Review

Wo soll man hier bitte anfangen?

Die Tiefgründigkeit und Vielschichtigkeit von "Vergiss mein nicht!" in Worte zu fassen, ist äußerst schwer, wenn nicht sogar unmöglich. Die Story, simpel und verworren zugleich, stammt von Charlie Kaufman, dem Genius, der sich auch schon für "Adaption" oder "Being John Malkovich" verantwortlich zeigte. Für "Vergiss mein nicht!" zog er sich eine Idee aus dem Ärmel, deren Existenz sicher wohl schon so gut wie jeder gewünscht hat. Die Möglichkeit, Gedanken zu löschen. Nicht irgendwelche Gedanken, sondern jene, die mit einer ganz gewissen Person verbunden sind. Zum Beispiel die große Liebe, die einen plötzlich verlassen hat. So ergeht es hier Joel, dessen Freundin mit ihm Schluss gemacht hat und danach, wie er von einen seiner Freunden erfährt, ihre Erinnerungen an Joel löschen hat lassen.

Damit wird Joel nicht fertig und auch er möchte seine Gedanken an Clementine verlieren. Somit engagiert er diese Firma und lässt seine Erinnerungen verschwinden. Was zunächst auch einwandfrei funktioniert, da die Erinnerungen an die Beziehung mit Clementine in umgekehrter Reihenfolge gelöscht werden. Das heißt, wie sie ihn verlässt, das bekommt man als Erstes zu sehen und wird als Erstes gelöscht. Angenehm für Joel. Doch umso weiter dieser Löschvorgang dauert, desto schöner werden die Erinnerungen, die beseitigt werden sollen. Nun beginnt Joel, dagegen zu rebellieren und die Technik zu überlisten...

Wie er das macht, sollte eigentlich jeder selber herausfinden und sehen. Sofern ihr es nicht eh schon woanders gelesen habt.

"Vergiss mein nicht!" ist ein Film über die Liebe. Aber ein etwas anderer Film. Hier geht es zwar um eine Beziehung zwischen zwei Menschen, die sich lieben, doch wird hier so dermaßen anders an das Thema herangegangen, dass der Film zunächst gar nicht wie ein Liebesfilm auszusehen vermag. Da wäre der noch ganz sympathische Prolog, doch kommt dann der Vorspann, passieren erst einmal Dinge, die nicht unbedingt zu einem schönen, gefühlvollen Film gehören. Diese sollen ja schließlich auch gelöscht werden. Die wahre Größe und die fast schon unbeschreibliche Schönheit des Films ergibt sich dann erst gegen Ende, das, auch wenn es frei von Kitsch ist, dem Zuschauer zeigt, wie groß die Liebe doch sein muss zwischen Joel und Clementine. Wissen sie, dass ihre Beziehung wieder scheitert ? Oder gehen sie zumindest davon aus ? Oder gehen sie davon aus, versuchen aber ihre Schwächen zu beachten und diese dann abzulegen ? Oder wissen sie, dass es nicht klappt, wollen aber zumindest bis zum Ende wieder eine schöne Zeit haben ? Denn der Film ist der Meinung, lieber ist man einmal unglücklich verliebt als gar nicht.

Und genau das ist die Stärke von "Vergiss mein nicht!". Da will am Ende nicht nur mit dem Dampfhammer eine tolle Moral verklickert werden, sondern den ganzen Film über liefert uns Charlie Kaufman mit seinem Drehbuch Argument um Argument, um genau oben besagte These zu untermauern. Klar ist das Ende einer Beziehung hart und die unmittelbare Zeit zuvor. Doch ist das Ende einer Beziehung nicht genau deswegen hart, weil man auch eine unbeschreiblich schöne Zeit erlebt hat ? Genau das zeigt der Film ausdrücklich. Nicht in kitschigen oder klischeebeladenen Szenen, sondern immer nur kurze, kleine, prägnante Episoden im Stil, wie man es auch schon in "Memento" gesehen hat.

Als Subplot kommt dann eben noch Joels Schlafzimmer hinzu. Die Angestellten des Wissenschaftlers Mierzwiak befinden sich in Joels Haus, während der Prozedur des Löschens. Pikanterweise hat Patrick, einer dieser Arbeiter, persönliches Interesse an Clementine. Nachdem er bei dieser ja auch schon die Gedanken an Joel gelöscht hat, weiß er Bescheid über ihre Vorlieben und macht sich somit spielend an sie heran. Doch Joel bekommt die Gespräche, die in seinem Zimmer stattfinden, während des Löschens teilweise mit und auch dadurch macht sich dann sein Unterbewusstsein daran, das weitere Auslöschen seiner Erinnerungen zu unterbinden.

Da gibt es noch weitere kleine Geschichten zu erzählen, die im Film vorzufinden sind, doch das sollte wie gesagt jeder selber herausfinden.

Schauspielerisch bewegen sich Jim Carrey und Kate Winslet (ja, das ist die, die mit dem DiCaprio schon mal auf so einem komischen Schiff da rumgemacht hat) auf allerhöchstem Niveau. Jim Carrey macht seinen Ruf als neuer Charakterdarsteller alle Ehre und spielt dermaßen brillant und realistisch, das man ihm einfach jeden Gesichtsausdruck, jeder Gestik, schlichtweg alles abkauft, was er dem Zuschauer in irgendeiner Form mitteilen möchte. Auch Kate Winslet, die in besagtem "Titanic" mitgewirkt hat, interpretiert ihre Rolle als ausgeflippte, lebensfrohe, spontane Clementine perfekt und auch ihr ist es zu verdanken, dass hier gute Arbeit geleistet wurde, was die Auswahl der Hauptdarsteller angeht.

Das Ende dann, ja das ist dann wirklich ein Ende, wie man es noch nicht so oft zu Gesicht bekommen hat. Erst schockiert, dann ist man traurig und entsetzt und dann ist man letzten Endes doch voller Freude und Hoffnung, dass es ja vielleicht diesmal klappt. Doch da lassen uns Drehbuchautor Charlie Kaufman und Regisseur Michael Gondry alleine, mit einer Interpretation. Es ist jedoch nicht zwanghaft die traurige, nihilistische "Schleifenvariante", in der alles seinen bekannten Weg geht. Es besteht Grund zur Freude und zur Hoffnung. Wie im echten Leben auch.

Mit "Vergiss mein nicht!" ist ein stilistisch wie inhaltlich hochwertiger Film entstanden, der das Thema Liebe mal etwas anders angeht wie die üblichen Werke des Genres. Zudem hat er in jeder einzelnen Szene einen Sinn und zusätzlich eine Aussage aufzuweisen, die ihn nicht nur zu einem Liebesfilm macht, sondern ganz einfach zu einem Film, den man unbedingt gesehen haben muss. Nicht alltäglich, dafür aber umso besser.

9/10 Punkte

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