicher Themen beschäftigt. Bei der Aufarbeitung geschichtlicher Themen ist es natürlich ein Aspekt, aus welcher Perspektive diese Geschichte erzählt wird und wieviel Zudichtung, Umdichtung und Wahrheit dahintersteckt. Da ich persönlich die zugrunde liegende Autobiographie nicht gelesen habe, fällt es miran dieser Stelle natürlich schwer, genau diese Perspektive zu reflektieren, womit ich nur das gebotene Werk von Nolan isoliert betrachten kann und möchte. Mit 3 Stunden ist „Oppenheimer“ das bisher längste Werk von Nolan und ein aus meiner Perspektive betrachtet großartiger Film geworden. Nolan ist ja bekannt dafür, jedem Film ein narratives Konzept zu geben und viele Ebenen miteinander zu verknüpfen. „Oppenheimer“ ist hier schon eher für Nolan-Verhältnisse einfach gestrickt. Neben zwei farblich voneinander getrennten Ebenen, die die Titel Spaltung und Fusion tragen lässt sich der Film in seinen 3 Stunden klar in 3 Akte einteilen, Bei denen im ersten Akt zwischen beiden Ebenen hin und her gesprungen wird, ehe im 2. Akt die erste Ebene dominiert und ab Akt 3 es zur dominierenden zweiten Ebene kommt und beide Ebenen miteinander verknüpft werden. Diese Struktur führt Nolan ein wenig an seine Anfänge zurück, als er in Following als auch Memento immer zwischen einzelnen Elementen und Ebenen hin und her gesprungen ist und sich am Ende das große Ganze ergeben hat. Gerade diese Struktur hat für „Oppenheimer“ auch in meinen Augen Sinn ergeben, weil sich somit ein komplexer Faden ergibt, den man wie eine Zündspüle für sich aufwickeln und ausrollen kann. Weil sich damit eine immer wieder steigende, explosive Kettenreaktion ergibt, die sich bis zur nächsten großen Explosion aufbaut und dann die Schockwelle und Folgen der Explosion nachwirken lässt. Gepaart mit teils assoziativ eingeschnittenen Bildern, die visuell in den visionären Geist eines Oppenheimers eintauchen lassen, ist dieser Film eine über die 3 Stunden eine interessante Charakterstudie über den schwer greifbaren Oppenheimer, für den Cillian Murphy hier die bestmögliche Besetzung gewesen ist. Der Film ist in seinen 3 Stunden auch eine biographische Aufarbeitung des Lebens von Oppenheimer vor seinem Engagement beim Manhattan-Projekt, eine Aufarbeitung wichtiger Stationen während des Projekts und auch eine Aufarbeitung dessen, was danach folgte und welche Auswirkungen frühere kommunistische Verstrickungen Oppenheimers, sein innerer Zwiespalt und sein wissenschaftlicher Verstand hatten, gerade wenn es um politische Machtkämpfe und gekränkte Egos geht – bei dem Robert Downey Jr. unfassbar glänzen darf in der Rolle des Lewis Strauss. Zu Beginn des Films wird die Prometheus-Sage zitiert und der Film greift diese so auf, dass eben Oppenheimer der Prometheus ist, der mit der Atombombe den Menschen das Feuer brachte und dafür von den Göttern (US-Behörden) bestraft und gegeißelt worden ist. In dem Ensemble des Films, das unfassbar starbesetzt wirkt, selbst bis in die kleinste Nebenrolle, die nur wenige Momente im Film zu sehen ist, ist für mich vor allem noch Emily Blunt als auch Matt Damon erwähnenswert. Die Liste kann sich mit Namen wie Florence Pugh, Josh Hartnett, Casey Affleck, Rami Malek, Benny Safdie, Gary Oldman, Jason Clarke, Dane DeHaan, Alden Ehrenreich, Tony Goldwyn, Kenneth Branagh, James Darcy, David Dastmalchian, David Krumholtz, Matthias Schweighöfer und vielen mehr einfach sehen lassen. Handwerklich gesehen ist der Film in allen seinen Bereichen, Kamera, Musik, Sound, Schnitt, Set-Design, Kostüm-Design, visuelle Effekte und auch beim Make-Up und Haar-Design einfach über jeden Zweifel erhaben. Die Bilder von Hoyte van Hoytema sind grandios, die Musik von Ludwig Göransson legt sich wie ein brachialer, opernhafter Teppich dominierend über die Bilder und auch die geführten, messerscharfen Dialoge. Die Effekt-, Sound- und Schnitt-Arbeit lässt es in den passenden Momenten perfekt knallen. „Oppenheimer“ ist neben einer Charakterstudie und einer autobiographischen Aufarbeitung auch so etwas wie ein reelles Horrordrama, dass besonders in den letzten Minuten, gerade wenn es um den Inhalt eines Gespräches zwischen Oppenheimer und Einstein geht ein erschreckendes Mahnmal an uns Menschen, dass die perfekte Erklärung für den Zwiespalt und die Angst im Kopf von Oppenheimer liefert und im übertragenen Sinne sein im Film auch mehrfach getroffenes Vishnu-Zitat „Now i am become death, the destroyer of worlds“ wiederspiegelt. In diesem rauschhaften Erlebnis des Films kam es auch dazu, dass ich nach der ersten Sichtung so sehr den Drang dazu verspürt habe, ihn zur Reflexion noch einmal zu sehen und mich spontan nahezu 24 Stunden später wieder in einer nahezu ausverkauften Vorstellung einzufinden – nicht nur aus Gründen der Reflexion heraus, sondern auch, weil ich ihn so gut finde, dass ich ihn gerne noch einmal sehen wollte. Denn Nolan hat mich mal wieder absolut nicht enttäuscht. Oppenheimer ist bei mir eingeschlagen wie eine Atombombe.

„Oppenheimer“ - My Second Look – 10/10 Punkte. 





Details
Ähnliche Filme