Review

iHaveCNit: Mission Impossible Dead Reckoning Part One (2023) – Christopher McQuarrie – Paramount Pictures

Deutscher Kinostart: 13.07.2023

gesehen am 13.07.2023 in Dolby Atmos

Kinopolis Main-Taunus-Zentrum – Kino 1 – Reihe 13, Platz 19 – 20:00 Uhr

gesehen am 15.07.2023 in IMAX

Filmpalast Kassel – Kino 1 – Reihe A, Platz 8 – 16:00 Uhr

Es ist Mai 2022. Ein Mann schickt sich an, den von Corona gebeutelten Kino-Markt im Alleingang zu retten. Damals kam nach ganzen 2 Jahren Verspätung „Top Gun: Maverick“ in die Kinos und was soll man dazu sagen. Ganz früher hat man Tom Cruise als Kassengarant bezeichnet. Nach eher mäßigen finanziellen Erfolgen war der letzte Teil der Mission-Impossible-Reihe „Fallout“ ein Ausrufezeichen – aber mit „Top Gun: Maverick“ hat er es erstmals geschafft, einen Film knapp an die Schallmauer von 1,5 Milliarden zu bringen und nicht nur seiner Bezeichnung als Kassengarant gerecht zu werden, sondern auch seinen damit erfolgreichsten Film seiner Karriere hinzulegen. Perfekt zum Kinostart von „Top Gun: Maverick“ wurden dann auch erste Signale der Marketingmaschinerie gesetzt und der Trailer zum nächsten Eintrag der Mission-Impossible-Reihe mit dem Titel „Dead Reckoning Part One“ veröffentlicht. Natürlich auch vor „Top Gun: Maverick“ platziert. „Holy Smokes“ dachte ich mir damals und war natürlich auf TGM gehypt, und mein Hype um DR1 hat begonnen. Über ein Jahr warten ist kein Problem, bin ich doch ein geduldiger Typ und in Zeiten von Corona hat man Geduld und Warten zu Schätzen gelernt. Und zeitgemäßer kann auch DR1 nicht sein, denn irgendwie hat die Mission von Ethan Hunt bzw. Tom Cruise angesichts des aktuell begonnen Streiks der SAG-AFTRA um bessere Arbeitsbedingungen in Folge des Einzugs von Streaming und AI auch symbolische Bedeutung. Darüberhinaus ist DR1 meiner Statistik nach der 123. Film des Kinojahres 2023 und schon jetzt das Action-Thriller-Highlight 2023. Rein von den Präferenzen her läuft es dieses Jahr auf ein Triple-Threat-Match um den Titel „Film des Jahres 2023 hinaus“, weil nächste Woche Christopher Nolans „Oppenheimer“ und im November Denis Villeneuves „Dune Part Two“ starten wird und da ich für mich weiß, dass diese für mich immer geliefert haben, wird dieses Triple-Threat-Match unfassbar spannend. Vor allem wenn ein so starker erster Contender wie „DR1“ einzieht.

Unter dem Eis in der Beringsee. An Bord des U-Boots Sevastopol wird ein Testlauf einer Active-Learning-Software gestartet, der aus dem Ruder läuft für den Untergang des U-Boots und den Tod der Besatzung sorgt. Einige Zeit später hat sich die Active-Learning-Software ihren Weg in viele IT-gestützte Netzwerke gebahnt und wird als künstliche Intelligeng nur noch „Entität“ genannt. Für die Aktivierung und Deaktivierung sind unter anderem zwei einzigartige Schlüssel im Umlauf, die nur gemeinsam funktionieren und in den Fokus von Geheimdiensten, Regierungen, Verbrecherorganisationen und Dieben weltweit geraten, so dass eine regelrechte Jagd auf diese Schlüssel entbrennt. Die Mission, sofern Ethan Hunt sie annimmt, lautet, in den Besitz beider Schlüssel zu kommen, ohne zu ahnen, dass ihn diese Mission mit seiner eigenen, eigentlich verdrängten, schmerzhaften Vergangenheit konfrontieren wird.

Einer der Grundgedanken bei der Mission-Impossible-Reihe ist der, dass jeder einzelne Teil durch unterschiedliche Regisseure inszenatorisch seine ganz eigene Identität entwickelt. Klar mag es sein, dass ab „Ghost Protocol“ ein wenig Homogenität in die Identität der Filme eingekehrt ist, aber dennoch liegen Fokus und Schwerpunkte bei auch diesen Filmen immer auf anderen Punkten. Richtig prägnant wird es seit „Rogue Nation“, seitdem nur noch Christopher McQuarrie auf dem Regiestuhl sitzt und es bisher schafft mit einer Wandelbarkeit jedem seiner Filme eine eigene Identität mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu geben, ohne an eigener inszenatorischer Identität einzubüßen. Für „Dead Reckoning Part One“ braucht es daher keine düstere Paranoia aus „Rogue Nation“ und auch kein Hammer und Skalpell aus „Fallout“. „Fallout“ toppen – das braucht McQuarrie überhaupt nicht, denn die überragenden Qualitäten von „Dead Reckoning Part One“ liegen komplett woanders. Handwerklich sowohl von Regie, Kamera, Sound, Schnitt und Filmmusik sowie den visuellen Effekten ist das erstklassig, was der Film zu bieten hat. McQuarrie verneigt sich mit DR1 vor Brian DePalma und seinem Eintrag in die Mission-Impossible-Reihe, dem ersten Film. Nicht nur inszenatorisch über die extreme Nutzung von Dutch Angles, sondern auch über Action-Set-Pieces (vor allem im Zug), über Charaktere und entsprechenden Konstellationen (Die Rückkehr von Eugene Kitteridge bzw. Henry Czerny, die Verbindung zu Max durch die Tochter Elena) und entsprechender, spannender Elemente wie die fiesen, diebischen Taschenspielertricks, die hier noch einmal mehr auf die Spitze getrieben werden. Der Einstieg des Films wirkt wie ein interessanter Kurzfilm im Stile von „Jagd auf Roter Oktober“, der sich perfekt in den Rest des Films einfügt und den perfekten Einstieg bietet. Insgesamt fühlt sich der Film mit seinen 165 Minuten nie so lang an, weil er rasant und spannend durchzieht. Nach seinem Einstieg und der gut platzierten Ausgangslage gibt es durchaus viele, interessante und auch abwechslungsreiche Set-Pieces und Locations. Von einer interessanten Hommage an „Ghost Protocol“ mit Action im Sandsturm in Kombination mit „Rogue Nation“ - Rebecca Fergusons Ilsa Faust am Scharfschützengewehr über eine rasante, spannenden Sequenz an einem Flughafen in Abu Dhabi in der schon eine großartige Dynamik zwischen Tom Cruise und der von Haley Atwell gespielten Grace erkennbar wird, die in einer Screwball-ähnlichen Verfolgungsjagd in Rom weitergeführt wird. Da kommt es nicht von ungefähr, wenn man den Gerüchten von einer romantischen Beziehung von Cruise und Atwell während der Dreharbeiten glauben mag. Insgesamt hat der Film mit Hayley Atwell, Rebecca Ferguson, Vanessa Kirby und Pom Klementieff ein Quartett aus 4 großartigen Darstellerinnen und Rollen im Film, die auf ganz natürliche und absolut unaufdringliche Art und Weise „Frauenpower“ im Film bieten. Jedoch darf man nicht vergessen, dass der Film mit der Nutzung von KI näher an unserer Zeit liegt als wir das glauben möchten und damit der Film auch einen sehr fiesen, cleveren, spannenden und bedrohlichen Turn nimmt, wenn wir uns schon von Beginn an klar machen, wozu diese KI fähig sein kann und welche Gefahren davon ausgehen können. KI mag zwar wenig greifbar sein, aber der Film schafft es diese greifbar zu machen und als sehr fiese Bedrohung darzustellen, besonders in den engen, dunklen Gassen Venedigs. Nicht mehr oder weniger bedrohlich und geheimnisvoll ist auch der Part von Esai Morales als Gabriel und Teil der schmerzhaften, verdrängten Vergangenheit von Ethan Hunt. Hier gibt es auf jeden Fall noch weiteres Potential im zweiten Teil. Ebenfalls darf man nicht vergessen, dass der Film einen auch auf eindrückliche Art und Weise mit bitteren Konsequenzen konfrontiert. Die Action in Rom ist genau er passende Gegenentwurf zur Verfolgungsjagd in „Fast X“ und auch die Action auf dem Zug ist der passende Gegenentwurf zur Zugaction aus „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ - treffenderweise könnte man „Dead Reckoning Part One“ auch „Ethan Hunt und der Schlüssel des Schicksals“ nennen. Die Action im Zug als Klimax des ersten Teils macht absolut Sinn. Das, was uns im Laufe dieser gesamten Sequenz geboten wird sowohl innerhalb als auch außerhalb des Zuges ist etwas, bei dem ich gerne oftmals im Kinosaal den Ausruf „Holy Shit“ verwendet hätte und auch gerne mal den Atem und meinen Griff ins Popcorn anhalten musste. Einziger Wehrmutstropfen hier ist, dass der als große Stunt des Films angepriesene Sprung noch wesentlich wirkungsvoller gewesen wäre, hätte man ihn bis zum beabsichtigen Ziel in Gänze gezeigt. Es gibt eine Sache, die mich in diesem Filmjahr besonders bei „Fast X“ als auch „Spider-Man: Across The Spider-Verse“ gestört hat – dass man marketingtechnisch nicht darauf vorbereitet worden ist, dass wir hier mit unfertigen Filmen, deren Konklussion erst im nächsten oder den kommenden Teilen erkennbar wird, konfrontiert werden und damit mehr oder weniger unzufrieden das Kino verlassen. Und hier hatte ich die Befürchtung, dass „DR1“ diesen Fehler auch macht – zum Glück nicht. „DR1“ ist rund genug um als eigener Film zu funktionieren und nicht abhängig vom Großen und Ganzen zu sein, was mit „DR2“ folgen wird – auf den ich mich natürlich auch freue, selbst wenn die Veröffentlichung sich nun ein wenig aufgrund des Streiks verzögern wird. Aber auf sehr Gutes wartet man auch gerne etwas länger !

„Mission Impossible Dead Reckoning Part One“ - My Second Look – 10/10 Punkte. 





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