Mundwinkelzucken, zusammengekniffene Augenbrauen, unregelmäßiges Zwinkern. Wenn man Leland P. Fitzgerald - herausragend gespielt von einem jungen Ryan Gosling - so anschaut, hat man ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Was ist das für ein Typ? Was ist bei ihm falsch gelaufen? Warum wirkt er so unnahbar?
Diese Fragen bekommen noch eine ganz andere Gewichtung, wenn man gleich zu Beginn erfahren muss, dass er den behinderten Bruder seiner Exfreundin mit 20 Messerstichen am hellichten Tag niedergestochen hat und dafür in der Jugendstrafanstalt landet. Niemand kann sich die Tat erklären, da Leland aus einem vordergründig guten Elternhaus kommt und ziemlich intelligent ist. Vor diesem Hintergrund weckt er das Interesse von Pearl Madison, Don Cheadle als Knastlehrer, der sich für Leland und seinen verschlossenen Charakter Zeit nimmt.
Obwohl Ryan Gosling bereits in seinen frühen Zwanzigern war, nimmt man ihm die Rolle des nachdenklichen Teenagers von der ersten Minute an ab. Die hagere Statur passt. Seine Mimik ist zudem überragend. An seinem Gesicht liest man so viel ab. Während seine Worte eher gestammelt und kurzsilbig daherkommen, blickt man durch seine Augen stellenweise tief ins Seelenleben einer zerrütteten Persönlichkeit, die in jungen Jahren schon viel zu viel verarbeiten musste. Und trotzdem sind seine Beweggründe für Außenstehende nahezu undefinierbar.
Neben Gosling und Cheadle ist der Film mit Kevin Spacey, Michelle Williams und Jena Malone auch bis in die Nebenrollen erstklassig besetzt. Schauspielerisch ist das Drama wirklich allererste Sahne. Regisseur Matthew Ryan Hoge gewährt mit "State of Mind" Einblicke in die unergründliche menschliche Entscheidungsfähigkeit und gibt Denkstöße für mögliche Auslöser zu derart schrecklichen Taten. Dabei wird der Film allerdings nie psychotherapeutisch, was ihm insgesamt gut bekommt. Wie gut man die eingangs erwähnten Fragen am Ende des Films beantwortet bekommt, hängt in erster Linie davon ab, wie viel man aus Lelands Interpretationen zu dieser oberflächlichen Welt, in welcher oftmals mehr Schein als Sein ist, zu ziehen glaubt.