Review

Es bleibt dabei, ich werde mit Lanthimos nicht warm. Eher ein Handwerker als von der Muse geküsst. Jemand, der sich vermutlich an der Kunst der Großen orientiert, aber weniger vermutlich nie wirklich zu jenen gehören wird. Diese schufen ihre zeitlosen Werke meist mit einfachen Mitteln, dem feinen Gefühl für Bilder, für tiefgehende Momente, eben nicht nur durch stumpfe Werkzeuge wie zum Beispiel Schock, Ekel, Panoptikum und digitaler Ästhetik. Der Film beginnt entsprechend mit allen möglichen optischen Spielereien (und hört auch nicht damit auf). Inhaltliche Referenz: keine. Einfach nur wer kann der muss zeigen.
Die Rahmengeschichte ist eine Eierschale, das Gelbe vom Ei bilden die Darsteller und gewisse inhaltliche Momente.
"Der Oscar für Emma Stone!"? Bei aller Anerkennung, und es spricht der Mann mit einem Mädchen von 3 und einem von 5, gezeigtes Gehabe im ersten Drittel wirkt einzig affektiert, genau die Art überpotenzierte Realitätsdistanz, die wohl an der Schauspielschule gelehrt wird, aber nicht vom wahren Leben. Aber wer will es ihr verübeln, vermutlich eine zum Scheitern geborene Aufgabe, hier gibt es nur passabel oder schlecht. Passabel wurde eventuell erreicht. Mit zunehmendem Verlauf ihrer Rollenentwicklung gefällt sie mir dann wesentlich besser. Der Haken: wir befinden uns mittlerweile in Paris, leider die gefühlt unendliche Hauptstation der Reise. Ich fühle mich jetzt einsam in meinem Sitz, einsam inmitten feiernden Publikums. Oder zum Feiern aufgerufenem?! Aber dennoch bildet sich ab jetzt so langsam doch ein im wesentlichen positives Resümee. Was kann Lanthimos? Mehr als Gerwick. Wir haben den wohl feministischsten Film der letzten Jahre, diesbezüglich ist der Regisseur, oder womöglich eher dem Drehbuchautor McNammara bzw. Schriftsteller Gray Fantastisches gelungen. Der seelenlose Vulva-Wolf, Mark Ruffalo einfach vorzüglich, wird erst vorgeführt, dann zerstört, sich seinem eigenen Schlund zum Fraß vorgeworfen. Der Macher, vor allem der von Ketten und eines Abbilds X, Dafoe wie immer eine Bank, wird der bittere Spiegel der Einfachheit des Ichs vor Augen gehalten. Der schweigende Begleiter, rollengerecht verkörpert von Wemauchimmer, verweigert die Augenhöhe, die andere Seite mittelfristiger Reizlosigkeit.
Das Finale war für mich der gelungenste Part und hat mir den Kinobesuch gerettet. Der offensive Tyrann Abbott schafft es, alle voran gegangenen nochmal an Widerwärtigkeit bzw. beziehungsbezogener Wertlosigkeit zu übertreffen und vermeintliche Männlichkeit, bzw. deren dunkelsten Seite auf den Punkt zu bringen.
Ich habe den "Film des Jahres" gesehen, oder auch nicht, und bin dem Abgrund der Enttäuschung gerade noch entwichen.

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